Johannes Ebert am 12. Februar 2016
Die Flüchtlingssituation kindgerecht erklären

Rede von Johannes Ebert beim Vernetzungsworkshop „Die Flüchtlingssituation kindgerecht erklären: Möglichkeiten und Aufgaben der Medien“

Sehr verehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe mich sehr gefreut, als ich eingeladen wurde, bei dem heutigen Workshop mit dem spannenden Thema „Die Flüchtlingssituation kindgerecht erklären: Möglichkeiten und Aufgaben der Medien“ das Grußwort zu sprechen. Auch, weil das Goethe-Institut seit vielen Jahren sehr eng mit dem Prix Jeunesse zusammenarbeitet. Während meiner Dozentenausbildung beim Goethe-Institut an der Elfenbeinküste habe ich meinen ersten Workshop 1993 mit einer Referentin des Prix Jeunesse organisiert. Mit dem staatlichen Fernsehen in Abidjan haben wir versucht, im ivorischen Fernsehen eine Kindersendung, ähnlich der Sendung mit der Maus, zu entwickeln. Das war interessant, nicht einfach, aber es ist uns gelungen. Insofern habe ich persönlich eine positive Grunderfahrung mit dem Prix Jeunesse und freue mich, dass ich an der Veranstaltung teilnehmen kann.

Das wichtige bei dem Thema, das dieser Workshop behandelt, ist natürlich, erstmal die Zielgruppe zu befragen. Da ich drei Kinder im Alter von neun, elf und dreizehn Jahren habe, Julia, Jonas und Janis, habe ich sie vor dieser Veranstaltung gefragt: Was wisst ihr eigentlich über Flucht und wie kriegt ihr die Informationen? Eine typische Vaterfrage, die die Kinder erst einmal einschüchtert. Aber sie haben dann gesagt, dass sie bei „Logo“ manchmal etwas mitbekommen. Mein Ältester schaut ab und zu mit mir die „Tagesschau“ und informiert sich dort. Aus dem „Kinder-Spiegel“ ist ihnen eine Geschichte von einem Mädchen im Gedächtnis geblieben, das drei Jahre lang hier in Deutschland war und dann erst eine Wohnung bekommen hat, also ein ganz persönliches Schicksal. In der Schule haben sie anscheinend noch wenig darüber diskutiert. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass meine Kinder nicht viel über die Flüchtlingssituation wissen. Das hat mich insofern bedenklich gestimmt, als in den Klassen meiner Kinder sehr viele andere Kinder sind, die aus Vietnam stammen oder aus den Nachfolgeländern Jugoslawiens, deren Eltern also in den Siebziger, Achtziger und Neunziger Jahren auch nach Deutschland geflüchtet sein müssen. Meine Großeltern sind nach dem Krieg ebenfalls geflüchtet, mit drei kleinen Mädchen im Schlepptau und 40 Kilo Gepäck. Meine Frau stammt aus Laos. Sie ist über den Mekong, über die Philippinen in die USA geflüchtet und später nach Deutschland gekommen. Dennoch wissen meine Kinder nicht so genau Bescheid, können sich nicht richtig einfühlen, was Flucht bedeutet. Daher glaube ich: wir als Eltern haben mit Unterstützung der Medien noch etwas zu tun und wir tragen eine große Verantwortung. Die Frage der Flucht und der Umgang mit Flüchtlingen ist etwas, das uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird. Unsere Kinder spielen dabei eine wichtige Rolle. Deswegen war es mir wichtig, heute ein paar Worte zu sagen.

Warum ist das Thema so bedeutsam? Die aktuelle Berichterstattung lenkt den Fokus stark auf das Eintreffen von Menschen aus den Krisengebieten. Wie werden unsere Kinder darüber informiert? Wie werden sie dafür sensibilisiert? Wie müssen wir, und das ist das Thema des Workshops heute, die Inhalte der täglichen Medienarbeit überdenken, gegebenenfalls anpassen und korrigieren? Wie können wir darstellen, welche Beweggründe die Flüchtlinge zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen haben? Wie können wir es schaffen – und ich glaube, das ist, wo es am meisten fehlt – dass auch Offenheit für einen sozialen Austausch, für Begegnungen mit Flüchtlingen geschaffen wird.

Wie kann die Thematik von Gewalt und Flucht kindgerecht formuliert und dargestellt werden? Worauf kommt es bei der Präsentation anderer Kulturen an? Integration heißt nicht nur, dass die anderen sich anpassen müssen. Wir müssen auch verstehen, was in anderen Kulturen vorgeht, damit wir besser miteinander umgehen können. Wie vermeiden wir dabei – und das ist eine große Herausforderung – Klischees und Stereotypen?

Das Goethe-Institut hat gerade mit dem Bayerischen Rundfunk, der Bundesanstalt für Arbeit und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine App „Ankommen“ erarbeitet, wo auch Texte enthalten sind, die das Verhältnis zu Demokratie, das Verhältnis zwischen Männern und Frauen und andere Themen beleuchten. Es ist gar nicht so einfach und man braucht hohe Sensibilität, um dabei nicht in eine Falle von Klischees und Stereotypen zu fallen.

Der Workshop heute soll verschiedene Perspektiven aufzeigen und uns den Status Quo der Berichterstattung für Kinder in Deutschland vergegenwärtigen. Er soll skizzieren, wie Kinder die Flüchtlingsthematik aufnehmen und weitergeben. Es soll auch über mögliche Leitlinien für einen angemessenen kindgerechten Umgang mit der Flüchtlingssituation in den Medien diskutiert werden.

Wichtig ist, dass wir die Menschen in den Vordergrund stellen. Wir sprechen immer von Flüchtlingswelle, von Flüchtlingskrise. es geht dabei um Menschen, die aus ihren Ländern geflohen sind. Es gibt Gründe dafür und wir müssen es schaffen, dass diese Menschen auch zu Wort kommen und ihr Schicksal darstellen können. Wir stehen vor einer der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Die gesellschaftliche Teilhabe geflüchteter Menschen ist für uns essenziell. Die kindgerechte Präsentation von fremden Kulturen spielt dabei eine gewichtige Rolle. Wir transportieren Werte dieses Landes zum Beispiel über unsere Sprache, über Filme, über Bücher. Das ist auch der Grund, warum das Goethe-Institut jetzt einen Koffer mit Filmen mit arabischen Untertiteln für Flüchtlinge erarbeitet hat, der über den Bundesverband Jugend und Film (BJF) vertrieben wird. Als langjährigem Partner steht dem Goethe-Institut auch der Prix Jeunesse-Koffer für Flüchtlingskinder zur Verfügung.

Es ist wichtig, dass heute darüber diskutiert wird, was wir noch gemeinsam angehen können und nach welchen Kriterien wir unsere Arbeit ausüben. Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich beim Prix Jeunesse bedanken, beim Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, bei Maya Götz, bei Kirsten Schneid, der Festivalkoordinatorin von Prix Jeunesse, bei allen Referentinnen und Referenten, die heute diskutieren, bei allen, die im Berlinale-Stress hergefunden haben. Dass so viele gekommen sind ist ein Zeichen, dass dies für uns alle ein wichtiges Thema ist.

Herzlichen Dank und viel Erfolg heute bei dem Workshop.

(es gilt das gesprochene Wort)

Gehalten am 12. Februar 2016 in Berlin

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