„ErfahrungsschätZZZe“
Zwischennutzung in Bremen

Die ZwischenZeitZentrale Bremen unterscheidet sich von anderen Zwischennutzungsagenturen durch ihre gesamtstädtische Ausrichtung, die übergreifende Zusammenarbeit mit drei Ressorts und eine doppelte Arbeitsweise – als Vermittlerin und Initiatorin eigener Projekte. Das sind drei Besonderheiten – und drei von zwanzig Erfahrungsschätzen der ZZZ.


 

Zwischennutzungen profitieren von einer engen Zusammenarbeit mit der Verwaltung.

Die ZZZ ist ein Gemeinschaftsprojekt von drei verschiedenen Ressorts. Durch die regelmäßigen Lenkungsgruppentreffen mit Vertretern der Behörden hat die ZZZ eine direkte Verbindung in die Verwaltung. Diese Vernetzung ist für den Erfolg der ZZZ sehr wichtig. Die interdisziplinäre Lenkungsgruppe hilft, dass die Beteiligten trotz unterschiedlicher Positionen an einem Strang ziehen. Als Sprachrohr für die Nutzer bringt die ZZZ deren Wünsche und Ideen ein. Gleichzeitig wird sie über mögliche Hürden (z. B. Sicherungspflichten, Brandschutz etc.) seitens der Ressortvertreter informiert. Durch die Vermittlungsarbeit zwischen den beiden Gruppen – Verwaltung und Nutzer – können Probleme gelöst werden, bevor sie überhaupt entstehen. Für die ZZZ bedeutet die Lenkungsgruppe auch einen direkten Draht zu den städtischen Immobilien- und Flächeneigentümern und somit zu städtischen Leerständen und Brachflächen. Mit der Nähe zum Bau- und Wirtschaftsressort besteht ein enger Kontakt zur Handlungsebene der Stadtentwicklungspolitik, so dass in vielen Fällen notwendige Genehmigungen vergleichsweise schnell und unkompliziert eingeholt werden können. Und nicht zuletzt fördert die Lenkungsgruppe auch die mittel- und langfristige Implementierung von Zwischennutzungen in das Verwaltungshandeln als Methode der Stadt- und Immobilienentwicklung.

Eine gesamtstädtische Ausrichtung vergrößert die Spannweite und Bandbreite von Zwischennutzungen.

Der Aktionsraum der ZZZ umfasst das gesamte Bremer Stadtgebiet. Damit fokussiert die ZZZ nicht nur Gebiete mit definiertem Handlungsbedarf wie Stadtumbaugebiete, sondern auch nachgefragte Quartiere wie z. B. die Bahnhofsvorstadt, die durch strukturelle Veränderungen und überhöhte Mieterwartungen von Eigentümern geprägt ist. Durch diese gesamtstädtische Strategie werden Zwischennutzungen nicht mehr automatisch mit problembehafteten Gebieten in Zusammenhang gebracht. So erfährt das Thema eine höhere Akzeptanz und Bekanntheit in der Öffentlichkeit.

Selbst initiierte Zwischennutzungsprojekte geben neue Impulse und vernetzen unterschiedliche Akteure.

Von Zwischennutzungsagenturen initiierte Projekte erweiterten die Vielfalt von Zwischennutzungen. Mit diesen Projekten konnte die ZZZ eigene Impulse setzen und Anknüpfungspunkte für weitere Nutzungen schaffen. Selbst initiierte Projekte liegen oft in weniger nachgefragten Quartieren, haben häufig eine informative oder soziale Ausrichtung und vernetzen eine große Anzahl an Akteuren. Als „Vorbildprojekte“ mit sehr partizipativem und öffentlichkeitswirksamem Charakter haben sie einen positiven Effekt auf den Zusammenhalt im Quartier und motivieren Nutzer und Eigentümer zu eigenen Aktivitäten.

Die Zusammenarbeit mit lokalen Netzwerken vergrößert den Akteurskreis und die Wirkung.

Je stärker eine Zwischennutzung im Quartier eingebunden ist, desto wirksamer ist sie. Um nah am Bedarf zu sein und schnell agieren zu können, ist die Zusammenarbeit der ZZZ mit bestehenden Initiativen sehr hilfreich. Vor allem in benachteiligten Stadtteilen stellte sich die Kooperation mit vorhandenen, in der Quartiersarbeit erfahrenen Institutionen (Quartiersmanagement, Kulturzentren, Vereine etc.) als sehr positiv heraus. So konnte die ZZZ sofort Akteure und Multiplikatoren gewinnen und Aufgaben verteilen.

Private Eigentümer brauchen eine besondere Ansprache und Best-Practice-Beispiele.

Der Erfolg von Zwischennutzungen steht und fällt mit der Bereitschaft privater Eigentümer, da diese über die meisten Raumpotentiale verfügen. Trotz direkter Vorteile wie geringere Fixkosten, die bauliche Aufwertung, die Aufmerksamkeit und der Schutz vor Verfall und Vandalismus, bleiben Zwischennutzern die Türen privater Immobilien noch viel zu oft verschlossen. Viele Eigentümer haben die Erwartung, dass ihre Leerstände in naher Zukunft wieder zu marktüblichen Konditionen vermietet werden könnten, auch wenn sie schon jahrelang leerstehen. Häufig haben sie ebenfalls falsche Vorstellungen von Zwischennutzern. Positive Beispiele in öffentlichen Gebäuden, eine persönliche Ansprache und der Kontakt zu Eigentümervereinen helfen, Vorbehalte abzubauen. Mit zunehmender Bekanntheit der ZZZ und erfolgreichen Beispielprojekten zeigten private Eigentümer ein gestiegenes Interesse für das Modell Zwischennutzung.

Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit schafft Interesse und Frequentierung.

Öffentlichkeits- und Pressearbeit unterstützen die Arbeit der ZZZ entscheidend. Dank 150 Berichterstattungen und über 1000 Followern auf dem sozialen Netzwerk Facebook haben die ZZZ und ihre Projekte eine große Reichweite. So konnten Nutzer, private Eigentümer und schließlich auch Besucher für das Thema begeistert werden. Der einfach vermittelbare Hintergrund (Nutzung statt Leerstand) und die häufig sehr kreativen und ungewöhnlichen Projekte sind für Pressevertreter beliebte Themen. Die Berichterstattung führt nicht nur zu einer erhöhten Nachfrage von Nutzern und Eigentümern, sie bereichert auch die öffentliche Diskussion und gibt den Trägern der Projekte und den Akteuren der ZZZ eine positive Resonanz.

Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Zwischennutzung stärkt die Praxis.

Die theoretische Auseinandersetzung mit dem vielfältigen Thema auf Konferenzen und in kritischen Diskussionsreihen geben wichtige Erkenntnisse für die Praxis und befördert die Weiterentwicklung und Einbindung von Zwischennutzungen in die Stadtplanungspraxis.

Der Erfahrungsaustausch mit anderen Städten inspiriert neue Projekte.

Der stete Austausch über die Thematik regt die eigene Arbeit an und inspiriert Akteure in anderen Städten. Der intensive Austausch auf den Veranstaltungen zeigt, wie virulent das Thema Zwischennutzung ist.

Nur ein Zwischennutzungsbüro mit hoher Akzeptanz auf allen Seiten ist wirkungsvoll.

Das Team einer Zwischennutzungsagentur kommuniziert mit unterschiedlichsten Akteuren. Es muss über Übersetzungstalente verfügen, um zwischen Verwaltung, Zwischennutzern und Eigentümern vermitteln zu können. Die Akzeptanz einer Zwischennutzungsagentur in unterschiedlichen Akteursnetzwerken spielt eine große Rolle für die Wirksamkeit ihrer Arbeit. Sie sollte intensive Kontakte zu lokalen Netzwerken z. B. in den Bereichen Kunst, Kultur, Immobilien, Quartiersarbeit, Hochschulen und Wissenschaft pflegen und aufbauen. Eigene Erfahrungen mit Zwischennutzungsprojekten, eine gute Vernetzung in der Stadt und bauliche und genehmigungsrechtliche Kenntnisse sind von großem Vorteil. Nicht zuletzt motivieren eigene Zwischennutzungserlebnisse andere Nutzer, sich auch auf die Herausforderungen einer Zwischennutzung einzulassen.

Die Mischung macht´s.

Zwischennutzungen sind durch ihre Vielfältigkeit erfolgreich. Die ZZZ legt großen Wert auf eine heterogene Zusammenstellung der Nutzer und Nutzungen. Sie unterstützt informative, soziale, kulturelle, ökonomische und funktionale Projekte. Vielfalt erleichtert die Akzeptanz von Zwischennutzungen und vergrößert die Akteursbandbreite. Ob soziale Initiative, Existenzgründer oder Kulturverein – als Zwischennutzer kommen für die ZZZ grundsätzlich alle lokalen Akteure mit einem Raumbedarf in Betracht, der auf dem regulären Immobilienmarkt zu diesen Konditionen nicht zu finden ist. Im Großen und Ganzen wird jeder Typus von Leerstand nachgefragt. Waren es am Anfang der Auftragsphase vor allem Atelierplätze, Ausstellungsorte oder Bandproberäume, sind es mittlerweile Gesuche jeder Art, die bei der ZZZ eingehen. So wenden sich soziale Träger, Jungunternehmer oder auch Kultureinrichtungen ebenso an die ZZZ wie dies weiterhin Studierende, Künstler oder Musiker tun.

Selbstverwaltung und Verstetigung festigen Projekte.

Häufig kommen in den Zwischennutzungen sehr heterogene, eher individualistische Nutzer zusammen, die sich selbst organisieren müssen, um gemeinsam einen Leerstand zu nutzen. Durch die Übernahme von Aufgaben der Selbstorganisation durch jeden Einzelnen, durch die kollektive Verantwortung für den Ort und die gemeinsame Präsentation nach außen entstehen stabile Nutzergemeinschaften. Ein funktionierendes Team ist die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Projekt.

Projekte mit breitem Akteursspektrum können einen provisorischen Hauptmieter benötigen.

Manchmal drohen Projekte an Formalitäten zu scheitern. Große Flächen ziehen heterogene, lose organisierte Gruppen an. Um den Verwaltungsaufwand für den Eigentümer gering zu halten, ist dann in der Regel ein Trägerverein als Hauptmieter notwendig. Die Gründung eines Vereins nimmt einige Zeit in Anspruch und setzt ein gewisses Maß an Vertrauen unter den Mitgliedern voraus. Ein solches Vertrauensverhältnis wächst mitunter erst während der Zwischennutzung. Wenn sich kein anderer Träger finden lässt, kann es notwendig werden, dass die Zwischennutzungsagentur selbst als Trägerin einspringt, um zeitnah handlungsfähig zu sein.

Zwischennutzungen unterstützen eine partizipative und nachhaltige Stadtplanung.

Zwischennutzungen können für die Stadtentwicklung ein nachhaltiges Gestaltungsinstrument sein. Sie punkten trotz ihrer häufig kurzen Dauer in sozialer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht. Sie tragen zur effizienteren Ausnutzung urbaner Räume bei. Zwischennutzungen können Leerstandskosten reduzieren und auf Quartiersebene durch informellen Waren- und Dienstleistungsaustausch der zumeist stark vernetzten Zwischennutzer lokale Ökonomien kräftigen oder vor Ort entstehen lassen. Partizipation wird auf der Basis von Zwischennutzungen an verschiedenen Orten im Stadtraum aktiv gelebt. Temporäre Nutzungen geben ihren Akteuren Raum, um Stadt eigeninitiativ mitzugestalten. Zwischennutzungen fördern zivilgesellschaftliches Engagement, urbane Lebensqualität, lokale Ökonomien und soziale Interaktionen. So unterstützen sie eine behutsame Stadterneuerung und stellen gleichzeitig ein Modell dar, wie Verwaltungen und Bewohner kooperieren können.

Zwischennutzungen eignen sich als Testnutzungen.

Zwischennutzungen können Türöffner für dauerhafte Nutzungen werden. In Provisorien loten Zwischennutzer aus, ob eine Nutzungsidee auch langfristig tragfähig ist und ob sich Investitionen für baurechtliche Anforderungen lohnen. Als Testnutzungen bilden Zwischennutzungen eine Basis für stabilere Bauleitplanungen und Investitionspläne und sind dabei häufig differenzierter als Planungs- und Beteiligungsprozesse. Zwischennutzungen eignen sich also für ungewisse Zeiträume, aber auch über diese hinaus.

Selber machen spart Kosten.

Reparaturen und einfache Sicherheitsvorkehrungen werden oftmals in Eigenarbeit der Nutzer übernommen, wenn es der Zeitraum der Nutzung zulässt. Viele Zwischennutzer sind in Netzwerke eingebunden, die nicht selten mehrere hundert Personen umfassen. Sie können Fachwissen und Arbeitskraft in einem Maße aktivieren, dass sogar Zwischen- bzw. Umnutzungen von größeren Gebäuden mit veralteter Gebäudetechnik, maroder Bausubstanz oder ungünstigen Raumzuschnitten mit geringem finanziellen Kapital möglich werden. So manche „Problemimmobilie“ lässt sich dadurch reaktivieren und auch langfristig nutzen. Oft können Nutzer durch Improvisation und Eigenarbeit sehr viel günstigere und ansprechendere Lösungen finden, ohne dass hiermit Einbußen für die Sicherheit verbunden wären. Der Wunsch vieler Zwischennutzer, Maßnahmen in Eigenbau umzusetzen, stieß bei einigen Eigentümern u. a. wegen fehlender Gewährleistungsgarantien und Fragen des Versicherungsschutzes jedoch auf Vorbehalte.

Zwischennutzungen brauchen Zeit.

Die meisten Zwischennutzer möchten längerfristig am Ort arbeiten, sobald sich herausstellt, dass ihre Idee wirksam ist. Um Ideen umzusetzen und Räume umzugestalten, brauchen sie eine große Gestaltungsfreiheit und einen verlässlichen – möglichst langen – Nutzungszeitraum. Eigentümer und die Verwaltung sollten von den oft unerfahrenen Nutzern nicht allzu schnell messbare Ergebnisse oder ökonomische Gewinne erwarten.

Zwischennutzungen sollten als Instrument sensibel eingesetzt werden.

Die Bandbreite von Zwischennutzungen ist sehr groß. In einigen Städten werden Zwischennutzungen strategisch zur Adressenbildung eingesetzt. Daher haben vor allem subkulturelle Akteure, Künstler und kreativwirtschaftlich ausgerichtete Nutzer Befürchtungen, dass ihre Arbeit für Aufwertungsmaßnahmen oder Eigentümerinteressen instrumentalisiert werden könnten. Wichtig für die Akzeptanz einer Zwischennutzungsagentur ist es daher, dass Zwischennutzungen von Seiten der Stadt nicht als Mittel zur Aufwertung von Standorten eingesetzt werden, sondern zur Erfüllung von Raumbedarfen der Akteure.

Die Nachfrage übersteigt das Angebot.

Bremen verfügt über ein breites Potential an möglichen Zwischennutzern. In der Pilotphase gingen über 400 Anfragen alleine über die Kontaktadresse im Internet ein. Durch den gestiegenen Bekanntheitsgrad der ZZZ hat die Nachfrage zugenommen. Leider ist das Angebot an offenen Räumen für die Deckung der bestehenden Nachfragesituation konstant zu gering. Der Engpass würde sich auflösen, wenn nur ein Bruchteil der 400 auf dem Bremer Leerstandsmelder registrierten Potentiale aktiviert werden könnte.

Die Arbeit eines Zwischennutzungsbüros ist sehr vielfältig.

Das Aufspüren von Räumen, die Vernetzung zu Nutzern und Eigentümern, viel Öffentlichkeitsarbeit, Gespräche mit der Verwaltung, die Beratung der Nutzer, das Evaluieren der Ergebnisse und vieles mehr leistet ein Büro für Zwischennutzungen. Zum Arbeitsalltag gehört vor allem Kommunikation. Eine gute Vernetzung in unterschiedliche Gruppen, ein transparenter Umgang mit Informationen und hervorragende Ortskenntnisse sind unabdingbar.

Jede Zwischennutzung ist anders.

Eine wichtige Erkenntnis aus der Arbeit der ZZZ ist, dass jede Zwischennutzung anders ist und individuelle Rahmenbedingungen erfordert. Aus unterschiedlichen Voraussetzungen ergeben sich verschiedene Bedarfe der Zwischennutzer. Manche brauchen eine stärkere Begleitung und Beratung, andere beginnen ohne Startprobleme. Je nach Stadt, Quartier und Ausgangslage muss sich eine Zwischennutzungsagentur auf die sozialen und räumlichen Kontexte einstellen und individuelle Wege finden.
 
Die ZZZ wird seit 2012 von der Stadt Bremen (Ressorts Wirtschaft, Finanzen, Bau und Kultur), Immobilien Bremen und Wirtschaftsförderung Bremen gefördert.