Ausstellung How to Disappear

Lyoudmila Milanova © Lyoudmila Milanova, Steffi Lindner

Do, 08.09.2022 –
Fr, 07.10.2022

18:30 Uhr

Goethe-Institut Bulgarien, Galerie

Ausstellung von Lyoudmila Milanova

HOW TO DISAPPEAR
Ausstellung von Lyoudmila Milanova


8. September - 7. Oktober 2022

Eröffnung: 8. September, 18:30 Uhr,
Der Galerieraum des Goethe-Instituts Bulgarien



Die Ausstellung thematisiert einerseits die Wolke als Motiv aus der Natur und andererseits die Wolke als Metapher für die vernetzte Welt und komplexe technische Systeme.

Früher wurden Wolken als romantisches ephemeres Motiv gesehen, das zwischen Abstraktion und Repräsentation changiert. Sie schienen aus dem Nichts zu entstehen und wirkten flüchtig, chaotisch, vielgestaltig und rätselhaft. Heute, wie bei anderen Naturbildern unserer Zeit, schwingt im Bild der Wolke zusätzlich ein Unbehagen mit. Die Wolken sind nicht länger neutral oder schön, nicht mehr der Hintergrund für einen unbeschwerten Sommertag. Sie sind Botschafter von etwas anderem, das vor sich geht und dessen wir uns kaum bewußt sind, das wir jedoch auf einer tieferliegenden Ebene spüren.

Die Wolke als Metapher - die Cloud - steht für die digitale Technologie, für das Internet, für eine unermeßliche Computerstruktur und für ein globales Netzwerk des Speicherns. Cloud ist ein kommerzielles Schlagwort geworden und trotzdem wissen die meisten Menschen nicht, was sie ist, wo sie ist, wie sie funktioniert oder was sie eigentlich macht. Sie besitzt gewaltige unsichtbare Kräfte, die tagtäglich das Leben jedes Einzelnen beeinflussen. Von der Materiallogistik bis zu den Nachrichten, von Urlaubsfotos bis zu Geldgeschäften umhüllt uns diese Cloud und verwischt zugleich zunehmend jeden Hinweis auf sich selbst. Wir befinden uns in der Wolke und sehen keine Konturen mehr. Dinge verschwinden, Kontraste verblassen, das Reale löst sich auf. Die Vorstellung einer Cloud als räumliche Verortung des Internet gibt uns zwar ein Bild der Welt, auf das wir Zugriff haben, gleichzeitig bleibt sie aber abstrakt, diffus und nebulös. Wir bleiben eben in der Wolke, von wo aus keine Übersicht zu gewinnen ist.

Die Ausstellung “How to Disappear” zeigt Werke, die die Wolke als Sinnbild moderner Technologie benutzen. Eine Wasserdampfwolke bildet sich, sobald die Künstlerin an ihrem Smartphone aktiv wird. Das Erzeugen oder Verschicken von Fotos, Videos oder Mails, so wie jede andere digitale Alltagsaktivität an ihrem mobilen Gerät, die sich des unsichtbaren Körpers der Cloud bedient, löst das Ausstoßen einer Wolke im Ausstellungsraum aus. Die digitale Cloud oder die diffuse Vorstellung von einem Äther, in dem alle Daten abrufbereit herumschwirren, findet hier eine bildhafte und haptische Entsprechung. Die Wolke, die zur Cloud geworden ist, wird wieder zu einer Wolke, die sich aus Wassertröpfchen zusammensetzt.

Diese neue vom Menschen gemachte Wolke, aus Wassertröpfchen bestehend, wirkt sich mit der Zeit unmerklich auf das Raumklima aus, indem der Feuchtigkeitsgehalt der Luft durch jeden Wolkenausstoß minimal aber beständig erhöht wird. Menschliche Haare, installiert an der Wand, in Form eines sehr vereinfachten Do-it-yourself-Hygrographen (Luftfeuchtigkeitsmessgerät), reagieren auf das sich verändernde Klima: Sie verlängern oder verkürzen sich, je nachdem wie hoch die Feuchtigkeit oder Trockenheit im Raum ausfällt. Es ist die Anpassung organischen Materials an die eigene Umgebung, die dadurch zum Vorschein kommt.
In der Fotoserie „Seeing clouds from both sides“, bei der Wolken von unten und gleichzeitig von einer Satellitenkamera von oben fotografiert werden, steht die technische Zugänglichkeit von Naturphänomenen im Fokus. Die Technologie ermöglicht hier die Wolkenbeobachtung über das menschlich Sichtbare hinaus. Sobald der Satellit die Position der Künstlerin erreicht, erfasst er mit seiner Kamera einen Ausschnitt der Wolkendecke von oben, während sie von unten dieselbe Wolkenformation mit ihrer Fotokamera aufnimmt. In einem kurzen Moment blicken die zwei Kameralinsen in einander. Mensch und Technologie verbinden sich auf einer unsichtbaren Achse.


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Lyoudmila Milanova wurde 1979 in Varna/Bulgarien geboren. Sie lebt und arbeitet in Köln, Deutschland. Sie studierte zunächst Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität zu Köln und anschließend Bildende Kunst an der Kunsthochschule für Medien Köln. 

In ihrer künstlerischen Praxis befasst sich Lyoudmila Milanova mit Naturphänomenen, natürlicher Materie und deren Manipulation durch Technologie. Sie arbeitet oft mit ephemeren Materialien wie Nebel, Wolken, Licht oder den physikalischen Gesetzen der Dinge und stellt diese den von Menschenhand geschaffenen Formen und Konstruktionen gegenüber. Ihr Werk umfasst Videoinstallationen, kinetische Objekte, Fotografie sowie Bühnenbild und Choreografie für Tanzperformances.

Einige ihrer letzten Ausstellungen sind: “Welt in der Schwebe”, Kunstmuseum Bonn, 2022; “Inszenierung des Zeigens”, Kunsthaus NRW, Kornelimünster, 2021; “Wie Augen, wie Mund, wie Vögel, wie Sonne”, Stadtgalerie Varna 2021; “Moments of Brief Balance”, Little Bird Gallery, Sofia, 2021; “Wir müssen lernen, uns im Kreis zu drehen”, Artothek Köln, 2021; “And Inside There Is Nothing But A Heart”, Arko Art Center, Seoul, 2020; “Goldstücke”, Kunstmuseum Gelsenkirchen, 2019.

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