Deutscher zeitgenössischer Film Verfehlung

Verfehlung von Gerd Schneider 2014/15 Foto: Pascal Schmit

Mi, 18.09.2019

19:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Die jungen Priester Jakob, Dominik und Oliver waren bisher beste Freunde.

Regie: Gerd Schneider, Farbe, 95 Min., 2014/15
 
 
Jakob, Dominik und Oliver sind Freunde, verbunden nicht nur durch gemeinsame Fußballspiele oder gelegentliche Kneipenbesuche, sondern auch durch ihren Beruf: Sie sind Priester, fast noch am Anfang ihrer Laufbahn. Jakob arbeitet als Gefängnisseelsorger, Dominik ist in einer Gemeinde tätig, Oliver strebt eine Karriere in der kirchlichen Hierarchie an. Dann wird Dominik festgenommen; er steht unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Lange zweifelt Jakob am Wahrheitsgehalt der Vorwürfe – bis Dominik selbst seine Schuld eingestehen muss. Selbst dann noch versucht der Opportunist Oliver den Skandal zu vertuschen; aber er hat Jakob unterschätzt. 
 

Die jungen Priester Jakob, Dominik und Oliver sind gute Freunde, spielen gemeinsam Fußball oder kippen in der Kneipe ein Bier. Als stellvertretender Generalvikar hat Oliver schon die ersten Schritte zu einer Karriere in der Hierarchie der Amtskirche vollzogen; Dominik ist in einer Gemeinde tätig und engagiert sich in der Sozialarbeit. Jakob hat wohl die härteste Aufgabe, er arbeitet in der Gefängnisseelsorge. Dann der Schock: als Dominik und Jakob gemeinsam die Messe lesen wollen, steht die Polizei vor der Kirchentür, um Dominik festzunehmen. Er soll Minderjährige sexuell missbraucht haben. Weder Jakob noch Oliver können oder wollen an eine Schuld ihres Freundes glauben, zumal Dominik die Vorwürfe entschieden zurückweist. 

Jan Messutat als  Oliver Gondek

Dominik sitzt in Untersuchungshaft. Als immer mehr Indizien an seinen Beteuerungen zweifeln lassen, reagieren seine Freunde unterschiedlich: Oliver verspricht ihm: Wir kriegen dich hier raus! Dabei fürchtet er einen Skandal weit mehr als die Wahrheit, die er auf jeden Fall unterdrücken und vertuschen will, notfalls sogar mit Schweigegeld für die Opfer. Jakob will unbedingt die Wahrheit herausfinden. Er nimmt Kontakt auf mit der Mutter des mutmaßlichen Opfers und blitzt ab; eher zufällig entdeckt er später, dass auch der Sohn eines kroatischen Einwanderers von Dominik missbraucht wurde. Er fragt Oliver: Was ist, wenn an den Anschuldigungen etwas dran ist? Auch da blitzt er ab. Oliver erklärt nur: „Ich will, dass die Sache aufhört!“ Er fürchtet vor allem, es könnte seiner Karriere schaden, wenn eine unbequeme Wahrheit an die Öffentlichkeit käme. Schließlich erklärt Dominik: „Es war im Grunde gar nichts, es ist einfach passiert!“ 

Jacob muss eingreifen

Dominik wird als „Kinderschänder“ von Mitgefangenen brutal misshandelt; dies erleichtert immerhin eine Haftaussetzung bis zum Prozess. Die drei Freunde spielen wieder Fußball; Jakob ist so wütend auf Dominik, dass er ihn mit einem üblen Foul zu Boden streckt und fühlt sich nicht nur deshalb schuldig, wenn er die Alternativen überlegt: Gnade oder Gewissen? Er sucht Hilfe beim Kardinal und wird mit einer opportunen Phrase abgespeist: „Unsere Aufgabe ist nicht, zu ermitteln, sondern zu helfen und zu vergeben!“ Jakob lässt nicht locker. Oliver droht ihm: „Überleg dir gut, auf welcher Seite du stehst!“ Am Ende steht Jakob zögernd vor der Tür des Staatsanwalts. Seine letzte kleine Bewegung spricht dafür, dass er gegen seinen Freund aussagen wird. 

Seit Jahren steckt die katholische Kirche – keineswegs nur in Deutschland – durch das Bekanntwerden zahlreicher, oft lange andauernder sexueller Missbrauchsfälle, deren Opfer meist Minderjährige waren, in einer tiefen Krise. Versuche, die unbequemen Wahrheiten zu unterdrücken, haben die Probleme nur verschärft. Im Januar 2016 hat Georg Ratzinger, der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI, erklärt, dass die Bemühungen zur Aufklärung der Missbrauchsfälle beim berühmten Knabenchor der Regensburger Domspatzen „Irrsinn“ seien. Autor und Regisseur Gerd Schneider: „Schon lange hat mich der Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchsfällen erschüttert. Vor etwa sieben Jahren hatte ich dann die Idee. (…) Ein Gefängnisseelsorger hat den eigenen Kollegen und guten Freund plötzlich in der Untersuchungshaft sitzen. Was geht in ihm vor, wie verändert sich ihr Verhältnis? Was wird er tun? Diese Fragen liegen mir sehr nahe. Ich war selbst Priesteramtskandidat und festen Willens, mein Leben in den Dienst der katholischen Kirche zu stellen. Vor dem Hintergrund dieser tiefgreifenden Erfahrung war es mir wichtig zu erzählen, dass es kein System der Vertuschung gibt, aber das Vertuschen durchaus systematische Züge hat. Angst, Unvermögen und vorauseilender Gehorsam haben ein Klima geschaffen, in dem diese ungeheuren Vorgänge stattfinden konnten.“ 

Gerd Schneider hat für seine Inszenierung eine sensible Tonart gefunden, die ihn von allen reißerischen Effekten fernhält, auch vor der Abbildung der Straftaten selbst. Wirklich unschuldig ist keiner der drei Freunde, auch Jakob ist kein makelloser Held. Dies macht VERFEHLUNG zu einem subtilen Film, dessen Aktualität, so ist zu befürchten, noch einige Zeit anhalten wird. 

Biografie 

Gerd Schneider wurde 1974 in Olpe geboren. Er studierte katholische Theologie in Bonn und Wien. Während des Studiums absolvierte er mehrere Praktika, unter anderem in der JVA Köln Ossendorf. Nach dem Diplom nahm er ein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg auf. Für seinen Abschlussfilm AM RAND DER HOFFNUNG erhielt er mehrere Preise. VERFEHLUNG ist sein erster langer Spielfilm. 

Regisseur Gerd Schneider

Filmografie (Auswahl) 

2000 GABRIEL 
2001 AM ENDE DER TAGE 
2002 TÜR AN TÜR 
2005 AM RAND DER HOFFNUNG 
2009 NICHT LUSTIG 
2012 DER DIENER 
2014/15 VERFEHLUNG 



Hans Günther Pflaum, 14.01.2016

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