Filmvorführung
Ich und Kaminski

Daniel Brühl & Jesper Christensen
© X-Verleih / GORDON Photography

Regie: Wolfgang Becker, Farbe, 120 Min., 2013-15

Goethe-Institut Peru

Deutschland in den Neunzigern: Der Kunstkritiker Sebastian Zöllner sucht den großen Erfolg: Er will ein Enthüllungsbuch über Manuel Kaminski schreiben; der einst prominente, nun fast vergessene Maler, Schüler von Matisse und Freund von Picasso hat sich in ein Chalet in Graubünden zurückgezogen und soll längst erblindet sein. Zöllner spürt ihn auf, dringt skrupellos in dessen Leben ein, stiehlt einige seiner späten Bilder und verführt ihn zu einer Reise nach Belgien. Dort soll Kaminskis totgeglaubte Jugendliebe Theresa leben. Unterwegs beginnt Zöllner zu ahnen, dass ihm der alte Mann hoch überlegen sein könnte.


Methodisch erinnert die Exposition an Woody Allens ZELIG, an die in dokumentarisches Archivmaterial eingeschmuggelten inszenierten Bilder. Angeblich trauert die Kunstwelt um den Maler Manuel Kaminski, den letzten Vertreter der klassischen Moderne, Schüler von Matisse, Freund von Picasso. Claes Oldenburg oder Andy Warhol, Woody Allen und Jack Lemmon werden zu angeblichen Zeugen von Kaminskis Leben und Werk, das selbst Hitchcock und die Beatles beeinflusst hätte.
 
Sebastian Zöllner möchte seine Karriere als Kunstkritiker endlich in Gang bringen; er plant ein Enthüllungsbuch über Kaminski und weiß, dass sich der legendäre, wohl nur durch ein Missverständnis berühmte Maler, ein Mythos der klassischen Moderne, in ein Schweizer Chalet zurückgezogen hat. Zöllners aggressive Überheblichkeit deutet sich schon bei der Bahnfahrt in die Schweiz an. Er findet das Haus des Malers in den Bergen, betritt es dreist und zudringlich, spielt sich vor Kaminskis Tochter Miriam auf, mischt sich ungebeten und vorlaut unter die Gäste eines Hauskonzerts und lädt sich selbst zum Dinner ein – bis man ihn unerbittlich hinauskomplimentiert. Zurück im Gasthof erfährt er am Telefon, dass ihn seine Freundin Elke aus der Wohnung geworfen hat. Ein Komponisten-Paar erzählt ihm, dass Kaminski einst eine große Liebe hatte, Theresa, die als Muse seine Arbeit „inhaltlich gerettet“ habe. Über die Trennung sei er nie hinweggekommen; um seinen Schmerz zu lindern, hatte man ihn belogen – seine Geliebte sei gestorben. Zöllner findet heraus, dass die Frau inzwischen in Belgien lebt. Erneut dringt der Journalist ins Haus des Malers ein und findet einige nicht signierte Bilder, depressive Selbstporträts Kaminskis, stiehlt zwei davon und überredet den Maler, mit ihm nach Belgien zu fahren, um Therese zu besuchen. Nun beginnt ein merkwürdiges Road Movie, die beiden Männer scheinen sich ständig zu belauern und zu belügen; Kaminskis Luxusauto wird mitsamt der gestohlenen Bilder geklaut, der Maler lässt eine Prostituierte ins Hotelzimmer kommen und verursacht damit einigen Ärger.
 
Zöllner quartiert sich mit Kaminski in Elkes Wohnung ein; er nimmt ihn mit zu einer Vernissage. Die Gäste geben vor, zu wissen, wer Kaminski ist, aber der hat gut zugehört: „Niemand kannte ein Bild von mir!“ Zöllner macht sich um den sichtbar angeschlagenen Maler Sorgen: „Ich will nicht, dass er stirbt!“ Das würde sein Buchprojekt gefährden. Kaminski, der vermutlich Blinde, zeichnet mit abgewandtem Gesicht eine Skizze, dann führt er Zöllner die Hand mit dem Bleistift. Das Ergebnis ist ein überraschend intensives Porträt des Autors.
 
Die beiden Männer fahren mit Elkes Auto zu Theresa; sie lebt mit einem liebenswerten Belgier zusammen. Bei der Ankunft erklärt Kaminski: „Kunst bedeutet mir nichts!“ Ist das glaubhaft? Oder eine Laune des Augenblicks? Das Wiedersehen mit der großen Liebe führt zu einer tiefen Enttäuschung. Sie weiß nicht mal mehr Kaminskis Vornamen und scheint an Demenz zu leiden. Ernüchtert verlassen die beiden Besucher das Haus und entkommen der plötzlich auftauchenden Miriam. Am Ende sitzen die beiden an einem Strand. Kaminski hatte erklärt, dass längst ein anderer an einem Buch über ihn arbeitet. Zöllner wirft seine Unterlagen ins Meer, aber er behält sein Handy mit den Fotos. Der Maler schenkt ihm eines der geklauten Bilder und signiert es für Zöllner. Kaminski sitzt an Strand, langsam verwandelt sich die Einstellung in ein Gemälde. Das richtige Ende für eine Erzählung, deren Helden sich auf eine sehr irritierende Weise ohne wirkliche eigene Geschichte durch den Film bewegen.
 
ICH UND KAMINSKI ist, wie die gleichnamige Romanvorlage, ein riskantes Unternehmen, denn es gibt hier keinen positiven Helden. Zöllner, aber auch Kaminski, sind mit ihrer Eitelkeit und all ihren permanenten Lügen schwer zu ertragen – dennoch gelingt dem Regisseur und den beiden Schauspielern das schier Unmögliche: Der Zuschauer nimmt Anteil an ihrem Weg und hat am Ende trotz aller Widerstände eine gewisse Sympathie für sie entwickelt. Als bloße Satire über den Kunstbetrieb sollte man den Film sicher nicht interpretieren. „ICH UND KAMINSKI ist ein Film über Blindheit in vielfachem Sinn, über Ehrgeiz und Kunst, über Lüge, Wahrheit und Medien und über das ewige Duell zwischen Alter und Jugend.“ (Daniel Kehlmann). Der Schlüssel könnte die von Kaminski erzählte Geschichte von Bodhidharma sein: Dem weisen Mönch hatte sich ein Schüler angeschlossen und ihn jahrelang verfolgt, bis er ihn fragte: „Meister! Ich habe nichts!“ Die Antwort: „Wirf es weg!“ Das entspricht genau dem Finale. Auch wenn Zöllner fragt: „Wenn ich nichts habe, was soll ich dann wegwerfen?“ Am Ende wird er es zumindest erahnen.
 
 
Biografie
 
Wolfgang Becker wurde 1954 in Hemer (Westfalen). geboren. Er studierte an der Freien Universität in Berlin, ab 1981 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Mit seinem Abschlussfilm SCHMETTERLINGE (1988, nach Ian McEwan) gewann er den „Studenten-Oscar“. 1994 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern von X Film Creative Pool. GOODBYE, LENIN war 2002 der erfolgreichste deutsche Film des Jahres und wurde für den Golden Globe nominiert. Becker hatte eine Professur an der Kölner Kunsthochschule für Medien im Fachbereich Regie und mehrere Lehraufträge an der DFFB sowie an der Filmakademie Baden-Württemberg.
 
Filmografie (Auswahl)
 
1988      SCHMETTERLINGE
1991      BLUTWURSTWALZER
1992      KINDERSPIELE
1997      DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE
2003      GOOD BYE, LENIN
2005      BALLERO (Kurzfilm)
2009      DEUTSCHLAND '09 - Episode: KRANKES HAUS
2015      ICH UND KAMINSKI
 
H.G. Pflaum, 24.02.2017

Details

Goethe-Institut Peru

Jirón Nazca 722
Jesús María
Lima 15072

Sprache: Dt mit Spanischen UT
Preis: Eintritt frei

+51 1 4333180 info-lima@goethe.de

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