Der Titel ist Programm: „Im toten Winkel befindet sich die unverarbeitete, grausame Geschichte. Weil sie nicht gesehen wird, gebiert sie Geister, die sich verselbständigen.“ Mit diesen Worten umreißt Kulturakademie Tarabya-Alumna Ayşe Polat den Glutkern ihres Films. Schauplatz ist der Nordosten der Türkei. Ein deutsches Kamerateam besucht eine kurdische Frau, deren Sohn vor 25 Jahren verschwunden ist. Doch die Situation eskaliert, wieder verschwindet ein Mensch, es gibt Tote. Aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, mit drei verschiedenen Aufnahmetechniken – Filmkamera, Handykamera, Überwachungskamera – entsteht ein Mystery-Thriller, der bewusst Lücken lässt, tote Winkel der Gewalt und Ungewissheit, die nicht gefüllt werden können. Über allem schwebt die Erscheinung eines kleinen Mädchens im rosa Kleid, zutraulich und doch undurchdringlich, mit einem Blick, der etwas zu sehen scheint, was allen anderen entgeht: ein Medium, das in kindlicher Unschuld, „eine uralte Seele in sich trägt“, so Ayşe Polat. Letztlich ist dieses Mädchen die einzige, die eine Chance hat.
1992 Fremdennacht (Kurzfilm)
1994 Ein Fest für Beyhan (Kurzfilm)
1999 Auslandstournee
2004 En Garde
2013 Die Erbin
2016 Die Anderen (The Others)
2023 Im toten Winkel
