Die Verlagsarbeit in Portugal
Buchveröffentlichungen bergen immer Risiken

In einem großen Regal voller Bücher finden viele Geschichten von den unterschiedlichsten Orten der Welt ihren Platz, neben Autoren, die sich zu Lebzeiten begegneten und anderen, die sich gegenseitig nie kennengelernt haben. Und auch wenn die Geschichten, die Ausgaben und der Stil der Autoren sehr verschieden sein können, so gibt es doch eine Tatsache, die ihnen immer gemein ist: Jemand entschied sich dazu, sie zu veröffentlichen. Wie kommt es zu dieser Entscheidung? Es gibt viele Antworten auf diese Frage.
Von Carolina Franco
Bis ein Buch in einem Regal neben anderen Büchern in einer Buchhandlung oder einer Bibliothek steht, durchläuft es eine lange und arbeitsintensive Reise, während der viele Entscheidungen getroffen werden müssen, die die Positionierung des Buchs bestimmen können. Beim ersten Schritt der Verlagsarbeit ist die Begeisterung groß, doch gerade dieser Schritt birgt die meisten Risiken. Es kann nämlich ein Risiko sein, eine*n bestimmte*n Autor*in zur Veröffentlichung vorzuziehen oder einen Titel statt eines anderen desselben Autors auszuwählen. Die Auswirkungen in der literarischen Landschaft sind nicht leicht vorauszusehen, besonders, wenn es sich um neue und andersdenkende Autor*innenstimmen handelt. Doch Carmen Serrano (Verlagsgruppe Leya), Diogo Madre Deus (Elsinor und Cavalo de Ferro Verlag) und Gonçalo Gama Pinto (Literaturagentur Ilídio Matos) versichern, dass sich die Reise lohnt.
Die unterschiedlichsten Gründe können einen Verleger zur Veröffentlichung eines Buches motivieren, doch in jedem Fall werden sie von dem literarischen Profil des Verlages oder der Publikationsreihe bestimmt. Es ist, als ob die Auswahl zur Übersetzung und Veröffentlichung eines Autors oder eines bestimmten Werkes der Identität einer Verlagsgruppe eine neue Facette hinzufügen und ein neues Familienmitglied in diese stetig wachsende Familie eingliedert würde. Wenn es um übersetzte Werke geht, so bedeutet die Herausgabe auch einen Brückenschlag zur literarischen Welt eines anderen Landes.
Carmen Serrano, Direktorin der Verlagsgruppe Leya und für die Herausgabe von ausländischer Belletristik verantwortlich, erklärt, dass die Definition der Leitlinien der Verlagskataloge wichtig für die Identität der unterschiedlichen Verlage ist. Nach dieser Anfangsphase sei die Titelauswahl dann jedoch oft eine sehr persönliche Angelegenheit. Sie selbst passe zwar die Auswahlkriterien an das Genre ihres Bereichs, die Belletristik, an, das Wichtigste sei jedoch ihr Verhältnis zum Text. Carmen Serrano taucht als Herausgeberin „regelrecht in die Welt ihrer Autoren ein, sei es über den Stil, die Stimme des Autors, die Handlung, das Thema, die Personen oder im Idealfall über alle diese Elemente“.

Ein Buch zu veröffentlichen ist, in den Worten der Verlegerin, „etwas erstaunlich Unberechenbares, Begeisterndes und Motivierendes“. Wenn ein Buch international sehr viel Erfolg hatte, bedeutet dies nicht, dass es auch in Portugal erfolgreich sein wird; „es ist unmöglich, einen großen Erfolg vorherzusehen“, versichert sie. „Auch, wenn ein Werk oder Autor*in einen wichtigen literarischen Preis bekommt oder international Aufsehen erregt, erhöht sich natürlich die Chance für einen Erfolg in Portugal, aber er bleibt bis zur Auslieferung in den Buchhandel ungewiss.“
Diogo Madre Deus behauptet gar, dass jegliche Herausgabe eines Buches in Portugal ein Risiko ist. Selbst bei der Übersetzung eines Bestsellers gebe es keine Garantien auf Erfolg. Erst nach der Herausgabe erkennt man, ob es sich gelohnt hat. Außerdem müsse noch betont werden, dass die Verkaufsergebnisse nicht der einzige Faktor für einen Erfolg sind. Hinsichtlich der Bestseller führt die Verlegerin der Gruppe Leya noch hinzu, dass in Ländern wie Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, England und Deutschland die Listen der am meisten verkauften Werke gezwungenermaßen einige gemeinsame Titel haben. Doch seien die Unterschiede größer als die Gemeinsamkeiten.
Messen und Literaturagenten: die Brücken im Verlagswesen
Seit 64 Jahren spielt die Literaturagentur Ilídio Matos eine herausragende Rolle in der Buchveröffentlichung in Portugal. Sie vertritt Verlage und ausländische Agenturen, und hat, laut ihrem derzeitigen Leiter, Gonçalo Gama Pinto, die Aufgabe, das proaktive Verbindungsglied zwischen den Verlagen und ihren Kunden zu sein, so dass Werke und Autoren den für sie geeigneten Verlag finden. Der Vorteil einer Literaturagentur für die ausländischen Kunden ist, „dass die Agentur sowohl die ausländischen Kataloge, als auch die Kataloge der portugiesischen Verlage gut kennt“. Abgesehen von der Arbeit an neuen Projekten stuft Gonçalo Gama Pinto auch die Arbeit an den Backlists als sehr wichtig ein, d.h. die Einplanung der Veröffentlichung von Titeln, die seit langem in Portugal nicht mehr verfügbar sind oder hier nie veröffentlicht wurden.
Eine Agentur ist verantwortlich für den gesamten Herausgabeprozess, „vom Versand der Manuskripte zur Begutachtung bis zur Verhandlung der Rechte der Übersetzung, Erarbeitung der Verträge, der Kommunikation mit dem Autor über eventuelle Events zur Bekanntmachung des Buchs“. Der „mögliche kommerzielle Erfolg“ und die“ Qualität und Bedeutung des Werkes“ werden von Ilídio Matos, Direktor der Agentur, als wichtigste Gründe zur Auswahl eines Buches zur Übersetzung und Herausgabe in Portugal angegeben – wobei die Bedeutung des Werkes ein Faktor sei, der eher kleine, unabhängige Verlage motiviere, die bereit seien, ein höheres Risiko einzugehen.
„Bestimmte international Strömungen sind sehr wichtig, und werden dem portugiesischen Leser nur durch die Arbeit der Verlage nahe gebracht“, erzählt Ilídio Matos. Carmen fügt hinzu, dass die Literaturagenturen weiterhin eine wesentliche Rolle bei der Vermittlung junger Autoren und Erstveröffentlichungen spielen. Die etablierten Autoren dagegen hätten schon privilegierte Kommunikationskanäle. Die Buchmessen, wie die in London (März/April) und in Frankfurt (Oktober), seien deshalb auch wichtige Treffpunkte.

Was ist bei der Übersetzung aus dem Deutschen Ausschlaggebend?
Gonçalo Gama Pinto bezieht sich auf seine jahrzehntelange Erfahrung, wenn er behauptet, dass „aktuell, unabhängig vom Genre, mehr Bücher veröffentlicht werden“. Was die Herausgabe deutscher Werke betrifft, so ist seine „Zusammenarbeit mit mehreren Verlagen jüngeren Datums“, denn die Sprache stellt eine Hürde dar, die den Zugang zum Original erschwert. Selbst wenn ein Verlag großes Interesse an einem Werk zeigt, vergeht wertvolle Zeit, denn man wartet auf die Veröffentlichung einer Übersetzung (in einer „leichter lesbaren“ Sprache, wie Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch). Ein weiterer Faktor sind die Übersetzungskosten. In dieser Hinsicht spielen Förderprogramme wie die der Portale LETRA und Litrix eine sehr wichtige Rolle.

„Die Klassiker, wie z.B. Mann, Musil, Hesse, Sebald, Fallada, Zweig, Grass, sind praktisch immer im Buchhandel verfügbar. Doch jetzt konnten auch neue, unbekannte oder kaum übersetzte Autoren wie Sasha Marianna Salzmann, Marion Poschmann, Daniel Kehlmann, Eugen Ruge, Robert Menasse oder Judith Schalansky (ab 2021) dem portugiesischen Leser nahe gebracht werden.“ Das Risiko lohnt sich.
Artikel in Zusammenarbeit mit der portugiesischen Plattform Gerador.