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Berlinale-Blogger 2019
Wie redet man mit einem Heizkörper?

"Ich war zuhause, aber": Maren Eggert
"Ich war zuhause, aber": Maren Eggert | Foto (Ausschnitt): © Nachmittagsfilm

Kunsttheater mit Hund und Esel: Angela Schanelecs wunderbarer „Ich war zuhause, aber“ stellt alle Kinoregeln auf den Kopf.

Von Philipp Bühler

Ein Schauspieler benutzt seinen Körper, um zu lügen. Sagt Astrid. Ob das auch Angela Schanelecs Meinung ist, wird in Ich war zuhause, aber nicht recht deutlich. Doch das Ringen um Ausdrucksformen ist ohne Zweifel ein Hauptthema ihres neuen Films. Wie kann man überhaupt etwas sagen? Oder: „Wie redet man mit einem Heizkörper?“ Astrid, die in jeder Sekunde ihres seltsamen Redens auf Wahrheit dringt, hat viele solcher Fragen. Ihr ganzes Denken wehrt sich gerade gegen die eigene Auflösung. Manche würden sagen, sie sei nicht ganz dicht.

Strenge Form in Auflösung

Ich war zuhause, aber erzählt die Geschichte einer Frau, die nach dem Tod ihres Mannes auch ihr Selbstverständnis als Mutter verloren hat, mit der eigenen Rolle kämpft. Es ist Schanelecs erster Film im Berlinale-Wettbewerb, ihre vorherigen Filme liefen in der Sektion Forum. Zeichneten sich Orly oder zuletzt Der traumhafte Weg durch ihre strenge Form aus, strebt ihr neuer Film scheinbar nach Auflösung: Astrids entfremdetes Verhältnis zu ihrem Sohn spiegelt sich in einer Schüleraufführung von Hamlet. Nebenfiguren offenbaren verborgene Gefühle der Hauptpersonen. An die Stelle einer Handlung treten scheinbar zwecklose Übersprungshandlungen wie der Kauf eines Fahrrads, der Astrid zur Verzweiflung treibt. Einen merkwürdigen Prolog, in dem sich ein Hund und ein Esel in einer einsamen Berghütte Gutenacht sagen, sollte man noch erwähnen.

Über die Sagbarkeit von Schmerz

Was sagt man zu einem Film, in dem Schauspieler sprechen wie auf dem Theater und alle Regeln filmischer Kommunikation auf den Kopf gestellt sind? Paradoxerweise ist mir dadurch vieles klarer geworden über das seltsame, langsame und meist sehr anstrengende Kino der Angela Schanelec. Indem sie die Naturalismusbehauptung ganz aufgibt, klärt sie ein fulminantes Missverständnis. Ihre Filme beleuchten philosophische Fragen von Subjektivität und Wahrheit im Alltag, hinterfragen die Sagbarkeit von unaussprechlichem Schmerz in der Kunst. Gerade durch die theatralischen Mittel allerdings wirkt das alles auf einmal viel leichter, ehrlicher, persönlicher – und an manchen Stellen geradezu komisch. Wunderbar zu sehen, wie sich hier Kunst aus sich selbst befreit.
 

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