Notizen einer Reise in die Mehrsprachigkeit
Nach Fribourg

Mein Ort heißt Fribourg.
Mein Ort heißt Fribourg. | Foto (Ausschnitt): © Bernhard Ludewig - Goethe-Institut

Bei der XVI. Internationalen Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer trafen im Sommer Menschen aus der ganzen Welt zusammen, deren Liebe der deutschen Sprache gilt. Eine wunderbare Voraussetzung für gemeinsames Lernen, Lehren und einander Verstehen.

Ob aus Kolumbien, China, Russland oder Kenia – aus allen Ecken der Welt reisten Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer am letzten Augustwochenende 2017 nach Freiburg/Fribourg in die Schweiz. Mehr als 1700 Deutschlehrkräfte aus über 100 Ländern kamen in der Stadt zusammen, um sich fünf Tage lang mit den verschiedensten Facetten des Unterrichtens von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache zu beschäftigen.

Obwohl die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der IDT im Hinblick auf ihre Herkunftsländer und ihren Erfahrungsschatz – um nur einige Beispiele zu nennen – sehr unterschiedlich sind, ist ihnen die Liebe zur deutschen Sprache gemein. Diese Gemeinsamkeit löste auf der Tagung ein besonderes Gefühl von Zusammengehörigkeit aus: „Jede Begegnung mit Menschen, die das Gleiche oder etwas Ähnliches machen, ist bereichernd“, wie es eine Teilnehmerin sehr treffend zusammenfasst.

Freiburg, offiziell an der deutsch-französischen Sprachgrenze gelegen, ist für eine solche Begegnung ein spannender Ort. In der Stadt überwiegt zwar das Französische, da aber Lehrkräfte pragmatisch veranlagt sind, hat eine Lehrerin aus Brasilien gleich eine positive Antwort parat: Das sei doch eine sehr lehrreiche Erfahrung, denn so bekommt sie ein Gefühl dafür, wie sich das für ihre Schülerinnen und Schüler anfühlt, wenn sie nach Deutschland kommen und auch nicht gleich alles verstehen – zumal das in der Schule erlernte Deutsch sich doch ein bisschen von dem unterscheidet, was die Menschen auf der Straße sprechen.
 

Foto: © Bernhard Ludewig
Neben den regionalen Varietäten beherrschte noch ein weiteres Thema die IDT: die Beziehung von Migration, Spracherwerb und Integration. Auch hier wird aufgrund der Entwicklungen in den letzten Jahren eingehend geforscht. Außerdem haben wir es mit einem Phänomen zu tun, das sich konkret auf die Realität gerade in den deutschsprachigen Ländern auswirkt. Und das wiederum lässt die Lehrerinnen und Lehrer in anderen Teilen der Welt nicht unberührt. Sie begreifen es als Chance, gesellschaftliche Realitäten und Sprache unter einen Hut zu bringen.
 
Foto: © Bernhard Ludewig

Was die internationale Bedeutung des Deutschen angeht, so ist Mehrsprachigkeit das Gebot der Stunde, was sich auch in der Freiburger Resolution widerspiegelt, in der deren Förderung eine wichtige Rolle spielt.
Dass mehrere Sprachen in Schulen angeboten und gelernt werden können, ermöglicht letztendlich auch den Erhalt und die Förderung der deutschen Sprache im internationalen Rahmen. Gerade in einer globalisierten Welt ist die Fähigkeit, verschiedene Sprachen zu beherrschen, ein eindeutiger Pluspunkt. Oder wie es eine Lehrerin aus Polen sehr schön in Bezug auf Freiburg formuliert: „Fremdsprachen lernen macht Sinn, eine Sprache allein ist zu wenig: Mehrsprachigkeit pur kann man nirgendwo besser erleben als hier.“

Das Leitbild der diesjährigen IDT „die Brücke" – wozu mit Sicherheit auch das Stadtbild von Fribourg inspiriert hat – wurde nicht nur im Motto „Brücken gestalten – Mit Deutsch verbinden" und auf der inhaltlichen Ebene in verschiedenen Kontexten aufgegriffen, sondern spiegelte sich auch in einem im wörtlichen Sinne anschaulichen Format wider: den didaktischen Werkschauen. Diese schlagen, wie IDT-Präsident Thomas Studer es ausdrückt, über das Medium Film eine Brücke: „Normalerweise ist Unterricht flüchtig: planen – unterrichten, planen – unterrichten... Wenn Beobachtung und Reflexion dazukommen – und sogar gemeinsames Nachdenken und Diskutieren –, dann bewegt man sich in Richtung Forschung.“
 
Foto: © Bernhard Ludewig

Letztlich sind die fachlichen Diskussionen ohnehin nur eine Seite der IDT-Medaille, eine andere – und definitiv nicht minder wichtige – ist die informelle Seite, die Gespräche am Rande: Wenn sich in einer eher kleinen Stadt wie Freiburg über 1700 Gäste einfinden, stellt man im Hotel schnell fest, dass alle anderen Gäste auch an der IDT teilnehmen, und so fühlt man sich fast wie in einer Almhütte, wo alle gemütlich am Tisch beieinandersitzen und sich über die beste Route austauschen – nur dass es hier um die Details des wahrhaft beeindruckenden Programms geht: wo man etwas über die besten Apps für den Unterricht erfährt, wie man authentische Unterrichtsmaterialien in den Unterricht integrieren kann, wie sich Literatur und Musik im Unterricht einsetzen lassen, wie man mit besonders großen Gruppen im Unterricht umgeht und vieles, vieles mehr.
 
Foto: © Bernhard Ludewig

Eine zentrale Rolle für den Gemeinschaftsgeist spielt das Kulturprogramm, seien es die von der IDT zusammengestellten Ausflugsangebote – Besuche bei Käse- und Schokolademanufakturen sind natürlich sehr beliebt – , sei es eine Lesung von Christopher Kloeble oder ein Sprachkabarett.
 
Foto: © Bernhard Ludewig

So kann es auch passieren, dass man sich nach der „Brückenführung“ am Nationalfeiertag vor einem plötzlich einsetzenden Starkregen ins nächste Café flüchtet. Und schon findet man sich am Tisch mit einer Lehrerin aus Venezuela und einer aus der Ukraine wieder und erfährt, dass die Venezolaner bewundernd auf die Ukraine geblickt haben, wo die Menschen es durch 90-tägiges Ausharren auf dem Majdan in Kiew tatsächlich geschafft haben, den Präsidenten Janukowytsch absetzen zu lassen. Durch dieses Gespräch in einem Café in Freiburg wurden zwischenmenschliche Bande geknüpft, die sich sonst nie ergeben hätten – und das auf Deutsch. 
 
Foto: © Filmfreunde.tv

Selbst das Tippen von Nachrichten ins Smartphone kann zum Anlass einer unerwarteten Begegnung werden. Ein Deutschlehrer aus Tokyo bittet höflich ein Foto machen zu dürfen, weil er für seine Arbeit eine Aufnahme von einem Deutschen braucht, der einer typischen Tätigkeit nachgeht – und das Hantieren mit dem Telefon ist eben eine solche. Der Lehrer selbst ist an einer zahnmedizinischen Universität beschäftigt, weil die Studierenden hier motiviert werden, etwas für ihre Allgemeinbildung zu tun. Eine nachahmenswerte Idee!

Oder der Dresdner DaF-Student, der ursprünglich aus Burkina Faso stammt, wo er mit dem Geld, das er in Deutschland als Musiker verdient, ein Projekt von den Ausmaßen des Operndorfes von Christoph Schlingensief ins Leben rufen will: eine Schule für Kinder aus schwierigen Verhältnissen, in der kreative Tätigkeiten wie Musik eng mit dem Lehrstoff verbunden werden. Das Grundstück für die Schule hat er schon erworben, als nächstes ist ein Brunnen dran. Ein Lebenswerk, unglaublich.
Oder die Lehrerin aus Polen, die neben dem Deutschunterricht Jugendbegegnungen organisiert, weil sie zur Völkerverständigung beitragen und die interkulturellen Kompetenzen der Jugendlichen fördern.

Oder die Lehrerin aus Armenien, die sechs Monatsgehälter gespart hat, um zur IDT kommen zu können. Wert war es das allemal, wegen des Programms, wegen der Begegnungen: „Es sind die Menschen, die es ausmachen“, hatte die Lehrerin aus Venezuela beim Verlassen der Gaststätte gemeint.
Foto: © Bernhard Ludewig

Summa summarum kann man nur jedem raten, der sich mit Deutschlehrerinnen und –lehrern aus aller Welt, insbesondere über DaF- und DaZ-Themen austauschen möchte, in vier Jahren nach Wien zu fahren, wo die nächste IDT stattfindet. Wie alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen IDT freuen auch wir uns schon auf ein Wiedersehen in Wien!
  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

  • IDT 2017 - Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 - Stillleben

  • IDT 2017 – Stillleben Foto: © Bernhard Ludewig

    IDT 2017 – Stillleben

Top