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Deutsche Spuren im Libanon
Gestrandet in der Hamra: RAF-Terroristen im Hotel „Strand“

Das Hotel „The Strand“ im Stadtteil Hamra
© Goethe-Institut Libanon

„Hier Rechtsanwalt Mahler. Ich stehe auf dem Rechtsstandpunkt, daß West-Berlin nicht zur Bundesrepublik gehört, eine selbständige politische Einheit, der einfache West-Berliner Ausweis also gültig ist.“

Was haben diese bizarren Äußerungen des ehemaligen RAF-Terroristen Horst Mahler mit einem dunklen, in die Jahre gekommenen siebengeschossigen Bau in der Hamra zu tun, an dessen Fassade in arabischer wie lateinischer Schrift der Name „Strand“ zu lesen ist?

Nichts deutet mehr darauf hin, dass sich in diesem Gebäude einst ein einfaches Apartment-Hotel befand. Und noch weniger deutet darauf hin, welche komödienhaften Ereignisse sich in der Nacht des 8. Juni 1970 unter anderem an diesem Ort abgespielt haben sollen.

Von den Geschehnissen existieren mindestens drei Versionen, von denen zwei nur in Nuancen voneinander abweichen. Die beiden prominenteren Schilderungen sollen hier wiedergegeben werden:

In der Rückschau berichteten der damalige RAF-Sympathisant Peter Homann sowie später der Journalist Stefan Aust von jenem Tag, als eine vom Ost-Berliner Flughafen Schönefeld kommende deutsch-französische Reisegruppe unfreiwillig in Beirut und im damaligen Strand-Hotel an der Hamra im wahrsten Sinne des Wortes „strandete“.

Eigentlich hätte die mehrheitlich deutsche Gruppe, die aus Hans-Jürgen Bäcker, Manfred Grashof, Horst Mahler, Petra Schelm, der französischen Journalistin Michèle Ray und dem Fatah-Verbindungsmann Said Dudin bestand, den Transitbereich des Beiruter Flughafens gar nicht verlassen. Denn die Gruppe war nicht der jahrtausendealten Geschichte des Libanon wegen in die Levante gereist. Ihr Ziel war vielmehr ein von Palästinensern betriebenes Ausbildungslager in Jordanien, wo sie eine etwa zweimonatige militärische Grundausbildung erhalten sollten.

Doch weil der Anschlussflug nach Amman wegen Gefechten in der jordanischen Hauptstadt ausfiel, musste die von Horst Mahler angeführte Kohorte aus dem Transitbereich heraustreten und eine Grenzkontrolle passieren. Damit war dem sich nun anschließenden Katz- und Maus-Spiel der Boden bereitet.

Wenig professionell, hatten nämlich drei der Reisenden ihre Reisepässe nicht mitgenommen. Weil der zuständige Beamte an der Passkontrolle nun kein Visum in die stattdessen vorgezeigten Personalausweise stempeln konnte, holte er seinen Vorgesetzten, der die Pässe und Personalausweise konfiszierte, diese in einen Schreibtisch einschloss und die Gruppe in einem separaten Raum festsetzte. Danach verabschiedete er sich in den Feierabend.

Von der Entwicklung überrascht, kam Horst Mahler nun auf die verwegene Idee, die französische Botschaft anzutelefonieren. Offenbar dachte er, die Franzosen verträten auch die Interessen der Deutschen Demokratischen Republik in Libanon. Dem war aber nicht so. Vielmehr hatte die Bundesrepublik im Jahre 1965 die Beziehungen zu Beirut abgebrochen, jedoch Verbindungsbeamte in der französischen Botschaft postiert.  

Peter Homann schilderte später gegenüber dem SPIEGEL, Mahler habe die eingangs genannten Worte am Telefon geäußert. Der diensthabende Beamte informierte, sobald er den Namen Horst Mahler gehört hatte, sofort seine Kollegen, welche die Flugliste überprüfen ließen und so Gewissheit bekamen, wer da eingereist war. Sofort baten sie die libanesischen Sicherheitskräfte um Festnahme der Reisegruppe.

Dies ließ sich jedoch nicht bewerkstelligen, weil ein Trupp von Palästinensern die Reisegruppe befreite und für die Nacht im Hotel Strand einquartierte. Gleichzeitig versuchten die Palästinenser, an die Pässe heranzukommen, suchten den vermeintlichen Verantwortlichen zu Hause auf, verprügelten ihn und verlangten die Herausgabe des Schlüssels. Doch sie hatten den Falschen aufgesucht – der Mann war nur der Stellvertreter des Diensthabenden. Nun wurde der Schreibtisch aus dem Flughafengebäude getragen und auf einen Lastwagen verladen.

Erholen konnte sich die Reisegruppe im Hotel Strand nicht, denn mitten in der Nacht erschien eine libanesische Miliz, welche die Reisenden wieder in Gewahrsam nahm und von der Hamra zum Flughafen zurückbrachte. 

Erneut wurde die Gruppe von der palästinensischen Seite befreit, diesmal aber sofort mit dem Auto über den Gebirgspass in die Beqaa-Ebene und weiter nach Damaskus gefahren.

Von dort ging es dann einige Zeit später ins Ausbildungslager nach Jordanien, wo die Reisegruppe bald Zuwachs von einer weiteren Gruppe um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof erhielt. Auch deren Reise war nicht ohne Komplikationen verlaufen. 

Für Horst Mahler hatte der Fauxpas vom Beiruter Flughafen, der auch in der bundesdeutschen Presse Niederschlag fand, unangenehme Folgen: Andreas Baader griff ihn bald nach dem Wiedersehen vor versammelter Gruppe scharf an. Mahlers Autorität litt darunter erheblich. 

 

Literatur:

  • Aust, Stefan: Der Baader Meinhof Komplex, Hamburg 1985; hier: S. 103-106
  • Homann, Peter: Little Berija – so nannten wir Horst Mahler. Ex-Genosse Peter Homann über das Training von BM-Mitgliedern in einem arabischen Guerilla-Camp, in: Der SPIEGEL, Nr. 44/1972, 23.10.1972, S. 93-96
  • Eine bezüglich der Details und Hintergründe erheblich abweichende Darstellung fand sich bereits eine Woche nach den Ereignissen ebenfalls in einer Ausgabe des SPIEGEL: Affären. Baader / Meinhof. Bis irgendwohin, in: Der SPIEGEL, Nr. 25/1970, 15.06.1970, S. 71-75

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