Life of Muslims in Germany
Studienreise gewährt Einblicke in das Leben von Muslimen in Deutschland

Studienreise - Life of Muslims in Germany
© Goethe-Institut/Bernhard Ludewig


Die Reise zeigte den Teilnehmern, die in ihrer Heimat als Muslime zu einer überwältigenden Mehrheit gehören, wie sich umgekehrt die Situation der muslimischen Minderheit in Deutschland darstellt. Dies öffnete den Raum für intensive Diskussionen und angeregte Dialoge.



Während der zweiwöchigen Reise hatten die 14 Teilnehmer – sieben Frauen und sieben Männer, die aus ganz Indonesien stammten – die Möglichkeit, einen Einblick in das Alltagsleben von Muslimen in Deutschland zu erhalten. Durch Gespräche und Begegnungen mit Vertretern von muslimischen Organisationen, Politikern und Akademikern sowie Besuche in Museen, Universitäten, Moscheen und Kirchen konnten sich die Teilnehmer einen realistischen Eindruck von dem Leben der Muslime in Deutschland vor Ort verschaffen und selber mögliche Antworten auf die Fragen nach Integration, friedlichem Miteinander und Konfliktpotential finden.
 
Gleichzeitig zeigte die Reise den Teilnehmern, die in ihrer Heimat als Muslime zu einer überwältigenden Mehrheit gehören, wie sich umgekehrt die Situation der muslimischen Minderheit in Deutschland darstellt. Dies öffnete den Raum für intensive Diskussionen und angeregte Dialoge.
 
Eine Seminarreihe, die von Dr. Susanne Kaiser, Journalistin und Expertin für Islam in Deutschland, geleitet wurde, deckte den theoretischen Teil der Studienreise ab: von der Geschichte der ersten Gastarbeiter in Deutschland zu den Hinterhofmoscheen in Berlin und der Rolle des Islam in Politik und Gesellschaft.
 
Besuche an verschiedenen Universitäten in Berlin, Göttingen und Hamburg – Einrichtungen, an denen man Religions- und auch Islamwissenschaften studieren kann – hinterließen einen nachhaltigen Eindruck, insbesondere bei den Teilnehmern, die selbst in Indonesien als Lektoren oder Dozenten tätig sind. Als besonders interessant empfanden sie die Gegenüberstellung von Glaube und Wissenschaft. Nicht-konfessionelle Islamwissenschaft verlangt von den Studierenden, sich kritisch mit dem Koran auseinanderzusetzen und ermöglicht so pluralistische Interpretationsmöglichkeiten – etwas, das in Indonesien, wo die Studiengänge konfessionell ausgerichtet sind, in dieser Form nicht möglich ist.


Moscheen als Begegnungsstätten

In unterschiedlichen Moscheen in Berlin trafen die Teilnehmer eine Reihe von Gemeindemitgliedern und informierten sich über die hiesigen Aktivitäten, wie beispielsweise in der Dar Assalam Moschee und Begegnungsstätte in Berlin-Neukölln.
 
Die Şehitlik-Moschee, erbaut nach der osmanischen Architektur, dient den Muslimen in den benachbarten Bezirken als Gebetsstätte, aber beinhaltet auch ein kulturelles Zentrum für andere religiöse und gesellschaftliche Aufgaben. So befindet sich auf dem Gelände auch eine BAHIRA Beratungsstelle. Als Kooperationsprojekt von Violence Prevention Network und der DITIB – Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. – trägt BAHIRA zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Moscheegemeinden beim Thema Radikalisierungsprävention bei. Zugleich beabsichtigt BAHIRA, die Moscheegemeinden als Orte und als „Anbieter“ von Radikalisierungsprävention zu etablieren.
 
Ein Besuch in der Ibn Rushd Goethe Moschee, die vor einem Jahr eröffnet wurde und kontroverse Reaktionen hervorrief – auch unter Muslimen selbst – war ein weiterer Termin, den die indonesischen Teilnehmer wahrnahmen. In der liberalen Moschee, die auch Homosexuelle willkommen heißt, gibt es einen weiblichen Imam, und Frauen und Männer beten gemeinsam. Für die indonesischen Teilnehmer war dies Neuland – und so fielen auch die Reaktionen sehr unterschiedlich aus.
 
Auch Begegnungen auf politischer Ebene waren Teil des Programms: Besuche im deutschen Bundestag, dem Auswärtigen Amt und im Innenministerium brachten die Indonesier mit teilweise hochrangigen Politikern zusammen. In Gesprächen diskutierte man über Außenpolitik und die Rolle des Islam sowohl in Deutschland als auch in Indonesien.
 
Die Gruppe nahm auch an einer Führung durch den Berliner Stadtteil Neukölln teil. Im Bezirk Neukölln lebt der größte Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. 40 Prozent der Menschen im Bezirk Neukölln haben einen nicht-deutschen Familienhintergrund, wobei ein Viertel von ihnen muslimischen Glaubens sind – mit ansteigender Tendenz. In der „Orient Rösterei“ in der Sonnenallee wurden die Teilnehmer nicht nur mit Köstlichkeiten wie Datteln, Nüssen und Kaffee versorgt, sondern konnten im Gespräch mit dem Besitzer auch mehr über die Geschichte der Sonnenallee und den Bezirk Neukölln im allgemeinen erfahren, in dem man „sein ganzes Leben lang wohnen kann, ohne auch nur ein Wort Deutsch zu sprechen“.


Dialog der Religionen

Die Junge Islam Konferenz (JIK), ein Dialogforum für junge Menschen, greift Fragen zu einem konstruktiven und gleichberechtigten Zusammenleben in der deutschen Einwanderungsgesellschaft auf. Durch Veranstaltungen und Netzwerkarbeit versucht die JIK, durch persönliche Begegnungen Vorurteile abzubauen und junge Menschen dazu zu ermutigen, sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft auszusprechen und einzusetzen. Als die indonesische Gruppe im Büro der JIK vorbeikam, entstanden lebhafte Diskussionen und ein reger Austausch, bei dem beide Seiten voneinander lernen wollten und konnten.
 
Auch ein Besuch in der St. Marienkirche stand auf dem Programm; für viele der indonesischen Teilnehmer war es das erste Mal, dass sie eine Kirche betraten. Im Anschluss daran führte Pfarrer Eric Haußmann die Gruppe zum „House of One“, ein Haus der Begegnung, das eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge unter ein Dach bringt, „für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen und ein Haus auch für die, die keiner Religion angehören“. Der Baubeginn ist für 2019 geplant; momentan steht auf dem Gelände ein Pavillon, in dem man sich nicht nur über das Konzept informieren kann, sondern wo jetzt schon regelmäßig Veranstaltungen und Programme stattfinden. „House of One“ ist ein Projekt, das es so auf der Welt noch nie gegeben hat.
 
Trotz des straffen Zeitplans blieb auch noch Zeit für die „schönen Dinge des Lebens“, wie zum Beispiel Stadtführungen in Berlin und eine Hamburger Hafentour, während die an Fußball interessierten Teilnehmer die Gelegenheit hatten, sich gemeinsam mit anderen Fans im Rahmen eines „Public Viewing“ die Halbfinalspiele und das Finale der Weltmeisterschaft in Russland anzusehen.
 
In der verbleibenden freien Zeit erkundeten die Teilnehmer Berlin oder erledigten Einkäufe – dennoch gab es einige, die ihre letzten Stunden in Deutschland dazu nutzten, noch einmal an bereits gesehene Orte zurückzukehren, um sich weitere, tiefer gehende Eindrücke zu verschaffen. So besuchte einer der Teilnehmer erneut die Ibn Rushd Goethe Moschee, die er als „aufschlussreich und erhellend“ empfand.
 
In der Abschlussdiskussion wurde deutlich, dass am Ende des zweiwöchigen Aufenthaltes ein positiver Eindruck vom muslimischen Leben in Deutschland überwog: gelungene Integration und erfolgreiche Karrieren wurden als Beispiele genannt. Besonders hervorgehoben wurde auch die Tatsache, dass die unterschiedlichen muslimischen Gruppen wie Sunniten, Aleviten, Schiiten, Alawiten oder Ahmadiyya. größtenteils friedlich miteinander umgehen. Auch dies ist, im indonesischen Kontext, keine Selbstverständlichkeit.
 
Dennoch wurde eingeräumt, dass es natürlich Reibungsflächen und Konfliktpotential gibt, besonders im Zuge der Flüchtlingskrise, wegen der die Anzahl der Muslime in Deutschland in den vergangenen Jahren noch einmal angestiegen ist. Momentan leben dort knapp fünf Millionen Muslime. Die möglichen Folgen internationaler politischer Faktoren können auch in der Lebensrealität und dem Alltag der Muslime in Deutschland Wirkung zeigen.
 
Wie Dr. Heinrich Blömeke, der Leiter des Goethe-Instituts Indonesien, sagte, wurden die Teilnehmer unter anderem auch in ihrer Funktion als Multiplikatoren in religiösen und öffentlichen Bildungseinrichtungen oder Medien ausgewählt, so dass sie nach der Reise ihre Eindrücke und Erfahrungen in Indonesien vermitteln können. In einer Zeit, in der der sogenannte Rechtspopulismus einen neuen Aufschwung erfährt, sind interreligiöse- und kulturelle Studienreisen und Projekte wichtiger denn je. In dieser Hinsicht ist „Life of Muslims in Germany“, das auch im nächsten Jahr wieder stattfinden soll, ein wichtiger Bestandteil im Dialog der Religionen
 

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