Johannes Ebert am 14. Mai 2022 in Berlin
Theatertreffen am 14.05.2022

Grußwort von Johannes Ebert zum Empfang des Theatertreffens am 14.05.2022 im Haus der Berliner Festspiele in Berlin

Sehr geehrte Yvonne Büdenhölzer, sehr geehrte Mitglieder des Beirats Theater und Tanz des Goethe-Instituts, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Internationalen Forums und der Themenreisen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Goethe-Instituts, liebe Gäste,

nach zwei Jahren findet das Theatertreffen wieder in Präsenz statt und ich freue mich sehr, Sie hier alle zum schon traditionellen Goethe-Empfang begrüßen zu dürfen. Endlich wieder eine Gelegenheit, mich nach langer Zeit mit einigen von Ihnen wieder austauschen zu können. Das Theatertreffen findet in diesem Jahr unter fast normalen Bedingungen statt. Die Theater sind voll und das Tragen von Masken ist nur noch eine Empfehlung. Stücke werden wieder hauptsächlich live gezeigt und nur noch wenige im Stream. Auch Empfänge und andere Veranstaltungen finden wieder statt, wenn auch etwas kleiner als früher, aber nach kurzem Zaudern fühlen sich diese Begegnungen bereits schon wieder fast ganz normal an. Und das ist gut so. Man könnte meinen, wir dürften wieder komplett aufatmen und zur Tagesordnung zurückkehren.

Aber leider geht das nicht. Ein schrecklicher Krieg tobt in der Ukraine mitten in Europa und ich weiß, liebe Yvonne Büdenhölzer, dass auch Sie und Ihr Team sich die Frage gestellt haben: darf man in diesen Zeiten überhaupt ein Theaterfestival machen?

Sie haben für sich diese Frage mit einem klaren “Ja“, ja sogar mit einem “wir müssen“ beantwortet. Gerade in diesen Zeiten muss Kunst und Kultur, muss Theater präsent sein und den Platz einnehmen, den Raum besetzen, den nicht demokratische Kräfte mehr und mehr infrage stellen. Dies nicht nur in Russland oder Belarus, sondern auch an vielen anderen Orten auf der Welt.

Auch das Goethe-Institut ist mit diesen Herausforderungen in seiner täglichen Arbeit konfrontiert und an einigen Orten können wir zurzeit gar nicht oder nur sehr eingeschränkt tätig sein, beispielsweise neben Kiew auch in Damaskus, Kabul oder Minsk. Städte und Regionen mit Konflikten, die auch nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Dieser Empfang markiert die Halbzeit des Theatertreffens, das traditionell die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Berlin zusammenführt. Ausgewählt von einer Fachjury sollen sie den gegenwärtigen Stand des deutschsprachigen Theaters abbilden.

Aber das Theatertreffen ist ja noch so viel mehr. Da gibt es einen Theaterblog von ausgewählte jungen Autorinnen und Autoren, Theaterbegeisterte, die das Theatertreffen journalistisch und künstlerisch insbesondere in den Sozialen Medien begleiten. In der Reihe Burning Issues verhandeln Sie virulente Fragen der Zeit und stellen Machtstrukturen im Theater und darüber hinaus infrage. Stets mit dem Gedanken im Hinterkopf, wie kann, wie soll das Theater der Zukunft aussehen. Nicht zu vergessen, der Stückemarkt, der internationale Stimmen und Performances aus aller Welt zusammenbringt.

Besonders hervorheben möchte ich das Internationale Forum, das in diesem Jahr 34 Theaterschaffende aus aller Welt für Theaterbesuche und Workshops für zwei Wochen in Berlin zusammenbringt. Die Teilnehmenden haben zwei Jahre gewartet und die meisten der ursprünglich Vorgesehenen konnten nun endlich kommen.

Das Goethe-Institut engagiert sich hier seit Jahren, aber in diesem Jahr freue ich mich ganz besonders, dass wir mit Alina Skoryk-Dorychevska und Oleksiy Dorychevsky zwei jungen Menschen aus der Ukraine zusätzlich die Teilnahme ermöglichen konnten. Genauso gerne haben wir das Theatertreffen unterstützt als Sie, Frau Büdenhölzer, mit der Bitte an uns herangetreten sind, ob wir die Lesereihe “Vom Krieg“ unterstützen könnten. Ukrainische und deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler lesen Texte, die von Mitgliedern des Theatre of Playwrights in Kiew geschrieben wurden und die über die aktuelle Kriegsgegenwart reflektieren. Initiiert wurde die Reihe von der Dramatikerin Anastasiia Kosodiі, die 2019 Stipendiatin des Internationalen Forums des Theatertreffens war und sich bereits seit Jahren mit der Gewalt in der Ukraine auseinandersetzt.

Liebe Frau Büdenhölzer, dies ist Ihre letzte Ausgabe des Theatertreffens, denn Sie haben entschieden zukünftig neue Wege zu gehen. Das Goethe-Institut und besonders das Team unseres Fachbereichs werden Sie schmerzlich vermissen, ich bin mir aber sicher, dass wir sie nicht aus den Augen verlieren werden und weiterhin in Kontakt bleiben werden.

In den letzten zehn Jahren haben Sie wie kein anderer Mensch das Theatertreffen geprägt und viele Akzente gesetzt, Schwerpunkte verschoben und neue Ideen eingebracht. Besonders zwei Verdienste möchte ich aber hervorheben. Sie haben mit großem Erfolg eine Frauenquote eingeführt und somit festgelegt, dass 50% der eingeladenen Inszenierungen von Regisseurinnen stammen müssen. Eine Entscheidung, die nicht unumstritten war und manch einen Kommentator sogar befürchten lies, dass zukünftig womöglich keine zehn Inszenierungen mehr gefunden werden könnten, die den Ansprüchen genügen. Inzwischen sind die Kritiker verstummt und der Erfolg gibt Ihnen Recht. Das wird bleiben!

Erwähnen möchte ich auch, dass sie mit dem Forum Ökologische Nachhaltigkeit im Theater und den sogenannten Green Ambassadors einen Ort zur Weiterbildung und Vernetzung zu Themen nachhaltiger Kulturproduktion geschaffen haben. Ein Thema, das Ihnen eine Herzensangelegenheit ist und über das wir heute noch im Rahmen von zwei Podiumsdiskussionen sprechen wollen. Ich freue mich, dass ich bei der Diskussion “Nobody Move, Nobody Get Hurt?“! mit Vertreterinnen und Vertretern der Theaterszene über Herausforderungen der internationale nachhaltige Kulturproduktion diskutieren darf. Wie Sie wissen, ist es eines unserer Kerngeschäfte, Menschen zum Austausch sprichwörtlich zu bewegen und wir fördern mit verschiedenen Instrumenten Koproduktionen, Gastspiele, Recherchereisen, Residenzen und andere Austauschformate in aller Welt und in allen Sparten. Hier wollen wir zukünftig den Kulturschaffenden einen starken Rahmen bieten und die Förderkriterien auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit bewerten.

Um den Titel der zweiten Podiumsdiskussion zu zitieren: Wir müssen, können, wollen nachhaltiger werden, denn daran führt kein Weg vorbei und kein Weg zurück.

Und in diesem Sinne freue ich mich auf zukünftiges Theater und viele spannende Theaterprojekte gemeinsam mit dem zukünftigen Team des Theatertreffens und Ihnen, unseren geschätzten Gästen.

Vielen Dank!
 

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