Social Design
Wunderschön anders

Kehrbesenset/side by side; Holzvasen/Fairwerk; Weinregal/Fairwerk
Kehrbesenset/side by side; Holzvasen/Fairwerk; Weinregal/Fairwerk | © side by side/© Fairwerk

Social Design kann viel mehr als nur schön sein: Mit den richtigen Konzepten schaffen es Werkstätten heute, hochwertige Produkte von körperlich, geistig oder sozial benachteiligten Menschen fertigen zu lassen. Drei Beispiele für gelungene Inklusion.

Es ist einer jener Designentwürfe, die auf Anhieb überzeugen: Zwei Edelstahlfedern umschließen 900 Holzstäbchen zu einem runden „Messerblock“, unterlegt von einer Kunststoffplatte. Spielerisch und durchdacht, eine Art Kolumbus-Ei also. Ebenso der Brotkasten, dessen Deckel zugleich als Schneidbrett fungiert, inzwischen ein Klassiker im Portfolio des Labels Side by Side. Was die Entwürfe verbindet? Sie sind so simpel wie intelligent gelöst, optisch gelungen und nachhaltig erzeugt – dieser Dreiersprung zeichnet jedes der Produkte des Labels aus. Dass sie von Werkstätten für Menschen mit körperlicher Behinderung stammen, sorgt darüber hinaus für Erstaunen. 

Teeregal
Teeregal | © side by side
Die Idee zu diesem integrativen Designprojekt entwickelte die 1965 geborene Industriedesignerin Sabine Meyer. Im Jahr 2001 gründete sie Side by Side als Kleinmanufaktur und bezog Mitarbeiter aus den Caritas-Wendelstein-Werkstätten im Raum Rosenheim ein. Welches ihr persönliches Anliegen dabei ist? „Ich möchte zeigen, was an Potenzial da ist, ohne Betonung auf Gewinnmaximierung“.

Erstklassige Entwürfe

Schon 2002 präsentierte das Label erste Entwürfe auf großen Interieurmessen wie Ambiente in Frankfurt oder imm in Köln. Statt auf Mitleid setzt Side by Side auf erstklassige Entwürfe von inzwischen rund 30 Designern. Ihre Aufgabe ist es, Modelle zu entwickeln, deren Herstellung in viele einzelne Arbeitsschritte geteilt werden kann, teils auf eigens umgerüsteten Maschinen. Die Strategie ging auf: Die Produkte waren konkurrenzfähig auf dem Markt, ohne den karitativen Aspekt zu sehr zu betonen. 

„Neben dem Lohn ist es für die Mitarbeiter wichtig, eine Tagesstruktur, Anerkennung und einen Arbeitsstatus zu haben“, erklärt Sabine Meyer. Viele der rund 70 Produkte sind aus heimischen Hölzern wie Esche, Eiche und Ahorn gefertigt.

Bank
Bank | © side by side
Die Oberflächen bleiben naturbelassen oder werden mit umweltverträglichen Ölen, Wachsen oder Lacken behandelt. Auch der Bestseller – Wäscheständer Mama, ein Entwurf der ersten Stunde – ist aus Holz. 1.000 Stück davon werden pro Jahr verkauft, sogar bis nach Japan. Auch das atmosphärische WeinLicht ist seit sechs Jahren ein Zugpferd der Kollektion, die schon einige Designpreise wie den German Design Award oder den Red Dot Award gewonnen hat.

Weltweiter Onlineverkauf

Kooperationen von Designern und Behindertenwerkstätten sind in Deutschland nichts Neues: Bereits in den 1950er-Jahren verfolgten Gestalter diesen Gedanken. Umgesetzt wurde er jedoch erst in den vergangenen Jahren. Hilfsorganisationen wie Caritas oder Pfennigparade unterhalten bundesweit Werkstätten zur Produktfertigung. Onlinekaufportale wie Entia bieten inzwischen rund 1.300 hochwertige und nachhaltige Produkte aus über 100 Werkstätten an.

Garderobe
Garderobe | © Fairwerk
Seit 1996 produzieren die Inntal-Werkstätten der Stiftung Attl, Wasserburg am Inn, unter dem Namen Fairwerk Designprodukte mit hohem Qualitätsstandard. Das Angebot besteht aus einer Holzkollektion mit formschönen Objekten wie Stapelboxen und Weinregalen, gefertigt aus heimischen, unbehandelten Hölzern. Im Kontrast dazu überwiegen in der Designkollektion Werkstoffe wie Edelstahl und Aluminium, die teilweise unter Einsatz hochmoderner computergesteuerter Fräs- und Drehmaschinen verarbeitet werden, was eine rationelle Serienfertigung ermöglicht.

So entstehen Gartenlichter, Windlichter oder Büroartikel, deren Gestaltung freie Designer übernehmen, die laut Stiftungsphilosophie namentlich nicht in Erscheinung treten. Verkauft werden die Produkte weltweit über ein Netz von Händlern.

Ziele erreichen

Anders als bei Side by Side oder Fairwerk entwerfen Menschen mit Behinderung oder aus sogenannten Randgruppen bei Be able ihre Produkte unter Anleitung selbst. „Design Empowerment“ nennt sich dieser Ansatz der Berliner Werkstatt. Damit legt Be able den Schwerpunkt auf die kreative Arbeit und ihren therapeutischen Ansatz. 2010 gegründet von Produktdesignerin Isabelle Dechamps, hat das Projekt drei Ziele: die Inklusion von Randgruppen, die Steigerung von Kreativität und Selbstwertgefühl und dadurch die Verbesserung sozialer Kompetenz. „Es geht uns um die Selbstwirksamkeit der Menschen. Der Designprozess und dessen Produkte sind Vehikel, um diese zu entwickeln“, sagt Isabelle Dechamps. Dabei entstehen Vasen, Schalen, Hefte oder Kerzen. Es gibt sie vor allem online zu kaufen. Als Non-Profit-Organisation positioniert sich Be able an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Design und vermittelt vor allem Fertigkeiten, ist also nicht in erster Linie am Verkauf orientiert.

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