Bangkok
Thaifood – Superfood?

Thaifood – Superfood?
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Eine Suppe, die das Immunsystem anregt? Ein Curry, das den Blutdruck senkt? Oder ein Salat, der beim Abnehmen hilft? Die Thai-Küche hat nicht nur wegen des aromatischen Zusammenspiels der vier Geschmacksrichtungen Scharf, Salzig, Süß und Sauer, die bei keinem Gericht fehlen dürfen, die Welt erobert, sondern ist in vielen Fällen auch der Gesundheit zuträglich. Thai-Food ist nicht nur eine Kunst, sondern auch eine Wissenschaft, die den Superfood-Trend, der die westliche Küche erobert hat, ganz selbstverständlich in den Alltag integriert.

Mit seinen vitaminreichen Gemüsesorten, Gewürzen, frischen Kräutern und schonenden Zubereitungsmethoden wie Dämpfen oder kurzem Braten ist traditionelles Thai-Food eine der gesündesten Küchen der Welt.

Schon eine einfache Currypaste, Grundlage vieler Gerichte, enthält Zutaten, deren gesundheitsfördernde Wirkung seit langen bekannt ist. Kurkuma, Galgant, Ingwer, Koriander, Zitronengras, Knoblauch und Chilischoten haben eine immunverstärkende Wirkung und die Tom Yum Suppe, quasi Thailands Nationalgericht, enthält zahlreiche Antioxidantien, denen man sogar eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs nachsagt. Viele Kräuter kommen sowohl in der asiatischen Volkmedizin, der traditionellen chinesischen und ayurvedischen Medizin als auch in der westlichen Heilkunde seit Jahrhunderten zum Einsatz. Schon Hildegard von Bingen bezeichnete die Galgant-Wurzel, eine Verwandte des Ingwers, als das „Gewürz des Lebens“.

Koriander hilft gegen Verdauungsprobleme, Chili beeinflusst die Insulin-Produktion positiv und Kurkumin, der aktive Bestandteil des Kurkumas, ist als entzündungshemmendes Mittel bekannt und hilft, Allergiesymptome zu lindern. Auch den Blutdruck senkt die gelbe Wurzel, die pulverisiert neuerdings gern westlichen Smoothies und Getränken beigemischt wird. Ihre Wirksamkeit in Suppen oder Curries ist jedoch um ein Vielfaches höher, da Kurkumin nicht wasser- sondern fettlöslich ist.

Die Papaya hilft gleich dreifach: Sowohl reif als Obst, aber auch grün und zu sauerkrautartigen Streifen geraspelt, ist die Papaya als Hauptzutat des beliebten Som Tam Salats eine wahre Superfrucht. Neben jeder Menge enthaltener Vitamine und Mineralien gilt insbesondere das enthaltene Enzym Papain als gesundheitliche Wunderwaffe, die beim Abnehmen helfen soll, da sie die Fettaufspaltung im Darm erleichtert. Die Kerne der birnenförmigen Frucht mit dem leuchtend orangefarbenen Fruchtfleisch helfen bei Magenbeschwerden und sind ein altes Mittel gegen Darmparasiten. Der Som Tam-Salat mit seiner süß-sauren Sauce aus Limettensaft und Chili ist ein gesunder Snack zu jeder Gelegenheit – stilecht kauft man ihn in Thailand an einem der zahlreichen Streetfood-Stände. Die Anzahl der gewünschten Chilischoten demonstriert man dem Verkäufer dabei ganz einfach mit den Fingern. Nur auf zu viel Zucker – versteckter Zucker ist das einzige Manko der Thaiküche - sollte man verzichten.

Der Som Tam und seine zahlreichen Varianten kommen ursprünglich aus der Küche Nordthailands, wie auch ein anderer Foodtrend, der im Moment weltweit als Alternative zur energieintensiven Zucht von Schweinen und Rindern von sich reden macht: Essbare Insekten. Insekten gehören im Norden Thailands schon seit langen zur Volksküche. Vor ein paar Jahren noch als Arme-Leute-Essen geschmäht, lobt die UN heute Grillen, Heuschrecken oder Bambusraupen als nachhaltige Proteinquellen. Grillen sind sehr viel günstiger zu züchten als klassische Fleischlieferanten wie Rinder oder Schweine. Sie brauchen kaum Platz und nur einen Bruchteil an Futter und Energie. Für viele arme Farmer im Isan, dem Norden des Landes, ist die Grillenfarm hinter dem Haus ein Weg zur finanziellen Unabhängigkeit, der wenig Investitionen erfordert. Die Eier kommen per Post oder werden auf dem lokalen Markt gekauft, die Pflege der Tiere in mit Netzen abgedeckten Beton-Gehegen ist unkompliziert. Tatsächlich ist Thailand heute der weltweit größte Hersteller essbarer Insekten. Proteinmehl aus Grillen kommt in Fitnessriegeln ebenso zum Einsatz wie in Pasta-Fertigsaucen.

Generell unterscheidet man zwischen Zuchtinsekten und wild gesammelten, die deutlich teurer sind. Wer in Thailand über Land fährt, kann auf den lokalen Märkten manchmal ganze Körbe mit den etwas unheimlichen Wasserkäfern sehen, die an riesige, mutierte Kakerlaken erinnern. Unter Touristen gilt der Verzehr der Wasserkäfer, ähnlich wie der von Skorpionen, als sechsbeinige Mutprobe. Ameiseneier hingegen kommen angenehm neutral als weiße Kügelchen daher, die im Salat wie leicht säuerliche und nussige Kaviarperlen aufploppen. Als Dip mit Basilikum, Minze und Knoblauch schmecken sie hervorragend zu Nachos oder Chips.

Talad Thai ist Bangkoks Großmarkt für Einzelhändler. In den riesigen Hallen in der Nähe des Flughafens Don Muang finden die Köche der Metropole eine fantastische Vielfalt von allen in Thailand erhältlichen Nahrungsmitteln. Hier werden die sechsbeinigen Delikatessen meist tiefgefroren angeboten und an Restaurants weiterverkauft. Am teuersten sind mit bis zu 1500 Baht pro Kilo die Bambusraupen, Grillen gibt es schon ab 300 Baht. Die Bambusraupe ist nur zu einer bestimmten Zeit im Jahr erhältlich und muss im Dschungel aufwändig per Hand gesammelt werden. In Nordthailand gilt sie als eine der eleganteren Insekten, tatsächlich erinnert sie frittiert an einen besonders fein geschnitzten Gemüsestreifen.

Auch wenn die Vorteile fettarmen und gesunden Proteins inzwischen weltweit geschätzt werden, so ist der Insektenverzehr, auch Entomophagie genannt, gerade in westlichen Ländern immer noch gewöhnungsbedürftig. Das liegt vermutlich daran, dass die Wahrnehmung von Insekten immer noch eine andere ist, als die beispielsweise von Garnelen. Dabei haben auch die Meerestiere zahlreiche Beine und einen Panzer – alles eine Frage der Gewohnheit.

Aber wie schmecken Insekten jetzt eigentlich? Tatsächlich ist - ähnlich wie bei Tofu – ihr Aroma meist relativ neutral, was sie jedoch gerade in der aromatischen Thaiküche zu idealen Beilagen und Geschmacksträgern macht. Grillen eignen sich wunderbar als kalorienarme Alternative zu Chips, großflügligen Insekten wie Heuschrecken oder Zikaden sollte man vor dem Verzehr immer erst die Flügel oder Beine entfernen, da die sonst gern zwischen den Zähnen hängen bleiben. Der Inhalt des Insektenpanzers erinnert bei größeren Tieren meist an eine Guacamole, relativ fleischig und schmackhaft ohne störende Chitinteile sind die in der Küche gern verwendeten Puppen des Seidenspinners.

Dass Insekten auch das Zeug zum Gourmetfood haben, entdecken neuerdings immer mehr kreative Köche. Das Geheimnis einer leckeren Insektenküche ist, die Sechsbeiner als Zutat nutzen und nicht als Gimmick zu inszenieren, glaubt Koch Thitiwat “Mai” Tantragarn. In seinem eleganten Restaurant “Insects in the Backyard”, das in Bangkoks neuem Kreativkomplex Chang Chui liegt, kommt der Gast gar nicht erst auf die Idee, die Verwendung von Insekten zu hinterfragen. Sie gehören einfach zum Rezept - auch wenn man sie manchmal gar nicht wahrnimmt. Das leicht bittersüße Aroma der knusprig gebratenen Bambusraupen harmoniert perfekt zu Konsistenz und Geschmack von Jakobsmuscheln mit Artischockengemüse. Und püriert und als Füllung eines leckeren Raviolis mit Safran-Kurkuma-Sauce verliert selbst der riesige, unheimliche Wasserkäfer seine Schrecken. Er fügt dem Krebsfleisch eine leicht bittere und cremige Note hinzu die man auf den ersten Blick kaum wahrnimmt. Für Skeptiker ist das sechsgängige Menü, bei dem alle Gänge Insekten als Zutat nutzen, ein guter Einstieg. Genauso wenig, wie ein Sportler bei einem Energieriegel daran denkt, dass er gerade Grillen verspeist, denkt man hier daran, etwas Zweifelhaftes oder Besonderes zu sich zu nehmen. Es ist einfach nur lecker.

Übrigens: Zwar harmoniert auch Wein zu den raffinierten Gerichten von „Insects in the Backyard“, aber zu den klassischen Snack-Insekten, wie sie auf dem Land oder an Streetfoodständen angeboten werden, passt an besten ein kühles Bier.