Glocken und Kanonen
Zeitgenössische Kunst in Zeiten von Militarisierung

Internationale Gruppenausstellung im Contemporary Art Centre in Vilnius
16. Oktober 2025 – 1. März 2026

Auf dem hellblauen Hintergrund Titel der Ausstellung „Glocken und Kanonen. Zeitgenössische Kunst in Zeiten von Militarisierung“, 16.10.2025 – 01.03.2026

Der Titel der Ausstellung, die sich mit den Wechselbeziehungen zwischen Kunst, Krieg und Kultur befasst, verweist auf ein historisches Paradoxon: In Kriegszeiten wurden Kirchenglocken eingeschmolzen, um Kanonen herzustellen. Ein Hinweis darauf, dass die Möglichkeit des Krieges schon immer in der Glocke selbst enthalten war. Diese Metapher dient als Ausgangspunkt für Überlegungen darüber, wie Krieg, Sicherheit und Macht die zeitgenössische Realität und die künstlerische Vorstellungskraft durchdringen.

Mit Werken von Künstler*innen aus verschiedenen Ländern, untersucht die Ausstellung, wie Prozesse der Militarisierung, Information, Technologie und Erinnerung unsere Wahrnehmung der Welt prägen. Sie lädt die Besucher*innen dazu ein, Kunst als sensibles Instrument zur Messung geopolitischer, ökologischer und kultureller Spannungen zu betrachten – ein Instrument, das in der Lage ist, die Logik einer konfliktreichen Welt zu reflektieren und neu zu denken.

Die Ausstellung ist Teil des Projekts „Aspekte der Anwesenheit“, eine Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut in Litauen, dem Contemporary Art Centre (CAC) in Vilnius und der Akademie der Künste in Berlin, das den aktuellen Einsatz der deutschen Brigade in Litauen zum Ausgangspunkt nimmt. Die Stationierung ist Teil der NATO-Strategie zur Verstärkung ihrer Ostgrenzen als Reaktion auf die anhaltende militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Etwa 5.000 Soldat*innen sowie Zivilist*innen und Familien werden in den kommenden Jahren nach Litauen verlegt. Bis 2027 soll die Brigade volle Einsatzbereitschaft erreichen.

Künstler*innen:
Kateryna Aliinyk, Maithu Bùi, Anna Engelhardt und Mark Cinkevich, Forensic Architecture, Philipp Goll, Nikita Kadan, Lina Lapelytė, Bjørn Melhus, Deimantas Narkevičius, Henrike Naumann, Oleksiy Radynski, Indrė Rybakovaitė, Trevor Paglen, Sana Shahmuradova Tanska, Basma al-Sharif, Michael Stevenson, Hito Steyerl, Fedir Tetianych, Peter Wächtler, Clemens von Wedemeyer, Jan Eustachy Wolski, Tobias Zielony; sowie Berta Tilmantė, Neringa Rekašiūtė, Aurelija Urbonavičiūtė und Rūta Meilutytė.

Kuratorisches Statement
„In der internationalen Gruppenausstellung „Glocken und Kanonen“ werden unterschiedliche künstlerische Strategien im Kontext gegenwärtiger Militarisierung vorgestellt. Ihr Titel verweist auf die enge Beziehung von Kunst und Krieg: Historisch gesehen wurden Glocken in Kriegszeiten häufig zu Kanonen und anderen Waffen umgeschmolzen. Anders gesagt: In jeder Glocke steckt seit jeher das Potenzial ihrer Umwidmung für kriegerische Zwecke – zumal Glocken und Kanonen oft von denselben Kunsthandwerkern gefertigt wurden. Die Ausstellung greift diese Metapher der unerwarteten Übereinstimmung auf, um die komplexen Verflechtungen zwischen Krieg und Kultur zu untersuchen.

Kunst und Kultur gehören heute fast schon zum Vokabular der Analyse moderner Konflikte – neben Begriffen wie Soft Power, psychologische Operationen oder hybride Kriegsführung. Sie alle eint die Vorstellung, dass es äußerst schwierig sein kann zu unterscheiden, was Teil eines Krieges ist und was nicht. Genauso herausfordernd ist es zu bestimmen, wann welche Kommunikationsmittel, Datenverarbeitungstechnologien oder Energieinfrastrukturen für zivile Zwecke und wann sie für militärische Zwecke eingesetzt werden – und wem sie letztlich zugutekommen. Auf ähnliche Weise erscheinen Entscheidungen rund um den Klimawandel, Eingriffe in Landschaften oder das kollektive Gedächtnis oft vieldeutig oder wirken undurchsichtig, wie auch die Motive und Menschen, die dahinter stehen.

Unter diesen Umständen dringen Strategien der Militarisierung und Friedenssicherung, sowie die Tendenz, gesellschaftliche Herausforderungen als Sicherheitsprobleme zu betrachten, unweigerlich in den Bereich künstlerischer Verantwortung und Vorstellungskraft ein. In den Werken der Künstler*innen dieser Ausstellung offenbaren sich vielfältige Sichtweisen auf das Verhältnis von Glocken und Kanonen. Einige fragen, welche Kräfte, Überzeugungen und Strategien gegenwärtige militärische Konflikte prägen – oder welche Rolle der Kunst in diesem Zusammenhang zukommen könnte. Die Werke der vergangenen Jahrzehnte befassen sich mit der ideologischen Seite von  Informationstechnologien, der Fragilität internationaler Beziehungen und anderen langfristigen historischen Phänomenen.

Diese Ausstellung entsteht in einer Zeit, in der die Welt von multiplen Krisen erschüttert wird, militärischer und anderer Art, die sich oft gegenseitig verstärken. Während der Entstehung dieses Texts berichtet eine unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen, dass Israel einen Völkermord an den Palästinenser*innen im Gazastreifen begeht, während Polen nach wiederholten NATO-Luftraumverletzungen durch russische Drohnen eine von der NATO durchgesetzte Flugverbotszone über der Ukraine fordert. Die Auseinandersetzungen um diese Konflikte spalten die EU und die Weltöffentlichkeit und natürlich auch die Kunstszenen. Das Gefühl der Verzweiflung entsteht auch durch die unvereinbare Gleichzeitigkeit des offensichtlichen Bedarfs an Aufrüstung, wie beispielsweise der Stationierung der deutschen Brigade in Litauen, einerseits und dem Wunsch nach einer friedlicheren Zukunft andererseits.

So wie sich die Wirklichkeit in Kunstwerken offenbart – nicht dokumentarisch, sondern durch vielfältige, oftmals abstrakte, spielerische oder andere im Laufe vieler Jahre entwickelte künstlerische Mittel –, so erhebt auch diese Ausstellung nicht den Anspruch, eine umfassende, eindeutige oder gar objektive Darstellung von Militarisierung und globalen Konflikten zu vermitteln. Vielmehr lädt sie dazu ein, die Vielfalt künstlerischer Strategien in einer zunehmend konfliktreichen Welt zu erkunden.“

 
– Valentinas Klimašauskas, Virginija Januškevičiūtė

Über „Aspekte der Anwesenheit“

Die Ausstellung folgt auf das Symposium „Aspekte der Anwesenheit. Kunst in Zeiten von Militarisierung“, das im Juni 2025 Künstler*innen und Wissenschaftler*innen in der Akademie der Künste in Berlin zusammenbrachte. Einige der Werke beteiligter Künstler*innen aus Deutschland sind neue Arbeiten, die in Zusammenhang mit Recherchereisen nach Litauen im Jahr 2025 entstanden sind.

Anhand von künstlerischen Beiträgen, Diskussionen und Texten untersucht „Aspekte der Anwesenheit“, wie sich die Militarisierung auf das heutige Leben auswirkt, und reflektiert darüber, was uns hierher geführt hat und welche Zukunft vor uns liegt. Das Projekt gibt Künstler*innen und dem Publikum die Möglichkeit, sich mit der Komplexität und den Widersprüchen dieser anhaltenden geopolitischen Veränderung auseinanderzusetzen.

„Aspekte der Anwesenheit“ ist ein Projekt des Goethe-Instituts in Litauen, des Contemporary Art Centre (CAC), Vilnius, und der Akademie der Künste, Berlin.

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