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Deutsche Spuren im Libanon
Kaps – ein Dresdner Flügel im Choufgebirge

Tastatur und Firmenname auf der Vorderseite des Kaps-Flügels
Tastatur und Firmenname auf der Vorderseite des Kaps-Flügels | © Goethe-Institut Libanon

Der Libanon ist entgegen seiner Größe reich an Sehenswürdigkeiten. Zu den Hauptattraktionen des Zedernstaates gehört neben den Säulen von Baalbek und dem Hafen von Byblos auch der prächtige Beiteddine-Palast, von dem aus das unter osmanischer Herrschaft stehende Libanongebirge regiert wurde.

Heute dauert die Fahrt von Beirut nach Beiteddine mit dem Auto nur rund eine Stunde, doch im frühen 19. Jahrhundert, als der Palast gebaut wurde, benötigte man zwei Tage für den steilen und beschwerlichen Weg von der Küste ins Choufgebirge. Für den dreißig Jahre währenden Bau des riesigen Palastes ließ Emir Bashir Shihab II. armenische Handwerker aus Aleppo kommen, die besten der damaligen Zeit. In seiner Architektur vereinigen sich osmanische, libanesische und westliche Elemente. Der Beiteddine-Palast ist bis heute in Größe und Pracht einzigartig im gesamten Libanon.

Über einen großen mit Springbrunnen versehenen Vorhof hat der Besucher Zugang zu einer Vielzahl von Besprechungs- und Empfangszimmern, einem weitläufigen Hammam und einem Harem. Dort, in den Räumen des oberen Harems, den Privatgemächern der damaligen Herrscher, steht ein Flügel, der seine spannende Geschichte erst auf den zweiten Blick preisgibt. Unscheinbar von außen und nur mit einem kleinen goldenen, kaum lesbaren Emblem versehen, offenbart er sein Geheimnis erst, wenn man ihn öffnet: Es handelt sich um einen Flügel von Ernst Kaps, einem in Dresden ansässigen Hersteller von Pianos und Flügeln. Goldene Plaketten im Inneren des Klaviers verraten, dass Kaps königlicher Hoflieferant von Belgien und Sachsen war. Berühmt waren die Klaviere für einen von Kaps erfundenen Resonator, der die Klangschönheit und Fülle des Tons wesentlich erhöhte. In jedem Jahr wurden nur einige Hundert hergestellt und über Salons in Deutschland, Europa und den USA verkauft.

Das Firmenwappen im Innenbereich des Kaps-Flügels Das Firmenwappen im Innenbereich des Kaps-Flügels | © Goethe-Institut Libanon Der Flügel in Beiteddine hat schon bessere Tage gesehen, doch seine in feinen goldenen Lettern ins Holz eingravierte Produktionsnummer ist noch immer gut zu lesen. Es handelt sich um das vierundzwanzigtausendste Exemplar. Alte Produktionslisten des mittlerweile eingestellten Betriebs von Ernst Kaps geben Aufschluss darüber, in welchem Jahr welche Seriennummer produziert wurde. Der im Beiteddine-Palast stehende Flügel wurde zwischen 1901 und 1902 in Dresden gefertigt. Doch damit ist seine Geschichte noch nicht zuende erzählt. Bei genauerer Betrachtung des kaum lesbaren Emblems auf dem Korpus des Flügels lässt sich erkennen, dass es sich um einen ganz besonderen Flügel handelt. Das Emblem zeigt in kunstvoller arabischer Kalligraphie die Tughra, das „Siegelzeichen“ der Hohen Pforte von Istanbul, genauer: des osmanischen Sultans Abdülhamid. Bei dem Flügel handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein Geschenk des Sultans, das er in den letzten Jahren vor seiner Absetzung durch die Jungtürken im Jahr 1909 machte.

Seitenansicht des Flügels Seitenansicht des Flügels | © Goethe-Institut Libanon Doch warum und wem schenkte Abdülhamid diesen Flügel? Gesicherte Informationen zu den Hintergründen gibt es nicht, es lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die weite geografische Ausdehnung des Osmanischen Reichs sorgte Zeit seines Bestehens für Probleme, da sich unter den Osmanen regierende Abgesandte gegen die Herrschaft aus Istanbul stellten und abtrünnig wurden. Der steigende Einfluss der Kolonialmächte Frankreich und England verstärkte diese Abspaltungstendenzen. Der Sultan in Istanbul musste versuchen, sich die Loyalität seiner lokalen Gouverneure Vertreter zu sichern – unter Anderem auch durch wertvolle Geschenke, beispielsweise einen kostbaren europäischen Flügel.

Ferner war Sultan Abdülhamid II. dafür bekannt, selbst leidenschaftlich Klavier zu spielen. Schon in seiner Jugend war er viel durch Europa gereist und Zeit seines Lebens von europäischen Künsten begeistert, wofür er von konservativen Kreisen im Osmanischen Reich kritisiert wurde. Außerdem hatte er eine besondere Nähe zu Deutschland, denn er war mit Wilhelm II., dem letzten Kaiser Deutschlands, persönlich befreundet und die beiden Nationen waren Verbündete. Experten aus Deutschland modernisierten die türkische Armee und auch in anderen Gebieten setzte man auf deutsche Erfahrungen. Der Fund in Beiteddine zeigt, wie weitreichend dieser Austausch war – er reichte bis hin zu Musikinstrumenten.  

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