Rangoato Hlasane
Ausstellung "Techno Worlds"

Rangoato Hlasane, Sesasedi sa Tsodio, 2021 © Foto: Bongani Mndaweni Rangoato Hlasane, Sesasedi sa Tsodio, 2021 Foto: Bongani Mndaweni

Sesasedi sa Tsodio1

Ein Videoessay von Rangoato Hlasane und Beitragenden

Ein Flüchtiger rennt vor einem Gespenst und „maphodisa a Lebowa“2 weg (geschrieben im Jahr 1974 vom Harepa3-Spieler Johannes Mokgwadi). Tsodio4 flieht nach „Gauteng ma5 phutha ditšhaba“. Bevor wir uns fragen, warum er dies tut: Was, wenn Tsodio doch weder vor einem Gespenst noch der Polizei flieht? Mams, Maftown und Ndofaya erzählen…

Das Videoessay über die DNS der Kwaito-Musik und ihren vielen Nabelschnüren sucht nach und zelebriert die Musikalität der leleme la MaAfrika – klangliche und phonetische Aspekte Schwarzen World-Makings. Der Charakter des Tsodio als lyrische Fiktion/Mythologie reist durch Mündlichkeit und Erzählkunst durch Schwarze musikalische und klangliche Historien der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Reisebanner, die über drei Orte – Meadowlands, Mamelodi and Mahikeng – nachdenken und sie vertonen, dienen vor Ort als Hintergrund für ein mündliches Geschichtsprojekt, für das „Menschen als Bibliothek“ fungieren. Diese ortsgebundenen, linsenbasierten performativen Unterhaltungen überschneiden sich und verschmelzen mit Vignetten der sich entfaltenden Filmmusik aus Ndofaya, Mams und Maftown.6

Was, wenn Straßenamen einen Refrain sängen? Wenn sie klängen? Wenn ein Gusheshe7 sehen könnte? Wenn Berge Zeugnis ablegen könnten? Dämme heilen könnten? Statisch und strategisch – als ortsgebundene optische Performances – gesprochen: Könnten Banner Erzählungen der Bewegung und Biografien, der Eroberungen und des Benennens, der Niederlage und der Rückforderung, des Widerstands und der Abstammung in Klang umwandeln? Vom Boden zum Klang, vom Lied und zurück zur Straße bedient sich dieses Videoessay beim Tsodio-Narrativ, um die visuellen Musizierobjekte von mmino wa setšo eine Form zu geben; music of Botho8, Musik der people, kulturelle Musik, Schwarze Musik, ein World-Making-Sound – das, was gemeinhin als „traditionelle Musik“ bezeichnet wird.

Meadowlands, Mamelodi und Mahikeng verschmelzen durch Tsodio in zeitlicher Nähe zueinander im Rahmen einer ortsgebundenen, linsenbasierten Performance, einer symbolisch-klanglichen und visuellen Kartografie von Ndofaya, Mams und Maftown. Das Bildmaterial dieses Videoessays lässt die grundlegende Handschrift von Kwaito-Musik gemeinsam mit ihren Einflüssen aus und ihrem Austausch mit der Familie Schwarzer Musik erklingen – mmino wa setšo. Kwaito und Techno, oder Afrika und seine Diaspora, erläutern in mmino wa setšo die Konstellation von Mensch-Objekt-Geist und wie diese Komplizenschaft das erschafft, was wir „Musik“ nennen.

In ihrer Darlegung der Poetik des verstorbenen Keorapetse Kgositsile schreibt Uhuru Phalafala (2016), dass „[…] Sprache eine aktiv Handelnde ist, die Bewegung und Kontinuität in Räumlichkeit signalisiert und so durch einen lebendigen Entfaltungsprozess, der Afrika auf dem Kontinent mit Afrika in Amerika […] und der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verwebt, Differenz in einen Zusammenhang stellt“ (S. 20). Ndofaya, Mams und Maftown treten ihrer Beiträge zur klanglichen Geschichte Südafrikas – Mündlichkeiten, Linguistik, Phonetik, Musiken – sowie ihrer politischen Narrative und Historiographien wegen in diesem Video als Charaktere auf. Ndofaya, Mams und Maftown haben aufgrund von gewaltsamer Vertreibung und Widerstand eine gemeinsame Geschichte, die zwar nicht zwangsläufig der Ursprung von, immerhin jedoch an ihre verschiedenen kulturellen Innovationen gekoppelt sind. Sie haben überdies eine Verbindung zur Region des südlichen Afrika, dem Rest des afrikanischen Kontinents, seiner Diaspora und zurück nach Johannesburg.


1 „Tsodios Wirbelwind“

2 Bezieht sich auf die Polizei im früheren Homeland Lebowa, die heutige Provinz Limpopo in Südafrika.

3 Bei der Harepa, auch als Dipela oder traditionelle Pedi-Harfe bekannt, handelt es sich um eine Adaption der deutschen Autoharp, die neu gestimmt und von Künstler*innen aus der Provinz Limpopo in Südafrika gespielt wurde, darunter Johannes Mokgwadi, Ernest Rammutla und Elijah Ndlovu. Mokgwadi ist der erste Musiker des Dipela genannten Genres, der mit dem Stück „Tsodio“, ursprünglich als Titelsong für ein Hörspiel bei Radio Lebowa geschrieben, bei der breiten Masse Erfolg hatte.

4 Tsodio ist ein auf der Flucht befindlicher und heimgesuchter Charakter, der seinen Onkel ermordet hat. Zuerst taucht er dank Johannes Mokgwadi (1974), Paulina Mphoka (unbekanntes Datum), Joe Shirimani (1998) und Lebo Mathosa (1999) im mmino wa setšo-Repertoire und in der Massenkultur auf. Das in Liedern zirkulierende Narrativ Tsodios ist lang und umfasst populäre und subversive Genres (einschließlich einer Interpretation von Thath’i Cover Okestra Vol. 2, kuratiert von Malose Malahlela und mir, eingespielt und aufgenommen im Guga ‘Sthebe in Langa, Kapstadt) bis hin zur Amapiano-Aufbereitung durch The Trybe (die den Namen „Tsodiyo“ buchstabieren). Der Text der Version von Penene The Vocalist (2020) verortet einen „maskentragenden, desinfizierenden“ Tsodio in „Pitori“ (Pretoria, mittlerweile Tshwane, die Hauptstadt Südafrikas und Sitz der Exekutive in der Provinz Gauteng).

5 Die Provinz Gauteng – Sesotho für „Ort des Goldes“ und ein Zentrum der Arbeitsmigration – wird hier als „Zufluchtsort der Nationen“ bezeichnet.

6 Bezieht sich jeweils auf Meadowlands, Mamelodi und Mahikeng, die so von ihren Bewohner*innen umbenannt wurden. Die Praxis der Umbenennung ist, wie es sich anhand der Harfe als Harepa oder Gusheshe (ein Begriff für den BMW 325i) zeigt, in den klanglichen und phonetischen World-Making-Praktiken Südafrikas sowohl als Zeichen des Widerstands wie auch der Vorstellungskraft von großer Wichtigkeit.

7 Gusheshe ist der Spitzname, den Schwarze Südafrikaner*innen dem Automodell BMW 325i gegeben haben.

8 Botho – Sesotho für „afrikanische Menschlichkeit“, besser bekannt als Ubuntu – wird an dieser Stelle synonym verwendet, um auf die Musik der „people“ zu verweisen, dem kollektiven Nomen für Schwarze Menschen. So vermeidet und entzieht sich mmino wa setšo Kategorien wie „traditionell“ und „World“ oder gar „Indigen“ oder „folkloristisch“.

Biografisches

Rangoato Hlasane wurde in Polokwane geboren, er lebt und arbeitet in Johannesburg. Er ist Mitbegründer und Co-Direktor (seit 2008) der Keleketla! Library (Vera List Prize in Art and Politics, 2014) und Dozent für Bildende Kunst an der University of the Witwatersrand, Johannesburg, Wits School of Arts (seit 2013).

Seine Texte wurden in verschiedenen Zeitschriften und Büchern publiziert, jüngst etwa erschien das Kapitel ‚Dangerous Combinations and Skeem Sam Foundations: The Most Beautiful Black City in Africa?’ in „Ten Cities: Clubbing in Nairobi, Cairo, Kyiv, Johannesburg, Berlin, Naples, Luanda, Lagos, Bristol, Lisbon 1960 – March 2020“ (Spector Books). Im Rahmen der Keleketla! Library war er 2018 Co-Leiter einer kollaborativ-expansiven Ausstellung mit zwei Konzertabenden mit dem Thath’i Cover Okestra Vol. 5, einem Clubnacht-Seminar, Klappcover-Vinyl und Bildungsprogramm unter dem Titel „17 July to 12 September 1977. Lebo Mathosa is born. Steve Biko is assassinated” als Teil der 10. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst im HAU2 und Club YAAM in Berlin. Danach folgte das kulturelle Projekt und Studioalbum Keleketla!, das 2020 in London von Ahead Of Our Times produziert wurde. Rangoato Hlasane ist ein aktives Mitglied von ARAC (Another Roadmap for Arts Education Africa Cluster).

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