Johannes Ebert am 26. September 2021
Festival “This is not Lebanon"

Johannes Ebert zur Eröffnung des Festivals
 

Sehr geehrtes Publikum,in diesen unruhigen Zeiten freue ich mich mit Ihnen gemeinsam heute das Festival „This is not Lebanon“ zu eröffnen.

Ein Zusammentreffen von künstlerischen Positionen mit einem breiten Publikum, und dies mit einem transnationalen Charakter wie unser Festival „This is not Lebanon“ im physischen Raum, sind alles andere als selbstverständlich geworden!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, doch für mich sind Ereignisse dieser Art zu einer Besonderheit geworden – und eben dies führt mir die Kraft von Kunst und Kultur vor Augen – und deren Relevanz in unserer Gesellschaft. Hier in Frankfurt steht bis zum 12. September der Libanon im Fokus. Und mit dem Libanon zugleich die geopolitischen und kulturellen Bruchlinien, welche sich in diesem kleinen Land am Mittelmeer gleichsam unter einem Brennglas zeigen. Die Kunstszene des Libanon, welche seit den 1950 und 1960er Jahren eine internationale Sichtbarkeit und Relevanz entfaltet hat, ist aktuell gefährdet. Ohne die Lage zu dramatisieren, muss um das Überleben der von Meinungsvielfalt, Courage und künstlerischer Exzellenz geprägten Szene gebangt werden. Die verheerende Explosionskatastrophe vom 4. August 2020 hat Studios, Wohnungen, Galerien und Kunstorte im kulturell vibrierenden Viertel rund um den Hafen zerstört. Hinzu kommen die Auswirkungen der schweren Krise des Landes auf die Kulturszene.

Die Herausforderungen sind groß: Wie können Filmemacherinnen ihre Arbeiten international produzieren und auf Festivals zeigen, wenn sie aufgrund eingefrorener Bankkonten keine Zahlungen außerhalb des Landes leisten können? Wie können Musikerinnen und Performer Proben durchführen, wenn in weiten Teilen Beiruts für den Großteil des Tages Strom und Internet ausfallen? Wie ist es möglich sich als Künstlerinnen  und Künstler auf gestalterische Arbeitsprozesse zu konzentrieren, wenn die materielle Lebensgrundlage durch die innerhalb wenige Monate um 90% entwertete Landeswährung vollständig entzogen ist?

Wenn Kunst und Kultur in Zeiten des Umbruchs, der Unsicherheit und Krise Räume für Reflexion, Nachdenken, Protest und konstruktiven Dialog eröffnen – welche Auswirkungen hat die Situation der Kunst- und Kulturszene im Libanon in eben jenem Umbruchsmoment des Landes, der sich derzeit so dramatisch abzeichnet? Und wie kann das Goethe-Institut Libanon mit einem internationalen Netzwerk von Partnern seine Wirkungsmöglichkeiten einsetzen, um diesen Entwicklungen etwas konstruktiv entgegenzusetzen?

Es waren diese Fragen, die in der Vorbereitung von „This is not Lebanon“ sowohl die kuratorische Gestaltung des Festivals, als auch die Struktur des Projekts geleitet haben. Und die Breite der beteiligten Partnerinstitutionen spiegelt den Willen, eben jenen Herausforderungen mit den Ressourcen von Kunst und Kultur konstruktiv zu begegnen!

Auf Initiative des Goethe-Instituts Libanon wurde eine zweigeteilte Festivalstruktur zwischen Frankfurt und Beirut etabliert. „This is not Lebanon“ schafft damit in Deutschland und im Libanon Freiräume für die Präsentation von künstlerischen Arbeiten in krisenhaften Zeiten – in die kuratorischen Gestaltung fließen durch die Einbindung von Ashkal Alwan und deren Leiterin Christine Thomé die Perspektive eines Partners des Instituts im Libanon ein. Durch die im Vorfeld des Festivals stattfindenden Produktionsresidenzen und die Koproduktionen, ermöglich durch die Förderung des Goethe-Instituts, werden Künstlerinnen und Künstlern zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit diese ihre Arbeit fortführen und weiterentwickeln können. Im Herbst 2021 ist ein Rückspiel der Produktionen nach Beirut durch das Goethe-Institut Libanon geplant. Dies wird in Zusammenarbeit mit der Libanesischen Vereinigung für Bildende Künste Ashkal Alwan umgesetzt. Vorausgesetzt, dass die Corona-Pandemie und die Situation im Libanon dies zulassen, planen wir alle in Frankfurt gezeigten Arbeiten einem Publikum im Libanon zugänglich machen.

Wir sind davon überzeugt, dass dieses Rückspiel und die Sichtbarkeit der entstandenen Arbeiten im Libanon gerade jetzt, wo die Kultur- und Kunstszene des Landes unter dem immensen Druck der Krise steht und viele Künstlerinnen und Künstler den Libanon verlassen, notwendiger ist denn je. Nicht zuletzt führt „This is not Lebanon“ unter der dramaturgischen und kuratorischen Verantwortung von Matthias Lilienthal, Rabih Mroué und Anna Wagner ein Programm mit außergewöhnlicher Interdisziplinarität zusammen. Es umfasst bildende Künste, Performace, Musik und ein Diskursprogramm. Ich bin darauf gespannt wie im Laufe des Festivals aus dieser Vielfalt ein differenzierter und facettenreicher Blick auf den Libanon entstehen wird. Und - wie es die Kuratorinnen formulieren - wie die Verstrickungen zwischen der Situation im Libanon und anderen Teilen der Welt sichtbar werden. Ich möchte Sie alle ermutigen die Chance zu nutzen mit einer Generation engagierter und aufstrebender Künstlerinnen und Künstler zur Zukunft des Libanon in dieser Komplexität nachzudenken und sie in den ausgewählten Arbeiten zu erfahren!

Abschließend möchte ich dem kuratorischen Team und den Produktionsteams von „This is not Lebanon“ danken, ebenso den Kooperationspartnern Frankfurt LAB mit dem Künstlerhaus Mousonturm und dem Ensemble Modern. Ermöglicht wurde „This is not Lebanon“ durch die Förderung der Kulturstiftung des Bundes, der Bundeszentrale für politische Bildung und der KfW Stiftung mit dem Frankfurt LAB. Ebenso geht mein Dank an die Kolleginnen und Kollegen am Goethe-Institut Libanon und in der Zentrale in München für Ihren Einsatz dieses Projekt zu ermöglichen. Und nicht zuletzt danke ich den beteiligten Künstlerinnen und Künstler von „This is not Lebanon“ und natürlich Ihnen allen für Ihr Kommen und Ihr Interesse!

Vielen Dank.

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