Migration
Vom „Gastarbeiter“ zum „EU worker“

Auf dem grünen Sofa – Vom Gastarbeiter zum EU-Worker
© Goethe-Institut Italien

Die Geschichte und die aktuelle Situation der Auswanderung aus Italien und anderen europäischen Ländern nach Deutschland standen im Mittelpunkt der Begegnung, die von der RAI-Journalistin Tiziana Di Simone moderiert wurde. Gäste waren die italienische Parlamentarierin Laura Garavini und Oliver Janz, Professor für moderne und zeitgenössische Geschichte an der FU Berlin.

Einleitend gab Prof. Janz einen Überblick über die Situation nach dem 20. Dezember 1955, also nachdem Italien und die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen zur Anwerbung italienischer Arbeitskräfte, der so genannten Gastarbeiter, und deren Beschäftigung in Deutschland unterzeichnet hatten. Die Gastarbeiter sind ganz wörtlich „Gast-Arbeiter“, wenig oder gar nicht qualifiziert, die nach Ablauf des Arbeitsvertrages in ihr Heimatland zurückkehren sollen. Gerade aufgrund ihres „Gäste“-Status, erklärte Janz, gab es kaum ein tatsächliches Interesse an ihrer Integration, weder auf Seiten der deutschen Gesellschaft, noch bei den Gastarbeitern selbst. Eine grundlegende Veränderung trat allerdings ab 1973 mit der Ölkrise und dem Ende des Wirtschaftsbooms ein, als die Regierung Brandt den Zustrom der Gastarbeiter stoppte. Damit entstand die Einwanderung nach Deutschland, wie wir sie heute verstehen.   

Frau Garavinis Ansatz war, wie zu erwarten, eher politischen Charakters. Sie betonte, dass die Italiener in Deutschland ausgezeichnete Beispiele für eine geglückte Integration sind, obwohl, wie bereits gesagt, das System der „Gastarbeiter“ diese nicht unbedingt begünstigte. Die Italiener waren arm, hatten wenig oder keine Schulbildung und kaum Perspektiven. Die fanden sie in Deutschland, und im Gegenzug leisteten sie einen bedeutenden Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung ihres Gastlandes; dadurch geriet das Gastarbeiter-Phänomen trotz des einen oder anderen Irrtums zu einer positiven Erfahrung für beide Seiten. Seit jener Zeit und vor allem seit den 2000er Jahren haben sich die Dinge jedoch stark verändert. Deutschland erkennt nun offiziell an, ein Einwanderungsland zu sein und verabschiedet Gesetze, die die Integration vorantreiben sollen und auf dem Konzept „fördern und fordern“ basieren. 

An diesem Punkt beschrieb die Moderatorin Di Simone die europäische Charta der Grundrechte als Brückenschlag zur Figur des „EU worker“, des nicht mehr an nationalstaatliche Grenzen gebundenen europäischen Arbeitnehmers. Gerade angesichts der Charta, so Frau Garavini, lässt sich heute eher von Mobilität als von Auswanderung der europäischen Bürger sprechen; allerdings muss dies auch eine Mobilität der Rechte und der Dienstleistungen nach sich ziehen. Ideal wäre, eine Angleichung der Standards bei den Sozialleistungen zu erreichen und dadurch den Integrationsprozess zu vervollkommnen. Prof. Janz zufolge ist hingegen die heutige Auswanderung aus EU-Nationen eine hybride Erscheinung, nicht mehr ganz international, aber auch noch nicht ganz staatenintern, wobei die Sprachbarriere noch eine besonders schwer zu überwindende Hürde darstellt. 

Die Partie der Gastarbeiter ist also gewonnen, während ihr Ausgang die „EU worker“ betreffend noch ganz offen ist.