Interview mit Gantala Press und Nina Martinez
Einem Volk, das in seinem Willen vereint ist, kann nichts im Wege stehen

Gantala Press und Nina Martinez
© Gantala Press und Nina Martinez

Wie haben Sie von der Protagonistin, die Sie in Ihrem Comic vorstellen, erfahren?

Gantala Press: Auf den Philippinen gibt es viele indigene weibliche Führungspersönlichkeiten. Als dann die Ausschreibung des Goethe-Instituts veröffentlicht wurde, Beiträge einzureichen, war es daher nur eine Frage der Wahl, über welche Frau man schreiben wollte. Um sicherzustellen, dass unsere Arbeit mit der porträtierten Protagonistin wirklich kollaborativ ist, haben wir nach einer Community gesucht, mit der wir bereits Kontakt hatten oder von der wir eine Koordinatorin kannten. So stießen wir auf Mother Tining. Wir wussten zunächst nicht, in welchem Maße Frauen im Kampf gegen den Damm am Fluss Chico beteiligt sind, aber der Kampf selbst ist ein wichtiger Teil der Geschichte der indigenen Gruppen auf den Philippinen.

Nina Martinez: Als die Ausschreibung veröffentlicht war, sendete ich sie an Gantala und bekundete mein Interesse. Bei Gantala wusste man schon davon und dann schickte man mir die Geschichte von Mother Tining mit der Frage, ob ich mit ihnen daran zusammenarbeiten wollte. Ich hatte zum ersten Mal von ihnen und den Kampf gegen den Damm des Chico gehört.

Warum sollte die Welt mehr über die Protagonistin Ihres Comics erfahren?

Gantala Press: Der Sieg im Kampf gegen den Damm des Chico ist nach wie vor ein herausragender historischer Sieg für indigene Gruppen der Cordillera. Mit der Entscheidung, die Geschichte des Siegs zusammen mit der Geschichte von Mother Tining nachzuerzählen, möchten wir jungen Menschen eine Botschaft der Hoffnung senden und unsere Solidarität mit Indigenen, deren Kampf andauert, überall auf der Welt zum Ausdruck bringen. Die Geschichte von Mother Tining und damit auch die größere Geschichte der Menschen der Cordillera ist eine ermutigende Mahnung, dass einem Volk, das in seinem Willen vereint ist, nichts im Wege stehen kann.

Was war die überraschendste Entdeckung während Ihrer Recherchen?

Gantala Press: Für uns war es weniger eine überraschende Entdeckung als eine Bestätigung dafür, wie kreativ, stark und unerschütterlich indigene Frauen in ihrem Kampf für die Rechte ihres Volkes sind. Nichtsdestotrotz gehören zu den vielen wunderbaren Entdeckungen während unserer Recherche die Traditionen und Sprachen der indigenen Kulturen der Cordillera, die dortige Tattoo-Kunst und die Musik der Band Salidummay DKK.

Was bereitete Ihnen bei der Projektarbeit am meisten Freude?

Die tatsächliche Zusammenarbeit mit den am Projekt beteiligten Menschen. Von den Workshops, Recherchen und Beratungen über das Schreiben und Editieren bis hin zu den Mentoring-Gesprächen mit Amruta und Ninas Kunst, es war alles eine Freude. Ein weiterer Beweis für uns, dass alles Schöne im gemeinsamen Tun entsteht.

Nina Martinez: Für mich war es eine Freude, die literarischen Texte zu lesen, die Gantala Press mit mir während der Recherchezeit geteilt hat, und das, worüber ich gelesen habe, in meine Kunst zu integrieren. Ich habe es wirklich genossen, den Comic selbst zu illustrieren. Ich fühlte mich eng mit der Geschichte verbunden, wenn ich den Pinsel auf das Papier brachte.

Was konnten Sie in den Workshops, den Mentorings und von anderen Teilnehmenden lernen?

Gantala Press: Ich habe so viel dabei gelernt von all diesen Geschichten aus aller Welt. Es hilft, bestimmte Perspektiven im Geschichtenerzählen und Kunstschaffen neu zu definieren und zu gestalten. Mentoring unter einer*m wunderbaren Lehrer*in ist im Prozess unerlässlich – Mentor*innen können die Lücken erkennen, Potentiale aufzeigen und Fragen stellen, die zu transformativen Prozessen führen. Wir haben auch erkannt, wie wichtig es ist, Feedback-Schleifen zu haben, die mehrere Durchläufe in der Produktion ermöglichen. Die Schleife sorgt für eine großartige Lernerfahrung – im Laufe des Prozesses teilen alle, alle werden besser.

Nina Martinez: In Gesprächen mit anderen Teilnehmenden fand ich das Gemeinschaftsgefühl, das wir aufbauten, sowohl ermutigend als auch motivierend. Aus vielen Teilen der Welt hatte ich noch nie zuvor etwas gehört – vor allem im Nahen Osten oder einige Länder Südamerikas – und den Menschen aus diesen Teilen unmittelbar zuzuhören, war manchmal fast überwältigend. Besonders geschätzt habe ich die Mentoring-Gespräche mit Amruta Patil, in der ich ein neues Vorbild gefunden habe. Mit ihren Hinweisen zu Charakterisierung, Tempo und Setting fand ich selbst die zähen Teile der Illustration kreativ anregend und erfreulich: Massenszenen, Übergangs-Panel, Hintergründe. Durch ihre Anleitung werde ich mich nun immer daran erinnern, dass Comics nicht mit Erzählung gefüllt werden sollten, sondern mit Leben.

Welcher Aspekt im Verlauf des Prozesses war für Sie besonders herausfordernd?

Gantala Press: In Bezug auf das Storytelling ging es darum, den narrativen Fokus zu finden, was für uns gleichbedeutend mit Stimme ist. Mit der Hilfe unserer Mentorin fanden wir heraus, dass sich die Geschichte im Dialog zwischen Alt und Jung entspinnt. Dies richtig anzugehen zeigte uns, wie wir mit Zeit umgehen und den Metaphern Raum geben.

Nina Martinez: Wir hatten eine Recherchereise nach Baguio geplant, doch die Pandemie machte uns einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen vertrauten wir auf unsere sehr engagierte und großzügige Kontaktgruppe, Innabuyog-Gabriela, die uns Fotos und Videos von der Umgebung und von Mother Tining selbst schickte. Dieses Material verwendete ich als meine visuellen Referenzen. Ich werde es immer bedauern, die Region im Vorfeld unserer Produktionsphase nicht persönlich besucht haben zu können. Beim Zeichnen des Comics musste ich sehr darauf achten, ein greifbares, stimmiges Setting zu schaffen.

Wie versuchen Sie, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben?

Gantala Press: Wir werden die Comics auf den Philippinen drucken lassen und ein Drittel der Exemplare an Innabuyog-Gabriela senden, der indigenen Frauengruppierung, von der Mother Tining ein Teil ist. Sie können die Bücher verkaufen, um den fortgesetzten Kampf der Kalinga gegen die wirtschaftliche Ausbeutung der Natur zu unterstützen.

Wie sollte es idealerweise nach der Veröffentlichung des Projekts weitergehen?

Gantala Press: Dass wir dazu beitragen können, die laufenden Kampagnen der Organisationen Indigener in der Cordillera zu unterstützen. Das Buch soll unser Beitrag dafür sein, das Bewusstsein für ihren Kampf für das Land ihrer Vorfahren und für ihre Rechte zu stärken.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Nina Martinez: Mit diesem Projekt habe ich persönlich eine meiner Berufungen gefunden, nämlich mehr mit ländlichen und/oder indigenen Kollektiven auf den Philippinen zusammenzuarbeiten und deren Anliegen auf die ein oder andere Weise mit meiner Illustrationsarbeit zu unterstützen. Ich bin in Metropolregion Manila geboren und aufgewachsen und habe mein ganzes bisheriges Leben dort verbracht. In meinen früheren Comic-Arbeiten habe ich mich nur mit dem urbanen Umfeld und mit urbanen Themen beschäftigt. Ich habe die überwältigende Fülle an ländlichen und indigenen Geschichten und Stimmen erkannt, die künftig verstärkt werden könnten, ganz zu schweigen von der Schönheit der Natur (und ihrer Zartheit), die all das umgibt.

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