Die Mauer

Regie: Jürgen Böttcher
Deutschland 1990, Farbe u. s/w, 96 Min.


Böttcher und sein Kameramann Thomas Plenert zeichnen die vielfältigen Aktivitäten am ehemaligen Todesstreifen in phänomenologischer Manier auf, wissend, dass jede Wertung in diesem Moment die Stärke und Einmaligkeit der Bilder zerstören würde. Grandios sind die Sequenzen aus den unterirdischen Geisterbahnhöfen, in denen Soldaten der Grenztruppen gerade noch (aber bereits ohne Bewaffnung) ihren Dienst verrichten. Oder die Szenen zum Jahreswechsel 1989/90: Ein Betrunkener verfällt in „Gorbi! Gorbi!“-Rufeund schwenkt dazu eine gleichnamige Wodkaflasche.

Die Mauer ist übervoll von solchen metaphorischen, aber nie gesucht wirkenden Momenten. Der ein zige zeitgeschichtliche Kommentar (zugleich künstlerische Performance par excellence) besteht in einer Projektion von Archivmaterial auf ein Mauersegment: Die tausendfach gesehenen Bilder aus dem zeitlichen Umfeld des 13. August 1961 werden dadurch nicht nur erträglich, sie bekommen durch die verblüffende Konstellation auch eine ganz neue Dimension. Das monströse Bauwerk inmitten von Berlin – mehr als 25 Jahre lang Sinnbild des Kalten Kriegs – wird durch den Kunstgriff des Regisseurs zur Leinwand seiner eigenen Geschichte. Kurz nach Fertigstellung des Films verkündete Jürgen Böttcher, dass dies seine letzte Arbeit auf dem Gebiet des Films gewesen sei. Er wolle sich nun wieder ausschließlich der Malerei widmen.

Claus Löser

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