Eine Auswahl des digitalen Kulturangebots
Google Arts and Culture - Culture Online

Google Arts and Culture - Online BiH
© Goethe-Institut

Vor 9 Jahren wurde Google Arts and Culture (früher: Google Art Project) von der Google Cultural Institute Initiative in Kooperation mit 17 internationalen Museen (DE Alte Nationalgalerie und Gemäldegalerie, Berlin) als Plattform gegründet, damit die Öffentlichkeit Zugang zu Bildern zu Kunst in hoher Auflösung hat. Gigapixel Bilder sind das, die über 1 Milliarde Pixel verfügen. Das ist ein Feuerwerk, ein Big Bang an Datenmenge. Schon ein Jahr später wurde angekündigt, dass sich die Partnerschaften ausweiten und mehr als weitere 190 Museen und Kunstorganisationen hinzukommen. Heute sind es durchaus viele mehr. Die Idee für dieses Projekt ist bereits fast ein halbes Jahrhundert alt, als 1980 die ersten Museumsmitarbeiter*innen überlegten, wie man das Internet nutzen kann, um die Mission der Museumsinstitutionen (Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen) über Online-Plattformen zu erreichen.
 
Die Debatten um die Digitalisierung von Sammlungen und Ausstellungen und um Wertevermittlungen sind, wie auch die Geschichte des Projekts Google Arts and Culture zeigt, schon lange im Gange; die Einstellungen der Museumsexpert*innen dazu sind unterschiedlich. Nun sind aufgrund der Corona-Lage die Hüter der Kunst und Kultur tatsächlich darauf angewiesen, ihre Schätze für die Kamera zu entstauben und zurechtzuputzen, um sie für die ganze Welt salonfähig zu machen. Andererseits werden auch Objekte und Projekte in die Plattform einbezogen, die nicht dem traditionellen Verständnis von (hoher) Kunst und Kultur entsprechen, und die man vor einigen Jahrzehnten noch als trivial bezeichnet hätte. Die Annäherung institutioneller und nicht-institutioneller Initiativen ist durchaus zu begrüßen: Wir erleben eine neue Aufklärung.
                                                                                          
Eine der größten nicht-technologischen Herausforderungen für die Plattform ist wohl das Urheberrecht. Im Jahr 2008 wies der US-amerikanische Bundesrichter Denny Chin in Manhattan eine Vereinbarung von Google Inc. ab, die mit Autor*innen und Verlagshäusern getroffen wurde, Millionen Bücher online verfügbar zu machen. Begründet wurde dieser Beschluss, dem ein sechsjähriges Gerichtsverfahren vorausging, auf 48 Seiten, in denen zusammenfassend argumentiert wird, dass der $125 Milionen-Deal dem Internetgiganten die (wohl unfaire) Möglichkeit bietet, Bücher ohne Zustimmung der Urheberrechteträger*innen zu verwerten.
 
Es ist, zwölf Jahre nach diesem Beschluss, wohl höchste Zeit, sich an Walter Benjamin und an seinen im Jahr 1935 im Pariser Exil verfassten Aufsatz "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" zu erinnern - eine Schrift, die jetzt aktueller denn je erscheint. Vielleicht ist nun die Zeit gekommen, um die niederländische Kuratorin Mieke Bal zu zitieren, Objekte aus den musealen Einrichtungen, wo sie konserviert und ausgestellt werden, dem Lauf der Geschichte zu überlassen: Museums emerged with the colonization of the world; we are now facing the end of that phase in history that the project of conservation tried to freeze.
 
Stellen wir uns vor, Google Arts and Culture wäre ein Bahnhof. Um uns zurechtzufinden, erschaffen wir uns einen Überblick. Links oben ist eine Leiste zu sehen. Wenn man auf diese klickt, öffnet sich das Menü der Plattform. Wir stellen hier insgesamt fünft Projekte vor in den Menüabteilungen: Collections, Themes, Experiments, und Explore.

EXPLORE
360° videos

Bildende Kunst, Skulptur und Architektur sind hier virtuell aus allen Blickwinkeln zu entdecken. Falls Sie zum Beispiel noch nie in der Opéra National de Paris oder in den Königlichen Museen der Schönen Künste in Antwerpen waren, haben Sie hier die Möglichkeit, sich als Zuschauer auf der Bühne oder als Beteiligter im Gemälde zu fühlen. Im 360° Video zu Bruegels Meisterwerk "Der Sturz der rebellierenden Engel" werden zudem beispielsweise "alle verrückten Details" von einer angenehmen Frauenstimme erklärt.

EXPERIMENTS
Free Fall (NUR FÜR DESKTOP USER)

Achtung, bei schlechter oder langsamer Internetverbindung ist hier Frustration vorprogrammiert. Tausende Kultur- und Kunstartefakte im dreidimensionalen, virtuellen Raum wollen hi    er entdeckt werden. Nachdem Sie das Projekt starten, kommt Ihnen tatsächlich ein Big Bang an Artefakten entgegengeflogen und es liegt an Ihnen, wie Sie eine Auswahl treffen und was Sie sich ansehen wollen. Es gibt die Timeline-Option, um die Objekte im zeitlich chronologischen Zeitstrom anzuzeigen. Zum Glück, denn ohne Orientierungshilfe fühlt man sich hier schnell überfordert und verloren.

EXPERIMENTS Poemportraits (Auf Mobilgeräten funktioniert möglicherweise nicht)

Dieses Projekt kombiniert Poesie, Design und künstliche Intelligenz. Sie sind eingeladen, ein Wort Ihrer Wahl zu spenden (so tatsächlich der Ausdruck, eng. donate), welches in eine originelles zweiversiges Gedicht hineingeneriert wird. Das geschieht durch einen Algorithmus, der an über 25 Millionen Wörtern aus der Lyrik des 19. Jahrhunderts trainiert wurde. Die hier entstehenden Verse werden in ein unendlich erscheinendes kollektives Gedicht kombiniert. Jedes Wort, das Sie spenden, so die Initiatorin des Projekts, generiert ein unikates "Poemportrait" Ihres Gesichts, an dem die entstandenen Verse des Gedichts eingestrahlt sind. Achtung, nicht jedes Wort wird vom Algorithmus akzeptiert. Sie müssen kein Selfie machen, sondern können diesen Teil auch überspringen, um nur das Gedicht zu erhalten.

THEMES - Bauhaus Everywhere

In Zusammenarbeit mit der Bauhaus Stiftung Dessau ist hier ein Projekt enstanden, das kein durchschnittliches ist. In sehr anschaulischen, kurzen und knackigen Videos wird gezeigt, dass Bauhaus in Architektur, Kostüm-, Möbel- und Textildesign zu Hause ist. Hier erfahren Sie, was der Bauhausstil ist und was ihn auszeichnet. Es gibt eine "Intro", wo die Direktorin der Stiftung Bauhaus über Geschichte und weltweiten Einfluss dieser modernen Schule erzählt. Sie scrollen durch kompakte, mit Links versehene Texte auf dem Hintergrung von Fotografien, in die sie automatisch ein- und ausgezoomt werden, damit gewisse Statements hervorgehoben werden. Hier geht es von oben nach unten im Scrollverlauf. Die Auswahl der Direktorin "Director's Cut" mit ihren zehn Lieblingsstücken ist mit Mausklicks von links nach rechts und umgekehrt zu erforschen, übrigens mit Fotos auch in Farbe. Kurzum wird dieses Projekt mit Form und Inhalt dem Bauhausstil durchaus gerecht und macht Spaß.
 

COLLECTIONS - National Gallery of Bosnia and Hercegovina

Die bosnisch-herzegowinische Nationalgalerie ist mit fünf online-Ausstellungen vertreten. "Two Stories, One Collection" zeigt die Werke Ferdinand Hodlers zwischen 1873 und 1915 aus der Sammlung Jeanne Charles Cerani Ćišić. Die ständige Ausstellung "Intimicies of Space: Interior and Exterior" mit Texten aus dem 2015 herausgegebenen Ausstellungskatalog sind in zwei getrennten "stories" zu genießen. Last but not least wird die Schaffenskunst von Đoko Mazalić (1888-1975), die in den 1920er und 1930er Jahren von großem Einfluss aus das kulturelle Leben in Sarajevo war, in zwei "stories" gezeigt. Angenehm ist es, durch die zwar kleinen aber feinen online-Ausstellungen zu stöbern und zugleich die kuratorischen Texte zu den Kunstwerken vor Augen zu haben.
 

Kultur über Facebook und Youtube in Bosnien-Herzegowina

In Bosnien-Herzegowina, ähnlich unter den Balkanländern, wird versucht, das kulturelle Leben überwiegend über Social Media und Youtube auf die Bildschirme ins Haus zu bringen. So erinnert man sich daran, dass nicht einmal zu Kriegszeiten kulturelle Institutionen ihre Tätigkeit aufgegeben hatten, sowie der terapeutischen Rolle von Kultur in der Gesellschaft. Eine optimistische Einstellung ist es, wie sie die Intendantin des Kroatischen Nationaltheaters in Zagreb pflegt, dass über virtuelle Kanäle ein anderes Publikum erreicht wird. Und dieses neue Publikum wird später auch in die Häuser kommen.
 

Zwei Häuser, zwei Wege

Das BOSNISCHE NATIONALTHEATER Zenica und das NATIONALTHEATER Sarajevo stellen Aufführun gen online auf Youtube, allerdings sind beim Letzteren, Achtung, die Aufhnamen nur im Live-Stream zur angekündigten Stunde zu sehen. Das Momentum des Schnitts will hier sicher mitbedacht werden; begrüßenswert wäre es, wenn man sich in Fach- und Kulturkreisen über die Möglichkeiten der Verzahnung von Methoden des Films und des Theaters austauschen würde. Wenn man Rohmaterial von Aufnahmen neu arrangiert, schafft man beispielsweise ein neues Stück.

Da für unsere Kleinen

Alle Mühe gibt sich das THEATER DER JUGEND Sarajevo, mit seinem jungen Publikum im Austausch zu sein. Kinder und Eltern werden beispielsweise auf Facebook dazu aufgerufen, nachträglich zu den Youtube-Premieren ihre Zeichnungen und Bilder zuzuschicken.

Digitale Sammlungen

Auch die NATIONALE UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK von Bosnien-Herzegowina teilt ihre digitale Sammlung über einen Link. Man bekommt das Gefühl, dass man mitten in eine Datenbank zugreift, in der Fotos von originellen Zeitungsseiten, Handschriften, Karten usw. zwar etwas umständlich, jedoch in hoher Auflösung zu begutachten sind. Der Besuch ist eher etwas für Schatzjäger*innen und Forscher*innen, da man Orientierungsgeschick und Geduld mitbringen muss.

Damit wir nicht vergessen

Das HISTORISCHE MUSEUM Sarajevo bringt mit einem herzlichen "Märchen über das Museumskönigreich" Kindern nicht nur spielerisch und animiert die Welt der Exponate des Museums, sondern auch ihre Umwelt aufklärerisch näher. In Zusammenarbeit mit Arbeiter*innen der Gewerkschaft für Handel und Dienstleistungen ist eine kleine virtuelle Ausstellung entstanden, "Geschichten über würdevolle Arbeit", um die Erinnerungskultur an die Entwicklungsgeschichte der Arbeiterrechte in Bosnien-Herzegowina zu pflegen. Das Haus ist ein gutes Beispiel dafür, dass man trotz schwieriger Umstände und Voraussetzungen immer einen Weg finden kann, die Exponate dem Publikum nahe zu bringen. Und dass es dafür nicht unbedingt der neuesten Softwareprogramme bedarf. Wo ein Wille, da auch ein Weg, sagt man ja so schön.