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Rumänien

Interviews mit Frauen aus der Gamingindustrie
Interview mit Jehanne Rousseau: "Du bist schon hier!"

Jehanne Rousseau
Jehanne Rousseau

In einer hauptsächlich männlichen Branche, schaffte Jehanne das Vorurteil abzubauen, laut dessen Frauen nicht zur Gaming-Welt gehören, und übernimmt die Führung eines Videospiel-Unternehmens (derzeit 70 Mitarbeiter), das eine Gleichberechtigungspolitik verfolgt. Spiders ermutigt die Frauen, ihre Leidenschaften unabhängig von anderer Meinung zu folgen, mit einer Punktzahl von 86/100 auf dem Gleichberechtigungsindex im Jahr 2021 und einem geschlechtsspezifischen Lohnunterschied von 31/40.

 

Hallo! Kannst du uns ein paar Dinge über dich erzählen?

Hallo, ich bin Jehanne Rousseau, Spieleentwicklerin, Autorin und Weltschöpferin, sowie Mitbegründerin und CEO eines französischen Spieleentwicklungsstudios namens Spiders. Außerdem bin ich RPG-Enthusiastin, Mutter und seit einigen Monaten Ritterin (chevaleresse de l’Ordre national du Mérite)


Warum hast du dich entschieden, in die Gaming-Branche einzusteigen und wie war bis jetzt dein Weg?

Ich bin seit vielen Jahren in der Videospielbranche tätig. 1998 habe ich als 2D-Künstlerin angefangen. Ich hatte das Glück, seit meiner Kindheit Videogames zu spielen. Mit 7 bekam ich meine erste Konsole. Damals war ich wirklich ein Fan von Videospielen, aber ich hätte um ehrlich zu sein nie gedacht, dass es möglich ist in dieser Branche zu arbeiten. Das erste Mal darauf aufmerksam bin ich durch Freunde, während meiner Zeit als Kunststudentin. Wir haben über die Art von Job gesprochen, den ich gerne machen würde, während wir zusammen Pen-and-Paper-RPG spielten. Sie haben gemeint, dass die Spielbranche etwas für mich wäre. Ein paar Monate später erzählte mir einer meiner Freunde von einer sehr jungen Firma, die einen freiberuflichen Künstler suchte. Ich wurde angestellt und damit begann das Abenteuer!
Wie man sich vorstellen kann, lief allerdings nicht alles glatt. Da dieses erste Unternehmen sehr klein war, wurde ich nicht nur Künstlerin, sondern auch Spieledesignerin und dann Projektmanagerin. Im Unternehmen lief auch nicht alles rund. Einige Monate wurden wir überhaupt nicht bezahlt, weshalb zu Gameloft wechselte.
Da begann ich mit der Entwicklung meiner ersten Spiele für Mobilgeräte. Es war wirklich interessant, aber die Arbeit war sehr hart. Wir hatten zu viele Projekte gleichzeitig und ich war nicht mehr an der Kreation beteiligt, sondern leitete die Teams. Von diesen Erfahrungen war ich so enttäuscht, dass ich die Branche für fast zwei Jahre verließ. In dieser Zeit habe ich es als freiberufliche Illustratorin und Journalistin versucht. Ich bin dann jedoch zu Videospielen zurückgekehrt.
Im Monte Cristo Team wurde ich Projektmanagerin. Diesmal war es ein einzelnes Spiel auf dem PC, ein Rollenspiel namens Silverfall. Es war wirklich ein Traumprojekt und das Team war großartig. Die Arbeit lief so gut, dass wir gemeinsam entschlossen haben, ein Unternehmen zu gründen, um unsere gute Zusammenarbeit fortzusetzen. Das war 2008, der Anfang von Spiders. Auch hier war die Anfangszeit schwierig. Wir hatten weder Investoren noch Geld zur Verfügung. Daher sind wir auf unser Talent und harte Arbeit angewiesen gewesen. Wir mussten mehrere Aufträge für andere Studios erledigen, bevor wir einen Vertrag für unsere erste eigene Kreation unterzeichnen konnten. Ich musste die Position der Werbung, des Marketings, der Kommunikation übernehmen. All die Dinge, die die anderen nicht tun wollten. Aber daraus entstand eine wunderbare Fahrt mit einem unglaublichen Team.
 

Spider's Game Steelrising Jehanne Rousseau

Hattest du am Anfang eine Mentorin oder gab es Frauen in der Branche, die dich inspiriert haben?

Ich hatte keinen Mentor. Aber ich liebe die Arbeit einer großen Dame der Branche, Muriel Tramis. Sie ist eine Pionierin, eine wunderbare Schöpferin, die einige meiner Lieblingsspiele für Teenager entwickelt hat. Ich hatte nie die Gelegenheit, sie zu treffen bis zu dem Tag, an dem ich meine Ritterwürde erhielt (Muriel Tramis. Wurde vor ein paar Jahren selbst zum Ritterin gekrönt). Dieses Symbol der Weitergabe von Generation zu Generation war mir sehr wichtig. Es war emotional und ich fühle mich wirklich gesegnet, die Gelegenheit zu haben, eine so unglaubliche Schöpferin zu treffen.


Was ist der schwierigste Teil deines Jobs?

Ich denke, es hängt von dem Job ab, über den wir sprechen. Das Erstellen und Schreiben kann schwierig sein, aber am Ende ist es das, was ich auch am liebsten tue. Ich würde sagen, dass die Führung eines Unternehmens dieser Größe, wir sind jetzt 76 Menschen, auch viele administrative und langweilige Aufgaben mit sich bringt. Ich muss schnell zwischen diesen Aufgaben wechseln, vom Schreiben, zum Führen der Teams oder Interviews. Hätte ich die freie Wahl, würde ich gerne nur kreieren und selbst schreiben.


Welche Arten von Spielen magst du und was ist dein Lieblingsspiel?

Ich habe RPGs schon immer geliebt. Bioware, Black Isle und Obsidian sind einige meiner Favoriten (Baldur’s Gate 2, Kotor 1 & 2, Planescape Torment). Ich kann es kaum erwarten, bis das nächste Baldur’s Gate fertig ist! Dazu spiele ich auch viele Survival-/Building-Spiele wie zum Beispiel Banished.


Kannst du dich mit einer weiblichen Figur identifizieren? Wenn ja, mit welcher?

Ich könnte mich wahrscheinlich mit vielen Charakteren identifizieren, die ich geschaffen habe. Sie sind alle ein Teil von mir, sogar die männlichen. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich Amelia von Technomancer und Siora von Greedfall sagen.
 
Spider's Game Steelrising Jehanne Rousseau

Hast du dich jemals in dieser Branche diskriminiert gefühlt?

Ich bin viele Male Frauenfeindlichkeit begegnet, einige Leute waren sehr unhöflich oder versuchten, meine Arbeit oder meine Fähigkeiten zu minimieren. Manche versuchten sogar, mich zu missbrauchen. Besonders viel bin ich dem begegnet, als ich Spiders gründete und CEO wurde. Das hat allerdings nur dazu geführt, dass ich umso überzeugter von meiner Arbeit war und damit unbedingt weiterzumachen. Diese Art von Verhalten motivierte mich also nur noch mehr. Mit der Zeit und einigem Erfolg kam dann auch endlich Respekt. Die Branche hat sich mit den Jahren verändert und die Entwicklungsteams wurden ein wenig integrativer und vielfältiger. Nichtsdestotrotz ist hier noch viel zu tun. Es macht mir Sorgen, dass ein bedeutender Teil der Gamer-Community in den sozialen Netzwerken sehr gewalttätig werden kann. Sie sind überzeugt, dass sie es besser wissen als alle Anderen. Sie sind so neidisch auf das Talent von anderen, dass ich befürchte, dies könnte einige jüngere Personen davon abhalten, in die Branche einzusteigen.

Hast du eine Botschaft für Mädchen, die eine Gaming-Karriere starten wollen?

Du gehörst hierher. Frage dich niemals, ob du es verdienst, hier zu sein. Du bist schon hier!


Jehanne Rousseau arbeitet seit 24 Jahren in Videospielen. Sie begann als 2D-Künstlerin, wurde dann Projektmanagerin und entwickelte Spiele für Konsolen, PC, Gameboy und Mobilgeräte. 2008 gründete sie das Studio Spiders, wo sie heute CEO, Creative Director und Lead Writer ist. Ihre neueste Veröffentlichung ist das Fantasy-RPG Greedfall aus der Kolonialzeit und ihr nächstes Spiel Steelrising wird am 8. September veröffentlicht. Sie erhielt 2020 den Pegase-Preis für die Persönlichkeit des Jahres und erhielt 2021 die Medaille „l’ordre national du Mérite“.
 

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