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Bäume retten

Yile Yara Vianello in „Semina il vento“ (Sow the Wind) von Danilo Caputo
Yile Yara Vianello in „Semina il vento“ (Sow the Wind) von Danilo Caputo | Foto (Detail): © JbaOkta

Der in Süditalien spielende Film „Sow the Wind“ von Danilo Caputo zeichnet das Porträt einer jungen Frau im Konflikt zwischen Familientraditionen und den Ausprägungen moderner Gesellschaften.

Von Andrea D’Addio

Es gibt sie tatsächlich: Junge Menschen, die sich dafür entscheiden, Landwirtschaft zu betreiben. Und zwar nicht auf die Art, wie man es früher machte, sondern mit neuen Ideen, neuen Technologien und vor allem mit Liebe und Respekt. In Italien trifft das auf immer mehr unter 35-Jährige zu, immerhin 60.000 waren es im Jahr 2018, der jährliche Zuwachs, von denjenigen, die neu in die Landwirtschaft einsteigen, liegt bei 6 Prozent. In keinem anderen europäischen Land werden Zahlen in dieser Höhe verzeichnet.

Nica, die Protagonistin des Films Sow the Wind (Semina il vento), könnte eine von ihnen sein. Sie ist knapp über 20 Jahre alt und studiert fernab ihres Heimatorts Agrarwissenschaft. Nach langer Abwesenheit beschließt sie, für unbestimmte Zeit zurück zu ihrer Familie zu ziehen. Was sie dort erwartet, ist traurig und erschütternd zugleich: Die vielen Hektar Olivenhain, die sich seit Generationen im Besitz der Familie befinden, sind Opfer eines Schädlings geworden, die Bäume tragen seit mindestens zwei Jahren keine Früchte mehr. Der Vater möchte sie fällen und die von den Behörden versprochene Entschädigung kassieren, Nica will stattdessen ein Gegenmittel finden. Und so beginnt sie, die Schädlinge genauer zu beobachten. Sie ist fest davon überzeugt, dass es für die jahrhundertealten Bäume noch nicht an der Zeit ist, zu sterben. Doch niemand unterstützt sie bei ihren Rettungsversuchen, weder die Familie noch das Dorf. Was ist der Grund dafür?
 

zurück in den Süden

Wir befinden uns in einem nicht näher genannten Ort in der Umgebung von Tarent. Die Provinzhauptstadt in Apulien wird zwar nie beim Namen genannt, doch in einigen Szenen sind im Hintergrund die Ilva-Werke zu sehen. Über das berühmte Stahlwerk wird seit Jahren heftig diskutiert. Soll man es schließen, um die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, oder soll man den Betrieb weiterführen und so Tausende Arbeitsplätze retten? Keine andere Stadt, kein anderes Gebiet in Italien spiegelt so deutlich den aktuellen Konflikt zwischen den Bedürfnissen der Menschen und denen der Natur wider. Der Schädling im Film Sow the Wind fungiert in diesem Zusammenhang als eine Art Katalysator, der zu einer Entscheidung zwingt. Ihn leben zu lassen bedeutet, sich von Orten und Traditionen zu verabschieden, die einer Zivilisation durch alle Höhen und Tiefen für Jahrtausende das Überleben gesichert haben. Ihn zu bekämpfen, verlangt hingegen andere Opfer.

Regisseur Danilo Caputo und Co-Autorin Milena Magnani wählen ein gefühlvolles Ende für ihren Film, das alle Möglichkeiten offen lässt. Wenn es wahr ist, dass der Wunsch nach Unterhaltung gewöhnlich der entscheidende Antrieb ist, einen Film zu sehen, dann begegnet Sow the Wind diesem Umstand mit einer Frage, die sich – zumindest aus der Distanz – nur schwer ehrlich beantworten lässt: Wie würden wir handeln, wenn die Geschichte uns betreffen würde?
 

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