Visual Effects in Deutschland
Vom Grill auf die Leinwand

„Wrapped“ von Roman Kälin, Falko Paeper und Florian Wittmann
„Wrapped“ von Roman Kälin, Falko Paeper und Florian Wittmann | Foto (Ausschnitt): © Filmakademie Baden-Württemberg

Drachen, lebendige Bäume oder Aliens – um solche Wesen auf die Leinwand zu bringen, braucht man Visual-Effects-Designer. Aber was machen die eigentlich genau und welche Fähigkeiten braucht man für diesen Beruf?

Wenn ein Lichtstrahl auf Vampirhaut trifft, wird es eklig. Die Haut schmort vor sich hin und wird langsam rissig. Dann frisst sich der Lichtstrahl von Pore zu Pore. Millimeter für Millimeter platzt die Haut auf und schon zoomt die Kamera auf eine perfekt ausgeleuchtete Wunde. Bis diese Szene im Kino zu sehen ist, haben Visual-Effects-Designer, auch Visual-Effects-Artists genannt, eine Menge zu tun. Visual Effects sind die Effekte in Filmen oder Werbespots, die am Computer erzeugt werden.

Jedes digitale Bild braucht eine reale Referenz

Digital erzeugte Bilder, auch von Vampirhaut, benötigen immer eine reale Referenz. Daher haben die Effektspezialisten von Pixomondo in Hamburg für Filmemacher Jim Jarmusch und seinen Vampirfilm Only Lovers Left Alive vorab den Bürogrill im Innenhof aufgestellt und sich angeschaut, wie die Oberfläche von Fettnetzen auf Hitze reagiert. „Die Szene hat es zwar am Ende nicht in den Film geschafft, aber sie ist ein schönes Beispiel dafür, wie Realität und digitales Bild zusammenhängen können“, sagt Malte Sarnes, der sowohl am Grillexperiment, als auch an der digitalen Umsetzung beteiligt war.

Als VFX-Supervisor ist Sarnes, Jahrgang 1980, kreativer Projektmanager und künstlerischer Leiter bei Pixomondo: Er kümmert sich darum, dass die produzierten Bilder am Ende gut aussehen. VFX steht dabei für Visual Effects. Dazu gibt es ganz unterschiedliche Verfahren: Beim Compositing werden real gedrehte Bilder am PC bearbeitet. Pixomondo hat auf diese Weise zum Beispiel Filmaufnahmen der kroatischen Stadt Dubrovnik in Szenen aus der Hauptstadt King’s Landing der Fantasy-Serie Game of Thrones verwandelt.

Digitale Raumschiffe und andere Computerwelten

Wenn Bilder komplett am Bildschirm entstehen, heißt das Verfahren Full CGI (Computer Generated Images – computergenerierte Bilder). So entstanden die Häuser für das Paris der 1920er-Jahre in Martin Scorseses Hugo Cabret komplett an Pixomondo-Bildschirmen in Hamburg. In der Regel arbeiten beide Bereiche Hand in Hand: Das 3-D-Team erstellt zum Beispiel ein digitales Raumschiff, das dann von dem Compositing-Team in die gedrehte Szene montiert wird.

An seinem Bildschirm öffnet Sarnes das Programm Maya, mit dem sich 3-D-Visualisierungen und Animationen erstellen lassen. Mit wenigen Klicks wächst auf dem Grundraster ein Zylinder. Auf dem Bildschirm lässt sich die Form verändern, ähnlich wie bei Knetfiguren, nur viel schneller. Dabei gibt es unterschiedliche Konstruktionswege: „Entweder man formt tatsächlich etwas aus einer Grundform wie dem Zylinder oder man bekommt zum Beispiel Vorgaben und Konstruktionsdaten vom Auftraggeber“, sagt Sarnes.

Digitale Skelette und Bewegungsdaten

Um englische Fachbegriffe kommt eine Visual-Effects-Designerin oder ein Visual-Effects-Designer nicht herum: Das Texturing bestimmt die Beschaffenheit der Oberfläche einer digitalen Figur und beim Shading werden die Materialeigenschaften festgelegt. Beim Rigging erhalten die Figuren ihr digitales Skelett, die Animation legt die Bewegungsabläufe fest. Motion Capture wiederum bezeichnet ein Verfahren, um Bewegungsdaten von Menschen oder Tieren auf eine Figur zu übertragen.

Die Arbeit am Computer nimmt einen wesentlichen Teil der Arbeit ein, aber nicht alle im Team müssen programmieren können. „Ich war immer unheimlich schlecht in Mathe“, sagt Sarnes und grinst. Nach einem Fachabitur im gestalterischen Bereich studierte er an der Kunstschule Hamburg-Wandsbek Grafikdesign mit Schwerpunkt Produktdesign. Nebenbei arbeitete er an 3-D-Visualisierungen von Produkten, aber dann zog es ihn zur Werbung und zum Film, um mehr gestalterische Freiheit zu haben.

Bis man einen Oscar in den Händen hält, wie ihn Pixomondo 2012 für die visuellen Effekte in Hugo Cabret bekommen hat, braucht es viele fleißige Hände und noch mehr Speicherplatz. Allein für die Eröffnungssequenz mit einem digitalen Nachbau des alten Paris war die Datenmenge so groß, dass sie sich nicht an einem einzelnen Rechner öffnen ließ.

Vorstellungskraft und gestalterisches Gespür

Fantasie und Vorstellungskraft sollte man für den Beruf unbedingt mitbringen. „Das sind Grundvoraussetzungen, die man nur schwer lernen kann“, sagt Söhnke Christiansen, der die Deutschland-Vertretung der britischen Postproduktionsfirma The Mill leitet. Wichtig sind auch Kreativität und gestalterisches Gespür. Aber es gibt natürlich ganz unterschiedliche Tätigkeitsbereiche. „Wer gerne zeichnet und mit Farben arbeitet, der wird in der 3-D-Programmierung vermutlich nicht glücklich“, sagt Christiansen. Am besten sollte man selbst ein bisschen ausprobieren – zum Beispiel mit der freien Software Blender – oder ein Praktikum machen, um zu sehen, was einem liegt.

Die Berufsaussichten sind gut – die Nachfrage an VFX made in Germany nimmt zu. Trotzdem hängen viele Arbeitsplätze am Erfolg von Hollywood: Floppen Filme, sparen die großen Filmfirmen und kürzen die Aufträge. Pixomondo hat das im Jahr 2012 auch zu spüren bekommen und mehrere Filialen schließen müssen. Aber die meisten VFX-Firmen stellen sich inzwischen darauf ein und setzen auf eine gesunde Mischung aus prestigeträchtigen Filmproduktionen und verlässlicheren Auftraggebern aus der Werbewirtschaft oder anderen Geschäftsfeldern.

Eine gängige Ausbildungsmöglichkeit ist ein Studium, zum Beispiel am Institut für Animation, Visual Effects und digitale Postproduktion an der Filmakademie Baden-Württemberg, an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam oder der Mediadesign-Hochschule Berlin. „Aber es haben auch schon viele talentierte Quereinsteiger ihren Weg gemacht“, sagt Christiansen. Man sollte vor allem auch teamfähig und belastbar sein. „Als Einzelkämpfer kommt man nicht weit“, sagt auch Malte Sarnes. Richtig gut sehen die Bilder am Ende eben nur aus, wenn alle im Team an einem Strang ziehen.