Frankfurter Buchmesse
Indonesische Literatur – die Entdeckung einer neuen Welt

Auf der Frankfurter Buchmesse 2015 ist Indonesien Gastland
Auf der Frankfurter Buchmesse 2015 ist Indonesien Gastland | Foto (Ausschnitt): Frankfurter Buchmesse

Lyrik als Verkaufsschlager, Autoren als Selbstvermarkter – die indonesische Literaturszene tickt anders. Manch ein Werk hat sich einen kleinen Platz auf der literarischen Weltkarte gesichert.

Hunderte von Zuhörern lauschen gebannt und bestens unterhalten einer Lyrik-Lesung. Während solche Szenen in Deutschland eher selten zu beobachten sind, ist die als Performance dargebotene Lyrik, mündlich und durchaus dramatisch vorgetragen, in Indonesien sehr beliebt. Das literarische Leben ist in Indonesien anders als in Europa. Das liegt nicht etwa an einer schwachen Alphabetisierungsquote. Diese ist mit 93 Prozent sehr hoch. Es liegt auch nicht an der Zahl der Verlage. Mehr als 1.400 sollen es schätzungsweise sein. Der Grund ist vielmehr, dass Bücher und Lesen im Alltagsleben der Indonesier weniger stark verwurzelt sind als in Deutschland. Von der indonesischen Literaturszene können sich die Besucher der Frankfurter Buchmesse 2015 ein eigenes Bild machen. Dann präsentiert Indonesien als Gastland seine Literatur.

„Lyrik oder Kurzgeschichten haben es bei der indonesischen Kundschaft generell leichter als Romane“, erklärt Holger Warnk, Bibliothekar im Fachbereich der Südostasienwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und ein Kenner Indonesiens. Warnk unterscheidet dabei noch einmal Populärromane von den anspruchsvolleren Werken. Letztere haben es am schwersten und werden meist nur in einer Auflage von 2.000 Stück herausgebracht. „Viel besser läuft derzeit muslimische Erbauungsliteratur.“ Auch Persönlichkeitsratgeber und Krimis verkaufen sich, aber es sind die internationalen Klassiker wie Patricia Highsmith und Agatha Christie, zu denen im Krimigenre gegriffen wird.

Gesellschaftlich kaum relevant

Indonesien wird jedoch mit anderen Büchern seinen Auftritt in Frankfurt bestreiten. Denn es gibt sie durchaus: Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich mit ihrem Land, seiner jüngeren Geschichte und der aktuellen gesellschaftlichen Situation auseinandersetzen. Nur eben jenseits von hohen Verkaufszahlen. Auch in Bezug auf den Vertrieb haben es anspruchsvollere Bücher nicht leicht: So sichert sich das größte Verlagshaus des Landes, die Handelskette Gramedia, zwar immer wieder Rechte für Veröffentlichungen kleinerer Verlage. „Aber wenn da eine Auflage vergriffen ist, wird oft nicht mehr neu geordert“, sagt Warnk. Laufen die Verträge für Veröffentlichungen dann aus, sind kleine Verlage wieder am Zug. Hierin mag ein Grund liegen, warum es in Indonesien viele kleine und Kleinstverlage gibt.

Besonders gut aufgestellt sind viele Autoren in Sachen Eigenvermarktung. Die von der Insel Java stammende Dewi „Dee“ Lestari etwa, zunächst vor allem als Musikerin bekannt, veröffentlichte ihren Debütroman Supernova in Eigenregie und verkaufte ihn in einer Shopping Mall in Jakarta. Das war im Jahr 2001. Und auch die momentan wohl bekannteste Autorin Indonesiens, Ayu Utami, ist ohne großen Verlag im Hintergrund erfolgreich. Ihr Roman Saman wurde bereits 1998 ins Deutsche übersetzt.

Neue Generation weiblicher Autoren

Dewi Lestari und Ayu Utami stehen für eine weitere Besonderheit des zeitgenössischen indonesischen Literaturbetriebs. Es sind vor allem Frauen, die seit dem Sturz von Diktator Suharto im Jahr 1998 Bewegung in die Literaturszene brachten. Zu ihnen gehören auch Oka Rusmini und Djenar Maesa Ayu. Ihre Bücher beschäftigen sich mit der Rolle der Frau in Indonesien. Sie greifen auch schwierige Themen auf, etwa die Zwangsverheiratungen von Frauen auf Bali.

In Deutschland erfolgreich waren vor diesen Schriftstellerinnen einzig Autoren wie Putu Oka Sukanta, Yusuf B. Mangunwijaya und vor allem Pramoedya Ananta Toer – weil sie regimekritisch waren. Vor allem Pramoedya Ananta Toer genoss schon in den 1970er-Jahren in Deutschland eine besondere Aufmerksamkeit. Während seiner Inhaftierung auf der Gefangeneninsel Buru machte er Erfahrungen, die die Grundlage für sein Hauptwerk bilden, die Buru-Tetralogie. In vier Romanen setzte er sich mit der niederländisch-indischen Kolonialzeit und den frühen indonesischen Freiheitsbewegungen auseinander. Auch Günter Grass wurde in den 1970er-Jahren auf den Autor aufmerksam und förderte ihn. Grass wurde einmal mit den Worten zitiert, dass die Bücher von Pramoedya Ananta Toer uns das „verschlossene Inselreich Indonesien und dessen wechselvolle Geschichte eröffnen“.

Kleine deutsche Verlage mit Engagement

Deutlich gestiegen ist das Interesse in Deutschland aber erst mit der neuen Generation von Autorinnen seit 1998. Am stärksten hat sich der Horlemann Verlag für Romane aus Indonesien eingesetzt. Zur Frankfurter Buchmesse führen auch der Weidle Verlag oder das Verlagshaus J. Frank neue oder neu übersetzte indonesische Literatur im Programm. Auch das zeigt: Es sind eher die kleinen Verlage, die sich hier engagieren. Ein Schwergewicht der deutschen Verlagsszene überzeugt hat indes Andrea Hirata. Mit Die Regenbogentruppe weckte er das Interesse des Carl Hanser Verlags. Dort erscheint jetzt auch sein frisch übersetzter Fortsetzungsroman Der Träumer.

Vielleicht dürfen sich bald auch andere indonesische Autoren über mehr Aufmerksamkeit in Deutschland freuen – die Frankfurter Buchmesse jedenfalls ist dafür eine wichtige Plattform.

Top