Die Verlagsarbeit in Portugal
Die Herausforderung, „schwierige Autor*innen“ zu übersetzen

Bücher
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Sei es weil sie hermetisch schreiben oder in Dialekten, die nur schwer in eine andere Sprache zu übertragen sind - manche Autorinnen und Autoren stellen größere Herausforderungen an die Übersetzung. Auch sie zu verlegen ist oft ein Risiko - doch manche sind davon überzeugt, dass es sich lohnt.

Von Carolina Franco

„Arno Schmidt ist einer der außergewöhnlichsten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur und wurde in Portugal nie übersetzt.“ So stellt der portugiesische Essayist und Literaturkritiker João Barrento den Autor in einem Beitrag für die portugiesische Tageszeitung Público 2001 vor. Nur 16 Jahre später wurde dieser einzigartige Vertreter der deutschen Literatur doch in Portugal übersetzt und veröffentlicht.

Arno Schmidt ist nicht irgendein Autor. Mário Gomes, der ihn aus dem Deutschen ins Portugiesische übertragen hat, behauptet sogar, seiner Meinung nach gebe es „keinen anderen Schriftsteller, der so besonders schreibt wie Arno Schmidt“ – was sich bereits vor dem Lesen im Schriftbild äußert. Ihn in Portugal einzuführen, stellt also nicht nur aufgrund der hermetischen Schreibweise und des nicht einfachen Humors des Autors eine Herausforderung dar, sondern auch wegen der mangelnden Bekanntheit seines Werks in literarischen Kreisen und vor allem beim portugiesischen Lesepublikum. Das Wagnis, Arno Schmidt zu veröffentlichen, ging João Paulo Cotrim ein, der im Dezember 2021 verstorbene Gründer und Verleger des Verlags Abysmo.

Die geringe Bekanntheit des Schriftstellers Arno Schmidt führt dazu, dass auch nur wenig über die Begleitumstände bekannt ist, unter denen sein Werk in Deutschland erschien. „Er wurde zensiert, der Pornografie beschuldigt und war selbst wiederum äußerst kritisch gegenüber der Kirche – alles, was in den 1950er-Jahren als skandalös galt. Damals erregte es Aufsehen, im 21. Jahrhundert ist es aus meiner Sicht nicht mehr allzu schockierend“, erklärt Mário Gomes. Die Schwierigkeit, ihn nach Portugal zu bringen, hatte vor allem mit seiner weitgehenden Unbekanntheit zu tun, wenn auch seine Übertragung von denen, die ihn, wie João Barrento, bereits kannten und seine Literatur schätzten, schon lange ersehnt wurde.

Mário Gomes
Mário Gomes hat zwei Bücher von Arno Schmidt ins portugiesische übersetzt. | Foto: © Mário Gomes

Eine Herausforderung für die Übersetzung

Für Mário Gomes lag die Herausforderung, Arno Schmidt nach Portugal zu bringen, vor allem in der Übersetzung. „Schmidt zu übersetzen ist sehr kompliziert, denn er spielt als Autor mit seiner dichten und in gewisser Hinsicht auch lyrischen Sprache und sogar mit der Zeichensetzung. Die deutsche Zeichensetzung funktioniert anders als die portugiesische, doch oft habe ich mich dafür entschieden, sie nicht zu verändern und dadurch noch merkwürdiger erscheinen zu lassen als im Original. Das erschien mir am getreuesten“, erzählt er.

Mit der Sprache macht Arno Schmidt, „wovon Borges abrät“: Er setzt auf Adjektive und Adverbien. Im Portugiesischen endet ein Großteil der Adverbien auf „ente“, was „eine Abfolge von Worten, die alle auf ‚ente‘ enden, zu einem ästhetischen Problem werden lässt“. Um dies zu lösen, ohne die textliche „Dichte“ des deutschen Schriftstellers zu vernachlässigen, sagt der Übersetzer, habe er auf die „Sensibilität von João Paulo Cotrim“ vertraut. „Ich glaube, wenn dieses Buch von einer anderen Person lektoriert worden wäre, wäre vieles nicht so gut gelöst worden.“

Die Herausforderungen der Übersetzung sind unterschiedlich. Michael Kegler, deutscher Übersetzer mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung, kann darüber aus erster Hand berichten. Er zeichnet verantwortlich für die Übersetzung von Namen wie Ana Luísa Amaral, Al Berto, Gonçalo M. Tavares, José Eduardo Agualusa, Ondjaki oder Yara Nakahanda Monteiro. Bei Yara Nakahanda Monteiro und ihrer fesselnden Prosa habe die Herausforderung darin bestanden, „nicht in bestimmte Fallen zu tappen“ und nicht allein Worte zu übersetzen, sondern vor allem spezifische Details aus dem angolanischen Kontext. Die Antwort auf diese Herausforderung beim Übersetzen des Romans Essa Dama Bate Bué (dt.: Schwerkraft der Tränen) war der Dialog zwischen Übersetzer und Autorin und eine gemeinsame Arbeit an Lösungen. „Man kann das nicht einfach in einen vorhandenen deutschen Dialekt bringen. Den Tonfall Luandas in etwa den von Berlin zu übersetzen, würde nicht funktionieren, denn Luanda ist nicht Berlin, sondern etwas völlig anderes.“

Yara Nakahanda Monteiro versteht kein Deutsch und muss also dem Übersetzer vertrauen. Sie wusste, dass Kegler „sehr vertraut ist mit der Kultur und den Ausdrucksweisen in Angola“, was hilfreich gewesen sei beim Übersetzen ihres „stark von der Mündlichkeit geprägten“ Schreibens voller Ausdrücken aus den angolanischen Sprachen Umbundu und Kimbundu. Stellt das Übersetzen von Arno Schmidt ins Portugiesische also vor allem eine ästhetische Herausforderung dar, musste der Übersetzer von Yara Nakahanda Monteiro ein Gespür für die Übersetzung genuin portugiesischer und angolanischer Ausdrücke entwickeln, die im deutschen Kontext zum Problem werden können.

„Wegen allem, was mit dem Holocaust zu tun hat, gibt es [in Deutschland] eine hohe Sensibilität gegenüber rassistischen Konzepten. Schon das Wort ‚raça‘ verbietet sich in der Übersetzung. In meinem Buch wiederum lassen sich gerade wegen der portugiesischen Kolonialgeschichte bestimmte Abstufungen der Hautfarbe nicht ausblenden. Das war etwas, woran wir mit einigem linguistischem Fingerspitzengefühl arbeiten mussten“, erinnert sich Yara Monteiro.

Schwierigkeiten, einen Verlag für ihr Buch zu finden, konnte Yara Monteiro wiederum nicht feststellen. Im Gegenteil sei da ein gewisses „Drängen“ gewesen.
Yara Nakahanda Monteiro
"In meinem Buch wiederum lassen sich gerade wegen der portugiesischen Kolonialgeschichte bestimmte Abstufungen der Hautfarbe nicht ausblenden. Das war etwas, woran wir mit einigem linguistischem Fingerspitzengefühl arbeiten mussten." | Foto: © José Agualusa

Die Investition der Verlage

Wie ein bestimmter Autor oder eine Autorin einen Verlag findet, um in eine andere Sprache übersetzt zu werden, ist nicht in Stein gemeißelt. Michael Kegler hat hier schon alles Mögliche erlebt: eine Übersetzung verkauft, obwohl er mit einem Verleger nur eine Zigarette rauchen wollte, von Verlagen kontaktiert werden, die bereits wussten, dass sie einen bestimmten Autor verlegen wollten, oder die Freundschaft mit Autoren oder Autorinnen, die ihn irgendwann als ihren Übersetzer ansahen – wie im Fall von Ana Luísa Amaral zum Beispiel.

„Schwierige Autoren“ verlegen kann fast eine Art Mission sein, wie bei João Paulo Cotrim mit Arno Schmidt, aber auch ein Risiko. Mário Gomes erzählt, dass es bei Arno Schmidt eine Art Arbeiten aufs Geratewohl war ohne große Erwartungen. Die positive Reaktion der Kritik und der Medien im Allgemeinen war für ihn „überraschend“.

Pedro Bernardo, Mitbegründer und Verleger von E-Primatur glaubt, „Schwierigkeit [sei] immer relativ“. Er fasst die Besonderheit beim Verlegen zeitgenössischer deutscher Autoren in fünf Punkten zusammen: fehlende Lese- und Kaufgewohnheit für Bücher in Portugal, die Kosten einer guten Übersetzung, die Kosten für die Autorenrechte, die Suche nach einem guten Lektor und die Investitionen in das Marketing für „einen dem portugiesischen Publikum unbekannten Autor“.

„Da Verlage Unternehmen sind mit Gehältern, Verkaufszahlen, Gewinnmargen, gibt es einen Punkt, an dem nach einer vorsichtigen Schätzung der Verkaufsaussichten die Entscheidung, ein Buch zu veröffentlichen oder auch nicht, stets riskant ist. Dennoch gibt es Jahr für Jahr wieder Kolleginnen und Kollegen die es wagen und sich dafür entscheiden. Aber man kann auch die bewusste Entscheidung treffen, einen bestimmten Autor zu verlegen, wohl wissend, dass man damit Geld verlieren wird, denn das Prestige, ihn im Katalog zu haben, ist nicht zu quantifizieren“, sagt Pedro Bernardo.

Und es gibt Momente, die als nicht ideal erscheinen. Der Verleger von E-Primatur erinnert sich an die Investition in das Werk „Die Verstümmelten“ von Hermann Ungar, das erste Buch des Verlags nach seiner Gründung: „Die Verkaufszahlen waren alles andere als spektakulär, aber ich glaube, heute sähe es anders aus, denn der Verlag hat sich inzwischen eine gewisse Anerkennung erarbeitet.“ Die Investition in Ungar war so ein Fall, in dem der finanzielle Erlös nicht erwähnenswert war, die Veröffentlichung – eines historisch verschwiegenen jüdischen Autors wie Ungar – jedoch das Gewicht einer Positionsbestimmung hat.

Ist die Veröffentlichung von historisch verschwiegenen Autoren schon fast ein Akt der Gerechtigkeit, so kann das Verlegen von Schriftstellern, die schon in ihrer Heimat wegen ihrer politischen Positionen als schwierig betrachtet werden, noch problematischer sein. Umgekehrt macht die Freiheit der Unkenntnis eines politischen Kontexts die Veröffentlichung von als heikel geltenden oder gar verbotenen Werken für ausländische Verlage unter Umständen auch leichter. So etwa im Fall von Ernst Jünger, der mit seinen Erinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg „In Stahlgewittern“ bekannt wurde und dessen politische Positionierung zum Faschismus durchgehend fragwürdig blieb. In Portugal wurde er kürzlich von BCF Editores mit Der Waldgang (O Passo da Floresta) in der Übersetzung von Maria Filomena Molder wieder verlegt.

Im Zweifelsfall kann das Konzept „schwieriger Autor“ im eigenen Land dort, wo er in Übersetzung erscheint, ein völlig anderes sein. Sei es wegen spezifisch politischer Positionierung oder einer besonders gewagten Art zu schreiben, sei es wegen der Zugehörigkeit zu einem spezifischen Kontext, ist die Rezeption eines Werkes ohnehin niemals homogen. Und letztendlich entscheiden über Annahme oder Ablehnung ohnehin nur die Leserinnen und Leser.
 

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