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Nachhaltigkeit im Deutschunterricht
Ein Erfahrungsaustausch mit Laura Rizzato

Gruppenarbeit mit Schüler*innen mit digitalen Medien
Foto (Zuschnitt): © Colourbox.com

Ob Landeskunde, Methodik und Didaktik oder Erweiterung der Sprachkompetenzen – das Goethe-Institut bietet Deutschlehrenden ein umfangreiches Fort- und Weiterbildungsangebot. Um Deutschlehrer*innen den Zugang zu diesem Angebot zu erleichtern, bietet die Bildungskooperation Deutsch jährlich eine begrenzte Anzahl an Plätzen für Stipendienbewerbungen. In unserem Interview berichtet uns Laura Rizzato, Deutschlehrerin am Gymnasium „F. Corradini“ von ihren Erfahrungen.

Von Ferdinand Krings

Sie haben als Thema Ihrer Fortbildung Energiewende, Ökologie, Nachhaltigkeit gewählt. Warum genau diese Wahl?
 
Ich habe mich für das Thema entschieden, weil ich merke, wie sehr das Leben der Jugendlichen, also auch das meiner Schüler*innen, von nachhaltigen Trends und Phänomenen beeinflusst wird. Die junge Generation ist zunehmend nicht nur für die hohen Ziele der Bewegung Fridays for Future empfänglich, sondern sie profitiert ganz konkret von den umweltfreundlichen Angeboten der sogenannten Wirtschaft des Teilens. Denken wir dabei nur an den Erfolg von Apps für den Kleidertausch oder Plattformen für Car-, Wohn- und Foodsharing und an die Gemeinschaftsgärten.

Dass man teilen und tauschen statt kaufen kann, ist für mich eine sehr faszinierende Perspektive. Der digitalen Generation ist der materielle Besitz nicht mehr so wichtig. Wichtig ist, dass die Sachen digital zur Verfügung stehen. Die Sharing Economy wird vermutlich in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen, und das ist der Grund, warum ich eine auf Umwelt ausgerichtete Fortbildung gewählt habe.

Können Sie uns kurz beschreiben, wie der Kurs aufgebaut ist?

In der ersten zehnstündigen asynchronen Phase haben wir uns dank der interaktiven Goethe Plattform aus der Ferne vorgestellt und kennengelernt, wir haben über unser Ökoverhalten und über die Umweltpolitik in unserem Land nachgedacht und auf die Überlegungen der anderen reagiert und sind schließlich in drei Gruppen eingeteilt worden. Jede Gruppe hat sich mit einem der drei Titelwörter beschäftigt und die Aufgabe bekommen, eine Präsentation für die Online Live Phase vorzubereiten.

Nachdem jede Gruppe ihr Thema präsentiert hat, haben wir in der einwöchigen Online-Phase jede Menge Materialien zu Fragen wie Plastikflut, Wasserverbrauch, Ernährung und Fastfashion in Betracht gezogen. Dabei haben wir mögliche Alternativen erkannt und gesehen, wie das Material didaktisch und methodologisch eingesetzt werden kann. Im Laufe der eingeplanten Gruppenaktivitäten ist ein reger Gedankenaustausch zustande gekommen und nicht zuletzt ein nettes Arbeitsklima. In Paaren haben wir schließlich eine Unterrichtseinheit zu einem der vorgeschlagenen Aspekte entwickelt. In der zweiten für den Monat November eingeplanten asynchronen Phase soll jeder von uns ein Praxiserkundungsprojekt (Mini-PEP) zu einem Umweltthema vorstellen.

Durch die von der Fortbildung ausgehende menschliche und professionelle Bereicherung bin ich mit Energie und Unternehmungslust ins neue Schuljahr gestartet.

Welche weiteren Themen liegen Ihren Schüler*innen am Herzen?

Es ist meinen Schüler*innen wichtig, ihre Kommunikationsformen und Interessenbereiche im Unterricht wiederzufinden. So werden sie aktiv mit einbezogen, wenn von der digitalen Welt die Rede ist und wenn digitale Unterrichtstools genutzt werden. Schüler*innen haben ihre Vorbilder im Netz. Meinen Schüler*innen gefällt es also, wenn wir uns Influencer*innen, Blogger*innen und YouTuber*innen widmen. Engagement ist dabei nicht ausgeschlossen, denn diese Kategorien beschäftigen sich auch mit seriösen Themen wie alternativen Reisen, Lektüren oder eben Umwelt. Sinnfluencer*innen können z.B. im Unterricht gut eingesetzt werden.

Meine Schüler*innen sind oft auch Kunstfans und haben Freude daran, wenn wir deutsche Kunstwerke behandeln, denn sie veranschaulichen Themen, die sie bei anderen Kulturen und in der Literatur wieder finden, und sie bringen die Innenwelt des modernen Menschen zum Ausdruck.

Welche Rolle spielt die Motivation der Schüler*innen beim Lernen einer Fremdsprache wie Deutsch?

Die Motivation und die Freude an der Fremdsprache sind beim Lernen der deutschen Sprache unentbehrlich, zumal sie für Italiener*innen nicht so leicht verständlich ist, wie die romanischen Sprachen. Während die Aussprache und die Verbalformen des Deutschen nicht so kompliziert ausfallen, können Artikel und Kasusendungen recht anstrengend sein.

Motivation kann dadurch entstehen, dass man sich dessen bewusst wird, wie nützlich die deutsche Sprache auf dem Arbeitsmarkt ist, aber der Antrieb muss auch von innen kommen und im Laufe der didaktischen Aktivitäten gefördert werden. Dazu hilft die Kombination aus projektorientiertem Unterricht und Einsatz von digitalen Tools.

Fest steht, dass man keine Fremdsprache ohne das eher trockene Grammatiküben und ohne die damit verbundene Evaluation unterrichten kann, aber die Theorie kann dadurch zur Praxis werden, indem die Sprachkenntnisse zum einen auf die Realität bezogen und zum anderen auf moderne und attraktive Art erworben werden. Ein nachhaltiges Rezept erfinden, eine Kurzgeschichte in einem Video dramatisieren, ein bekanntes Kunstwerk durch ein persönliches Foto neu interpretieren, ein Werbeplakat oder einen Flyer kreieren, sogar eine Webseite für eine Firma oder ein Geschäft gestalten, ein neues Produkt für den deutschen Markt entwerfen und dafür werben, wie im Projekt Unternehmen Deutsch vom Goethe-Institut, das alles ist handlungsorientiertes Lernen mit digitalem „Pep“.  

Die Möglichkeiten zum Austausch und zur Anwendung der deutschen Sprache sind wichtig. Wie könnte man die steigern?

Austausch und effektive Anwendung der deutschen Sprache können durch kollaborierende Plattformen gesteigert werden, d.h. Applikationen, dank denen jeder/e Schüler*in sieht und/oder hört, was die anderen machen und gelegentlich darauf mit Kommentaren reagiert. Kollaborierende Tafeln, Pinnwände für Texte, Bilder und Audioaufnahmen, Videopinnwände, Debattenplattformen ermöglichen es, dass Lernende sich nicht als einzelne leistungserbringende Subjekte empfinden, sondern als Teil einer Gemeinschaft, in der jeder von den Beiträgen seiner Mitschüler*innen profitiert.

Haben Sie ein Schlusswort für unsere Leser*innen?

Zum Schluss vielleicht ein Wort zu der Motivation der Lehrenden. Wenn im Schulalltag der Schwung abhandenkommt, denke ich an die inspirierenden Worte, die Faust im ersten Teil der Tragödie an seinen Famulus, den Gelehrten Wagner, richtet, der das Wissen als nüchterne Anhäufung von Fakten betrachtet:

Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt [...]
[Ihr werdet] nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht. 
    

Quelle: J. W. Goethe, Faust
hrsg. von Franco Fortini, Mondadori, 1990
S. 44, Vv. 534-537, 544, 545.


Liebe Frau Rizzato, wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Freude am Deutschunterricht.
 

Laura Rizzato

Laura Rizzato © Laura Rizzato Ich bin 1972 in Thiene (Norditalien) geboren, wo ich das Sprachgymnasium „F. Corradini“ besucht habe. Ich bin promovierte Germanistin, habe nach der Promotion ein Postdoc-Stipendium erhalten und über sprachphilosophische Themen recherchiert. Nachdem ich einige Monographien und Aufsätze zu deutschen Autor*innen veröffentlicht habe, habe ich mich für die Arbeit als Lehrerin in der Oberstufe entschieden. Ich war etwa zehn Jahre lang an einer Fachoberschule und seit 2016 unterrichte ich Deutsch am Gymnasium „F. Corradini“.

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