Ich fühl mich Disco
Die beste aller Welten?

Ich fühl mich Disco © Dennis Pauls

Regie: Axel Ranisch
Deutschland 2013, 98 Min.
Mit: Frithjof Gawenda, Heiko Pinkowski, Christina Große


Der Teenager Florian fühlt sich in seiner Haut eigentlich ganz wohl, auch wenn er nicht den gängigen Vorstellungen von Coolness entspricht: Er ist korpulent, hört gerne Schlagermusik, hat an Sport keinerlei Interesse und fühlt sich zu Mädchen nicht recht hingezogen – dafür umso mehr zu Jungs. Seinem Vater ist das alles ein Dorn im Auge.

Gewissermaßen als erzieherische Kampfansage bekommt Florian statt dem Klavier, das er sich so innig wünscht von Papa Hanno ein Moped geschenkt, dessen alte Simson mit der er einst Florians Mutter kennenlernte - ein echtes Familienrelikt und ein bisschen wie Hanno selbst, der als strenger Turmspringtrainer das Kommandieren gewohnt ist. Gut, dass wenigstens seine Mutter so viel Verständnis für Florian hat. Gemeinsam schwärmen sie für den grellen Schlagersänger Christian Steiffen, selbsternannter „Gott of Schlager“. Während das Wohnzimmer aus dem Kofferradio mit Hits wie „Sexualverkehr“ oder „Ich fühl mich Disco“ beschallt wird, singen Mutter und Sohn in bunten Fummeln samt aufgemalter Koteletten ekstatisch mit.

Ein Schicksalsschlag aber raubt Florian die Mutter. Sie fällt ins Koma und wird auch nicht mehr daraus erwachen. Florian hängt ihr eine Discokugel ins Krankenzimmer und wartet.
Bei Vater und Sohn gibt es Kartoffelsalat und Würstchen. „Wir schaffen das!“ Doch Florian mag sich nicht damit abfinden, dass seine Mutter weg ist. Hannos Rezept gegen die Tagträume: „Ab morgen kommst du mit in die Schwimmhalle!“ Hanno hat gerade einen Meisterschüler. Der kommt aus Rumänien und flirtet gerne. Aber leider ist Radu so gar nicht schwul. Bei einem nächtlichen Kummerschluck in der Kneipe trifft Hanno Christian Steiffen. Der schenkt ihm Konzerttickets sowie einen Videoratgeber über den Umgang mit schwulen Söhnen, und wieder zu Hause sitzt dann auch noch Rosa von Praunheim auf dem Sofa und empfiehlt Empathie und einen Dildo, sowie: „Einfach mal reinschieben und sehen, was passiert.“

Vieles an Ich fühl mich Disco ist autobiographisch. Auch Ranisch wurde in einer sehr sportlichen Familie geboren und zum Sprung vom Zehn-Meter-Brett gedrängt, auch er sollte zum 16. Geburtstag ein Mofa bekommen statt eines Klaviers, und gedreht wurde auch nur wenige Häuser entfernt von der Wohnung, in der Axel Ranisch auch aufgewachsen ist. Nur das Coming-out als Teenager haut nicht ganz hin. In Rosakinder einem anderen seiner Filme wird eine Szene aus seinem Filmstudium nachgespielt, in der von Praunheim die Eltern seines Studenten besucht. Ranischs Mutter schwärmt davon, wie sensibel sie die Filme ihres Sohnes findet, während der stumm und mit schreckensgeweiteten Augen neben ihr sitzt. „Ich dachte die ganze Zeit, du würdest mich gleich outen“, erklärt Ranisch von Praunheim später.

Director’s Statement:
Mach einen Film darüber, womit du dich auskennst. So hat es mein Professor Rosa von Praunheim immer zu uns Studenten gesagt. So ein Film ist Ich fühl mich Disco geworden. Voll von Erinnerungen. Voll von Szenen und Gefühlen, mit denen ich mich hervorragend auskenne: Ein Jugendlicher, der mitten in der Selbstfindung steckt, mit seinem Vater aneckt, seine Sexualität entdeckt und gerade gefunden wieder versteckt. Ein Junge, der einen lieben Menschen verliert, sich oft genug einsam fühlt und in den falschen verliebt ... Es ist kaum zu verstecken, dass vieles an diesem Flori dem Axel ähnelt und einiges an Hanno meinem eigenen Papa. Und doch haben sich im Laufe der vier Jahre, die ich an dieser Geschichte gearbeitet habe, die Charaktere emanzipiert. Schließlich haben meine beiden Hauptdarsteller Heiko Pinkowski und Frithjof Gawenda, dieses Vater-Sohn-Gespann mit ganz eigenem Leben, mit Humor, Fantasie und Charme gefüllt.
Ich fühl mich Disco ist eine große Liebeserklärung: An meine Jugend, an meine Heimat Lichtenberg und an meinen Papa. Und keine Sorge, Mama, du kommst auch noch dran!“

Ralph Eue