Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Interview mit Hiba Al-Ansari
„Kunst kann man nicht lehren.“

Hiba_Interview
© Goethe-Institut Tokyo

Hiba Al-Ansari ist die erste Residenzkünstlerin im Rahmen „Goethe-Institut Damaskus im Exil in Tokyo“. Einen Monat nach ihrer Ankunft in Japan haben wir sie über ihre Erfahrungen in Deutschland, ihre Perspektive auf Syrien und ihre Eindrücke in Japan befragt.
 

Wie bist Du nach Deutschland gekommen ? Und wie war es, als Du dann dort zum ersten Mal warst?

2007 habe ich in Damaskus mit dem Kunststudium angefangen. Kurz vor dem Abschluss habe ich am Residenzprogramm teilgenommen. Mein Plan war, nach dem Residenzprogramm nach Damaskus zurückzukehren, um den Abschluss zu machen. Als ich nach Syrien zurückkam, war die Situation dort sehr schlecht. Mir war klar, ich kann hier nicht bleiben. Ich habe dann meine Sachen von der Akademie zusammengepackt und bin nach Deutschland gegangen. Erst nach Köln und 2015 nach München an die Akademie der Künste.
Alles war anders in Deutschland. Das Wetter, die Leute, die Gesellschaft … eine neue Welt. Am  Anfang hatte ich Schwierigkeiten mit der Sprache. Jetzt geht es besser. Ich hatte nicht gedacht, dass ich so lange in Deutschland bleiben würde. In der Akademie zu arbeiten hilft mir sehr. Dort gibt es viele zwischenmenschliche Kontakte. Insbesondere mein Professor hat mir viel mit auf den Weg gegeben! Er ist ein toller Mensch.


LeinwändeCollage © Hiba Al-Ansari In Damaskus hast Du Malerei studiert, aber jetzt arbeitest Du viel mit Porzellan, Textilien usw. Hat das etwas mit dem Studium in Deutschland zu tun?

In Damaskus habe ich Malerei studiert, war davor aber ich in einem privaten Institut für Bildhauerei und Malerei. In Syrien hatte ich bereits mit Ton, Harz und Metall gearbeitet, aber mit dem Porzellan habe ich erst in Deutschland angefangen. Ich war immer interessiert an verschiedenen Materialien. Was für ein Material ich auswähle, hängt davon ab, was ich mit meinen Werken aussagen will. Ich spiele mit dem Material und will damit eine Aussage vermitteln. Es ist schwer das zu verdeutlichen, aber das ist ein sehr intensiver Prozess. Beim Malen mache ich zuerst viele Skizzen und viel Nachdenken spielt auch eine Rolle dabei.


In Deiner Kunst benutzt Du Deinen Körper, z. B. die Zähne, die Nase, oder Deine Haare. Ist es für dich wichtig, Teile Deines Körpers in die Werke einzuarbeiten?

Ja, es ist mir sehr wichtig. Das hängt auch vom dem Material ab. Z. B. wenn ich Porzellan in der Hand halte, dieses sehr feine weiße Material, das man vorsichtig behandeln muss. Es ist ein Nachdenken mit dem Körper über den Tod. Diese Auseinandersetzung hat begonnen, nachdem der Krieg ausgebrochen ist. Eine Serie von Ereignissen und das Verhalten der Menschen auf den Straßen haben meine künstlerische Arbeit in eine neue Richtung geführt. Ein Aspekt meines veränderten Körperbewusstseins ist auch, dass ich 2017 begonnen habe, Performances zu machen. Bei der Performance habe ich Schutt, Scherben und Küchenutensilien auf dem Boden hin- und herbewegt. Dabei waren die dabei entstehenden Geräusche ein ganz wichtiges Element der Performance. Wenn über Syrien Bomben abgeworfen werden, eilen die Menschen herbei, um den Betroffenen zu helfen. Man sieht nur die Körper von Menschen, die sich hin und her bewegen, die helfen und tote Menschen bergen. Das zu sehen, hat mich zum Nachdenken darüber gebracht, wie ich den Körper in meiner Kunst einsetzen könnte. 

DerOrangeRaum © Hiba Al-Ansari Empfindest Du als syrische Künstlerin eine Erwartung von außen, den Krieg in Syrien künstlerisch umzusetzen?

Ja. Aber der Krieg ist nicht alles. Ich arbeite natürlich zu politischen Themen. Aber ich arbeite auch mit meinen Erinnerungen. Je älter ich werde, desto mehr denke ich über meine Jugend nach, so wie viele andere auch. Als Künstlerin arbeite ich viel mit diesen inneren Bildern, und mit Träumen.


Ist die Kunsterziehung in Deutschland sehr anders im Vergleich zu Syrien?

Ja. In Deutschland haben alle Studierenden Ateliers. Zwar hatten wir auch eine Professorin, die sehr nah an den Studierenden dran war, aber das ist eher die Ausnahme. In Deutschland treffen wir uns ein bis zwei Mal in der Woche, um über unsere Arbeiten und Ideen zu sprechen. In Damaskus gibt es übrigens keine Werkstätten. Es hilft mir sehr, dass ich in den Werkstätten in Deutschland nachfragen kann, welche Materialien und Werkzeuge es gibt. Außerdem gibt es in Damaskus klare Vorgaben, worin unsere Ausbildung besteht. Dass hat mich oft wütend gemacht. Kunst kann man nicht lehren. Sie ist offener. Wenn man zu viele Vorgaben macht, beschränkt das die Möglichkeiten der Künstler. In Deutschland macht man, was man will, dort wird alles offen gelassen. Trotzdem muss ich sagen, dass ich viel in Damaskus gelernt habe.

Du warst lange weg von Syrien. Wie sind die syrischen Künstler, die Du in Deutschland triffst? Und wie haben sich die syrischen Künstler und die syrische Kunstszene verändert?

Sehr! Die Künstler haben sich stark verändert, mich eingeschlossen. Alles ist ja anders: eine neue Sprache, eine neue Gesellschaft. Wir können uns nicht mehr nur mit der Kunst beschäftigen. Wie z. B. finde ich eine Wohnung, wie ein Atelier? Ich selbst habe kein Atelier und arbeite in meiner Wohnung. Das ist auch nicht einfach. Nach Damaskus habe ich aber nur noch wenig Kontakte. Meine Professorin ist aber noch dort. Ich schreibe häufig mit ihr. Der Unterricht in Damaskus wird fortgeführt. Aber es ist schwierig. Die Stadt, in der Du lebst, ist zerstört. Alles ist teuer. Niemand weiß, was als nächstes passiert.


EinzelhaftZellen © Hiba Al-Ansari Wenn die Zeit kommt, Syrien neu aufzubauen, was könntest Du dir vorstellen, dort mit der Kunst zu erreichen?

Ich hoffe, dass das sehr bald geschieht und dass ich noch gesund bin, wenn es soweit ist. Früher in Damaskus konnte man keine politischen Arbeiten über das Regime zeigen. Für mich ist es sehr wichtig, dass man Kunst über Politik oder eben das Regime machen darf. In diesem Sinne muss die Umgebung für die Künstler offen sein. Es sollte keine Tabus darüber geben, woran man arbeitet oder was man sagt.


Was kann man als nicht-Künstler mit Kunst machen?

Vor meinem Studium in Damaskus habe ich viel mit Kindern und Behinderten gearbeitet. Es ist immer interessant zu sehen, wie Menschen durch die Kunst miteinander kommunizieren. Kunst zu machen ist gut dafür geeignet zu entspannen. Kunst hat eine therapeutische Wirkung. Selbst wenn eine Stadt im Krieg ist, kannst Du mit Kunst viel erreichen. Man kann neue Sachen ausprobieren, hat dabei Spaß und lernt viel über Kunst und sich selbst. Wenn man zu einem Ort gehen kann, wo man Kunst und Musik machen oder tanzen kann, dann hilft das den Menschen, gerade wenn sie im Leben Probleme haben. Mir hilft es auf jeden Fall.


Wie geht es Dir in Japan?

In Japan ist alles sehr dezent und filigran, auch die Blumen z. B. Der Himmel hier ist sehr schön und ganz anders als alle Himmel, die ich bisher gesehen habe. Er ist anders als der Himmel in Syrien. Sowohl die Farbe als auch die Form ist anders. Die Natur ist auch anders. Das ist sehr interessant für mich. Menschen bewegen sich anders und es gibt sehr viele Lichter in der Stadt. Die Lichter, Farben, es gibt so viele Details. Deutschland und Syrien sind ganz anders als Japan.

 

Top