Künstliche Grenze? – was Blogger von Journalisten unterscheidet


Blogger auf der re:publica 2013 in Berlin

Klassischer Journalismus und Weblogs in Deutschland werden sich immer ähnlicher. Viele Blogger arbeiten journalistisch, und auch für Journalisten und Nachrichtenportale wird Bloggen immer selbstverständlicher. Trotzdem gibt es noch Unterschiede.

Thomas Wiegold ist ein Journalist mit klassischer Ausbildung. Sein Volontariat absolvierte er in den 1980er-Jahren bei der deutschen Nachrichtenagentur DPA. Für die Nachrichtenagentur Associated Press reiste er 1993 nach Somalia, um dort über den ersten Einsatz deutscher Blauhelm-Soldaten zu berichten. So entdeckte er das Thema, über das er noch heute am meisten schreibt. Thomas Wiegold ist Spezialist für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und zählt in Deutschland zu den Koryphäen in diesem Bereich. Bis 2010 arbeitete er als fest angestellter Korrespondent beim Nachrichtenmagazin Focus in Berlin. Heute ist er freiberuflicher Journalist – und Blogger.

Als sein alter Arbeitgeber 2010 massenhaft Stellen strich, nahm Thomas Wiegold die Abfindung mit und versuchte sein Glück im Internet. Ihm war klar, dass er weiter als Journalist arbeiten will. Aber wie bleibt man im Internet sichtbar? Sein Blog Augengeradeaus.de hatte er bereits angelegt, als er noch angestellt war, und er baute es in den folgenden Jahren immer weiter aus. Heute schreibt er über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan oder darüber, welche schwerwiegenden Fehler das Verteidigungsministerium bei der geplanten Anschaffung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk begangen hat. „Ich wollte etwas machen, wo ich selbst die publizistische Hoheit ausüben kann“, sagt er.

 

 
Dafür, dass er ein Nischenthema bedient, ist das Blog von Thomas Wiegold mittlerweile sehr bekannt. Trotzdem kann er vom Bloggen alleine nicht leben. Von seinen Lesern erhält er pro Monat gerade mal 650 Euro an freiwilligen Zuwendungen. Den Rest seines Einkommens erwirtschaftet er als freier Autor für Zeitungen oder Nachrichtenmagazine. Sein Blog hilft ihm dabei: „Ich wäre viel weniger bekannt, wenn das Blog nicht wäre.“

 

Abgrenzung zwischen Journalisten und Bloggern wird unwichtiger

Damit ist Thomas Wiegold nicht alleine. Viele Zeitungs- und Fernsehjournalisten, aber auch renommierte Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Süddeutsche Zeitung, unterhalten nebenbei eigene Blogs. „Mit einem Blog bin ich viel näher am Leser dran“, erklärt der Journalist Karsten Lohmeyer, der unter Lousypennies.de bloggt. Er hält die Unterscheidung zwischen Bloggen und klassischem Journalismus vor allem für eine künstliche Grenze, die von einigen Print-Journalisten aufrechterhalten wird. In der Realität wird diese Grenze immer unwichtiger.

Als die deutsche Version der Internetzeitung Huffington Post 2013 in Betrieb ging, wurde in Deutschland wieder viel darüber diskutiert, was diese Ansammlung von Blogtexten von meist unbezahlten Schreibern denn mit Journalismus zu tun habe. Karsten Lohmeyer kontert: „Gehen Sie mal in einen Bahnhofskiosk. Da sehen sie reihenweise Zeitschriften über Computerspiele und Angeln. Auch das ist Journalismus.“ Das Bild vom hart recherchierten investigativen Journalismus, so Lohmeyer, träfe höchstens auf fünf Prozent aller journalistischen Produkte zu.

 

 
Hinzu kommt, dass viele Blogger längst selbst journalistische Aufgaben übernehmen. Das Blog Netzpolitik.org ist ein gutes Beispiel. Hier berichten Markus Beckedahl und sein Team regelmäßig über Datenschutz und andere politische Internetthemen. Die Kompetenz von Markus Beckedahl wird geschätzt. Mehrfach hat er den Bundestag in einer Kommission beraten, welche Herausforderungen auf Deutschland durch den digitalen Wandel zukommen.

 

Deutsche Blogger professionalisieren sich

Auch das Watchblog Abgeordnetenwatch.de ist sehr beliebt. Hier können Bürger ihren Parlamentariern kritische Fragen stellen. Hinzu kommen zahlreiche Watchblogs, die ihrerseits kritisch die Veränderungen in der deutschen Medienlandschaft beobachten. Und auch die Zahl der Lokalblogs nimmt zu. Das populärste deutsche Blog ist im Moment das politische Satire-Magazin Der Postillion. Zwar finden Blogs in Deutschland bei weitem noch nicht so viele Leser wie die bekannten Nachrichtenportale. Aber ihre Zahl steigt. Nach einer Studie über Online-Nutzung lesen immerhin 16 Prozent der Deutschen gelegentlich, was Blogger so ins Netz schreiben.

 

 
Ein paar Unterschiede gibt es dennoch, meint die Journalistin und Bloggerin (Medialdigital.de) Ulrike Langer. Aber die liegen vor allem da, wo andere Institutionen wie staatliche Behörden ins Spiel kommen: „Blogger bekommen zum Beispiel kein Journalisten-Visum.“ Und auch die soziale Absicherung durch Kranken- und Rentenversicherung sei für Blogger nicht so einfach wie für Journalisten. Dabei professionalisieren sich Blogger in Deutschland immer stärker. Immer häufiger entstehen Multi-Autoren-Blogs. Erfolgreiche Blogger überlegen, eigenes Personal für die Anzeigenakquise einzustellen. „Die Schnittmenge zwischen Blogs und Journalismus wird immer größer“, so Langer.

 

Das sieht auch Thomas Wiegold so. Obwohl er sich von einigen Bloggern mehr journalistische Sauberkeit wünschen würde. „Ich veröffentliche etwas nur, wenn ich mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen habe“, sagt Wiegold. Er hat seinen Entschluss, ins Netz zu gehen, nie bereut. „Das einzige, was ich wirklich vermisse, ist der regelmäßige Gehaltsscheck.“