Unabhängige Verlage
Vielfalt auf dem Buchmarkt

Frankfurter Buchmesse 2013 | © Frankfurter Buchmesse, Nurettin Çiçek
Frankfurter Buchmesse 2013 | Foto (Ausschnitt): © Frankfurter Buchmesse, Nurettin Çiçek

Sie entdecken Talente, bringen kunstvoll gefertigte Kleinserien oder Lyrikbände heraus: Unabhängige Verlage in Deutschland sorgen für Vielfalt auf dem Buchmarkt. Doch genau wie die großen Verlage kämpfen auch sie mit der Digitalisierung, sagt Stefan Weidle, Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung.

Die unabhängigen Verlage in Deutschland führen in der Wahrnehmung der Leserschaft zumeist ein Schattendasein. Verglichen mit Großverlagen wie Penguin Random House sind sie scheinbar nur die dahintreibenden Rettungsboote für unbekannte Talente, vernachlässigte Themen, Wiederentdecktes und Verrücktes in einem Meer der Bestseller. Bei Anlässen wie der Frankfurter Buchmesse jedoch können die Unabhängigen durch ihre schiere Präsenz regelmäßig klarmachen, welchen Stellenwert sie für die deutsche Buchkultur haben.

Deutschlandweit gibt es rund tausend unabhängige Verlage. Das schätzt Stefan Weidle, Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung, die sich der Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene verschrieben hat. Unter den tausend seien allerdings viele, die unregelmäßig verlegen oder nur ein Buch im Sortiment hätten. Rund 120 unabhängige Verlage hätten ernstzunehmende Strukturen entwickelt und verlegten regelmäßig die unterschiedlichsten Inhalte von Belletristik bis zum Sachbuch.

Kleine Auflagen, große Talente

Die große Stärke der unabhängigen Verlage, sagt Weidle, sei die geringe Stückzahl mit der sie kalkulieren können. „Große Verlage wollen Titel, die im Bestfall 15.000 Euro im Monat einspielen, das schaffen die wenigsten Bücher.“ In unabhängigen Verlagen werden Titel zum Teil bereits ab einer Startauflage von 500 Stück realisiert. So sei es noch möglich, Lyrik zu verlegen oder weniger bekannte Autoren.Ein großer Wurf ist Weidle dabei selbst gelungen, als er den Roman Die Manon Lescaut von Turdej des russischen Autors Wsewolod Petrow verlegte. Der Text des fast vergessenen Russen erschien zuerst in einer Auflage von tausend Exemplaren, mittlerweile wurden rund zehntausend Stück verkauft. Ein typisches Beispiel dafür, wie unabhängige Verlage den Buchmarkt bereichern: „Da sind Leute, die an die weniger bekannten und weniger erfolgreichen Autoren glauben und ihnen eine Chance geben“, sagt Weidle.

Das größte Problem bei der Vermarktung für die unabhängigen Verlage ist es, die Titel im Buchhandel zu platzieren. Große Buchhandelsketten nehmen die Titel nur selten auf. Dabei sei es vor allem die Vielfalt der kleineren Verlage, die dem Mainstream im Buchhandel heute fehle, findet Weidle. „Zumeist wird das große Heil in der populären angelsächsischen Literatur, den großen Bestsellern gesucht.“

Das sei aber ein zu enger Ausschnitt der literarischen Realität. Auch die Kunden würden eine größere Vielfalt mittlerweile honorieren, glaubt Weidle. Zwar gibt es derzeit kaum Neugründungen, doch ist die Zahl der unabhängigen Verlage in Deutschland seit langem auf gleichbleibend gutem Niveau.

Unabhängige Verlage schließen sich zusammen

Verantwortlich dafür ist nicht nur die inhaltliche Qualität. Bücher aus Großserien würden immer billiger verklebt, immer schlechter lektoriert. „Das macht einfach keine Freude“, sagt Weidle. Hier können die oftmals mit großer Akribie erstellten Kleinserien von unabhängigen Verlagen punkten. Um die Bücher in Zukunft besser an den Kunden zu bringen, entsteht derzeit unter der Domain Indiebook.de eine neue Website. Rund 60 Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen hier bald ihre Produkte präsentieren.Der Zusammenschluss sei nötig, sagt Weidle, weil „60 bis 70 Prozent der Käufe im Buchhandel Spontankäufe sind“. Wer mit seinem Buch nicht auf dem Grabbeltisch der Buchhandlung liege, habe es deshalb schwer. Freilich, auch das wird die Zeit nicht zurückdrehen: Das Buch sei als Leitmedium spätestens mit der Generation der Digital Natives längst vom Internet abgelöst worden, so Weidle. „Wenn ich früher etwas wissen wollte, habe ich ein Buch zur Hand genommen. Diese Zeit ist vorbei.“

Vom Leitmedium zum Liebhaberstück

Mit Aktionen wie dem Indiebookday soll die Aufmerksamkeit wieder auf die Vielfalt der deutschen Verlagskultur gelenkt werden. Bei der Aktion werden Leser aufgerufen, ein Buch eines unabhängigen Verlages zu kaufen und darüber in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #Indiebookday zu berichten. Der Indiebookday entstand in Anlehnung an den Record Store Day, der seit Jahren gleiches für die Indielabels in der Musikszene leistet. Damit richtet sich das einstige Leitmedium zumindest im Bereich der unabhängigen Verlage auf einen Liebhaberstatus ein. Stefan Weidle ist es recht. „Die Großverlage setzen auf schnellen Konsum und schielen fast nur noch in die USA.“ Viele europäische Autoren würden so unter den Tisch fallen. Ohne die unabhängigen Verlage, da ist sich Weidle sicher, wäre der deutsche Buchmarkt sehr viel ärmer.