SO WASChNIL in der Siedlung Krasnoobsk

Hauptplan des wissenschaftlichen Forschungskomplexes der sibirischen Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL) in der Siedlung Krasnoobsk | А. S. Panfilj, J. P. Platonow, А. P. Karpow, E. P. Sudarikow, G. А. Tjulenin, das Forschungsinstitut GiproNII an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, 1970
© Museum des Hauses der Wissenschaftler der sibirischen Filiale der Russischen Akademie für Kunstwissenschaften (SO RAChN)

Wissenschaftlicher Forschungskomplex der sibirischen Filiale der Sowjetischen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften Wladimir Iljitsch Lenin (SO WASChNIL) in der Siedlung Krasnoobsk | А. S. Panfil, J. P. Platonow, А. P. Karpow, E. P. Sudarikow, G. А. Tjulenin, das Forschungsinstitut GiproNII an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, die Wissenschaftsgesellschaft „Das Gesamtsowjetische Forschungs- und Projektinstitut für Energietechnologien“ (NO WNIPIET), 1970

Bei SO WASChNIL (der sibirischen Filiale der Sowjetischen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften Wladimir Iljitsch Lenin) handelt es sich um eine kleine Stadt für Wissenschaftler*innen, ein Zentrum der sibirischen Landwirtschaftswissenschaft. Dem Projekt von SO WASChNIL wurde das Konzept der Wissenschaftsstadt (Naukograd) zugrunde gelegt. Dank seiner landwirtschaftlichen Spezialisierung stimmte das Projekt auch mit dem sowjetischen Konzept der landwirtschaftlichen Stadt (Agrogorod) überein, das eine Annäherung von Stadt und Land beinhaltet: Diese schaffen zusammen eine hochkonzentrierte Siedlung der wissenschaftlichen Community als landwirtschaftliche Kommune in Form eines Ringes. Als Standort für die neue Siedlung mit 30.000 Einwohner*innen wurde ein freies Gebiet inmitten der landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgewählt, die von Forschungsinstituten für ihre Experimente benutzt wurden. Der geplante Standort von SO WASChNIL befindet sich direkt unweit vom Betrieb Sibselmasch, dem wichtigsten Unternehmen für landwirtschaftlichen Maschinenbau. Am Ende der 1920er-Jahre und in den 1970er-Jahren sollten Sibselmasch und dann WASChNIL die landwirtschaftliche Entwicklung Sibiriens beschleunigen. Die Entwicklung „des neuen Gemüses“ erfolgt im Gleichklang mit der Schaffung des „neuen Menschen“. „Das neue Gemüse“ sollte das Hungerproblem für immer lösen.

Die Suche nach einer ausdrucksvollen, künstlerischen Vision führt zu einer Lösung der Wohnbebauung in Form von drei monumentalen, ringförmigen Strukturen, die aus Häusern mit unterschiedlicher Anzahl von Etagen bestehen. Die Ringform wird in den Details der Außenarchitektur und der Innenausstattung dupliziert. Die mehrstöckigen Häuser schließen einen Kreis um mittelhohe Wohnhäuser, Kindereinrichtungen, offene Höfe, grüne Zonen sowie Sozial-, Versorgungs- und Kulturbauten. Die Ringe der Wohnhäuser, die inmitten der flachen Landschaft wachsen, ähneln kosmischen Formen. Deren innere Konstruktion war als Imitation einer Petrischale mit molekularen Strukturen geplant.

Bei der Arbeit am Projekt wurde das „modulare Regelungssystem“ (MRS) – ein Produkt des Forschungsinstituts GiproNII an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR – eingesetzt. Die Planenden waren der Ansicht, dass das MRS künftige Veränderungen ermögliche und Anfragen zur Organisation des wissenschaftlichen Prozesses erfüllen lasse. Mit seiner Hilfe konnte man völlig beliebige Metamorphosen mit dem Raum und den Volumina (Ergänzen, Ersetzen, Entfernen) durchführen, ohne dass dabei der gesamte Aufbau, die Integrität der Komposition der Planungslösung und die funktionell-technologischen Verbindungen zwischen den Innenausstattungen einzelner Gebäude gestört würden.
 

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Bezirk W2, Modell © Museum des Hauses der Wissenschaftler der sibirischen Filiale der Russischen Akademie für Kunstwissenschaften (SO RAChN)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Bezirk W2, Modell

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Bezirk W2, Modell © Museum des Hauses der Wissenschaftler der sibirischen Filiale der Russischen Akademie für Kunstwissenschaften (SO RAChN)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Bezirk W2, Modell

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Blick auf ein Wohnhaus © Foto aus dem Archiv des Kindergartens „Tscheburaschka“

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Blick auf ein Wohnhaus

  • Sibirische Wissenschaftsbibliothek für Landwirtschaft, Krasnoobsk, Innenausstattung © Archiv von A. J. Karmanow

    Sibirische Wissenschaftsbibliothek für Landwirtschaft, Krasnoobsk, Innenausstattung

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Kinderspielplatz © Fotoarchiv des Sibirischen Physikalisch-Technischen Instituts (GNU SibFTI)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Kinderspielplatz

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Kinderspielplatz © Museum des Hauses der Wissenschaftler der sibirischen Filiale der Russischen Akademie für Kunstwissenschaften (SO RAChN)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Kinderspielplatz

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Wissenschaftsinstitute © Fotoarchiv des Sibirischen Physikalisch-Technischen Instituts (GNU SibFTI)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Wissenschaftsinstitute

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Baubeginn © Fotoarchiv des Sibirischen Physikalisch-Technischen Instituts (GNU SibFTI)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), Baubeginn

  • Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), erste Baustufe © Fotoarchiv des Sibirischen Physikalisch-Technischen Instituts (GNU SibFTI)

    Sibirische Filiale der Sowjetischen Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (SO WASChNIL), erste Baustufe



In fußläufiger Entfernung von den Wohnhäusern befinden sich die Forschungs- und die Gesellschaftszone. Die erstere ist als ein Komplex mit Instituten, einer landwirtschaftlichen Bibliothek und einem Versammlungshaus geplant, die im Raster einer ein Kilometer langen Linie gebaut und durch einen direkten beheizten Durchgang miteinander verbunden sind. Das Ziel war es, damit symbolisch die Verbindung zwischen den Instituten zu zeigen. Aber In Wirklichkeit handelt es sich um eine Strecke, die täglich und mehrfach zurückgelegt werden muss. Im geometrischen Stadtzentrum, das von drei Ringen und der Linie der Institute auf einem vier Meter hohen Stylobat abgeriegelt ist, befindet sich die Gesellschaftszone mit einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum. Im Untergeschoss des Komplexes ist ein System von Einfahrten, Entlastungstunneln und Parkplätzen untergebracht.

Akademgorodok (die Stadt der Akademiker), ein Stadtteil von Nowosibirsk am gegenüberliegenden Ufer des Flusses Ob, bildet ein System im Geiste der „waagerechten“ Stalin-Hochhäuser. Diese stehen im Wald verstreut und verdeutlichen die einzelnen Zonen – trotz einer Lösung in vereinfachten modernen Formen – und zeigen auf diese Weise den Segregationscharakter der Gesellschaft. Die Vision von SO WASChNIL ist dabei betont egalitär: Sie bietet eine gleichberechtigte, volkstümliche und zugleich wissenschaftliche Art der sozialen Organisation des Lebens.

Ein besonderes Detail des Projekts ist die Entlehnung der Kinderspielplätze des holländischen Architekten Aldo van Eyck für die Wohnzone – er war einer der Ideologen des architektonischen Strukturalismus, der den Nachkriegsmodernismus und -funktionalismus kritisierte; er war auch Mitglied der Architektengruppe Team X, die aus dem Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) hervorging. Die Nutzung der gleichen Lösungen – die sich wiederholenden Ringe in der Gesamtanlage, in der Außenarchitektur und der Innenausstattung sowie der Fußgängerübergänge, welche die Gebäude miteinander verbinden – kennzeichnet deutliche Vorlieben der Planenden und zeigt einen nicht zufälligen Charakter der Siedlung SO WASChNIL, in der sich Funktionalismus und formalistische Tendenzen mischen.
 

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