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In aller Schärfe

Anders als die meisten Medienformate ist die Podcast-Landschaft sehr divers.
Anders als die meisten Medienformate ist die Podcast-Landschaft sehr divers. | Foto (Detail): © picture alliance/Zoonar/Lev Dolgachov

Dass Deutschland bunt und divers ist, spiegelt sich in der Medienlandschaft nur bedingt wider. Anders verhält es sich in der Podcast-Szene: Hier äußern sich Minderheiten über das, was sie bewegt.

Von Stefan Fischer

Die deutsche Gesellschaft ist so divers wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Doch obwohl Menschen mit ganz unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Prägungen gemeinsam in diesem Land leben, erlangen Minderheiten nur mühsam eine Stimme in den Medien. Die Redaktionen etlicher Zeitungen, Radio- und TV-Sender sind nach wie vor deutlich weniger vielfältig zusammengesetzt als die Gesellschaft. Hörbar besser ist die Situation bei Podcasts. Hier gibt es inzwischen eine ganze Reihe beliebter Shows von Menschen, die eine Migrationsgeschichte haben oder aus anderen Gründen einer Minderheit zugerechnet werden. Viele davon thematisieren Diversity in ihren Podcasts.

Gesprächsthemen aus der Lostrommel

Oliver Polak ist nicht nur Podcastler, sondern auch Autor und Comedian.
Oliver Polak ist nicht nur Podcastler, sondern auch Autor und Comedian. | Foto (Detail): © picture alliance/SvenSimon/Elmar Kremser
Besonders elegant gelingt das Oliver Polak in seinem Podcast Besser als Krieg, den er für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert. Polak ist der Sohn eines jüdischen Vaters, der die Deportation ins Ghetto und anschließend ins Konzentrationslager überlebt hat. Er lädt in jeder Folge zwei Gäste ein, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören, und spricht mit ihnen über je vier unterschiedliche Themen, die zuvor ausgelost wurden: Mal reden sie über Humor, mal über Rassismus, mal über Heimat. Es geht also nicht ausschließlich um Themen, von denen vor allem Minderheiten betroffen sind – wie Ausgrenzung, Identität oder Chancengleichheit –, sondern über Dinge, die jeden angehen. Besser als Krieg ermöglicht so einen diversen Blick auf Fragestellungen, die nicht zwingend mit Diversität selbst zu tun haben.

Die allerersten Gäste von Besser als Krieg waren Anna Dushime und Alice Hasters. Beide Frauen betreiben eigene Podcasts, in denen sie aktuelle Ereignisse aus ihrer Perspektive diskutieren. Die Afrodeutsche Anna Dushime kritisiert gemeinsam mit Yelda Türkmen und Ari Christmann in Hart unfair regelmäßig Rassismus und Sexismus in der deutschen Gesellschaft. Der Name des Podcasts erinnert an eine beliebte politische Talkshow im deutschen Fernsehen. In einem Interview mit der Tageszeitung (taz) erklärte Dushime, der Podcast sei keine direkte Kritik am TV-Format Hart aber fair. Das Trio wolle aber eine Gegenperspektive zu den Fernseh-Talkshows einnehmen, in denen immer nur die gleichen weißen Menschen zu Wort kommen. Der Titel Hart unfair beziehe sich einerseits darauf, dass die drei Frauen regelmäßig auf verletzende Weise kritisiert würden. Andererseits schrecken sie selbst auch nicht davor zurück, Menschen scharf zu attackieren, die sich gegen Integration und Vielfalt aussprechen.

Alice Hasters wiederum produziert gemeinsam mit der Sprecherin Maximiliane Häcke seit 2016 den Podcast Feuer und Brot. Die Journalistin Hasters veröffentlichte 2020 den Bestseller Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten. Die beiden Frauen unterhalten sich über gesellschaftlich relevante, popkulturelle und auch persönliche Themen. Aber auch da, wo es scheinbar nur um Unterhaltung oder um Privates geht, spielen Feminismus, das Problem kultureller Aneignung, toxische Männlichkeit oder Hasters afrodeutsche Identität meist eine Rolle.
Alice Hasters (links) produziert gemeinsam mit Maximiliane Häcke (rechts) seit 2006 den Podcast „Feuer und Brot“, in dem auch immer wieder ihre afrodeutsche Identität thematisiert wird.
Alice Hasters (links) produziert gemeinsam mit Maximiliane Häcke (rechts) seit 2006 den Podcast „Feuer und Brot“, in dem auch immer wieder ihre afrodeutsche Identität thematisiert wird. | Foto (Detail): © picture alliance/Geisler-Fotopress/Jens Krick und © picture alliance/BREUEL-BILD

Diversity-Themen betreffen alle

Der Interview-Podcast Kompressor beweist, dass die Debatten über Rassismus, Sexismus sowie fehlende Gleichberechtigung und Pluralität nicht nur von den Personen geführt werden, die von all dem unmittelbar betroffen sind. Kompressor wird vom öffentlich-rechtlichen Radiosender Deutschlandfunk Kultur veröffentlicht und sowohl die Moderator*innen als auch die Gesprächspartner*innen gehören meist der Mehrheitsgesellschaft an. Die sechs bis zehn Minuten langen Interviews befassen sich aber häufig mit kulturellen Fragen, die auch Diversity-Themen beinhalten: Es geht um Rassismus in Kinderbüchern, um politische Popsongs oder um die Frage, wer die Texte einer schwarzen Lyrikerin übersetzen darf.

Ein besonderes Format hat die Autorin und Journalistin Sibel Schick gewählt, die ganz ohne Gäste und Dialoge auskommt: Die Episoden ihres Podcasts Scharf mit alles sind Monologe, die bis zu 20 Minuten lang sein können. Dennoch hört man der in der Türkei geborenen und seit 2009 in Deutschland lebenden Sprecherin gerne zu. Scharf mit alles beschäftigt sich häufig mit Gewalt und Genderfragen: Schick untersucht zum Beispiel, ob die Coronakrise unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und Frauen hat, oder wie in manchen Debatten Opfer zu Tätern gemacht werden – und umgekehrt.

Alle genannten Podcasts stellen Ansichten in Frage, die in der Mehrheitsgesellschaft noch fest verankert sind. Die Autor*innen wollen das Denken verändern – und fangen damit an, die Probleme zu benennen und darüber zu reden. Wenn es sein muss, in aller Schärfe.

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