Kasans Universität und ihre beiden berühmtesten Studienabbrecher

Kasaner Föderale Universität
Kasaner Föderale Universität | Foto: Katrin Scheib

Morgens, kurz vor zehn in Kasan: Vor dem Haupteingang ins Universitätsgebäude ist der Bürgersteig abgesperrt. Oben auf dem Dach stehen zwei Arbeiter und schaufeln den über Nacht gefallenen Schnee über die Regenrinne, so dass er in dicken Wolken nach unten staubt.

Die Kasaner Föderale Universität ist die Hausherrin bei der ersten Winterakademie des Goethe-Instituts Moskau. Als sie 1805 ihren ersten Jahrgang begrüßte, waren das gerade mal 33 Studenten – alle männlich, alle adelig, alle Schüler desselben Kasaner Gymnasiums.

Zur ersten Generation Akademieteilnehmer gehören zwar nur einige Menschen mehr als zum ersten Studentenjahrgang, dafür ist die Gruppe aber deutlich bunter gemischt: Männer und Frauen aus vier verschiedenen Ländern, mit unterschiedlichen Berufsfeldern und Aufgaben, angereist mit dem Zug oder dem Flugzeug, aus Brjansk und aus Köln, Tbilisi und Smolensk, aus Warschau und aus Wolgograd.

„Nach Moskau war Kasan Russlands zweite Universitätsstadt, unsere Professoren mussten wir darum anfangs aus Europa importieren“, erzählt Dascha, die im unieigenen Museum arbeitet, bei einem Rundgang durch das Gebäude. In den ersten Jahren nach der Gründung der Universität wurden vor allem Dozenten aus Deutschland und Österreich angeheuert, „Vorlesungen gab es am Anfang also nur auf Latein und auf Deutsch.“

Zwei berühmte Studenten ehrt die Uni bis heute besonders: Lew Tolstoi sollte hier eigentlich Orientalistik studieren, wechselte dann aber an die juristische Fakultät. „Seine Liebe zu Bällen und anderen Vergnügungen kam ihm aber beim Studieren immer wieder in die Quere,“ sagt Dascha und zeigt hoch unters Dach der früheren Universitätskirche: „Da oben ist der Karzer, in dem er immer wieder sitzen musste.“

Anderer Raum, anderer Sitzplatz: Wer durch zwei hochmoderne, opulente Konferenzräume hindurch geht, kommt zu einem deutlich schlichter eingerichteten Zimmer: Gaslampen an der Decke, Tapeten mit Rankenmuster, separate Türen für Studenten und Professoren. Schwere Eichenholzbänke, deren hohe Rückenlehnen zum Geradesitzen zwingen. „Der Raum ist vom Anfang des 19. Jahrhunderts, den haben wir so gelassen,“ erklärt Dascha. „Da drüben, in der zweiten oder dritten Reihe, hat Lenin als Student gerne gesessen.“

Einen Abschluss machte in Kasan übrigens keiner der beiden berühmten Studenten: Tolstoi musste sich nach einer Erbschaft um das Landgut seiner Familie in Jasnaja Poljana kümmern und brach das Studium ab. Lenin wiederum beteiligte sich an Studentenprotesten und wurde noch während seines ersten Semesters der Universität verwiesen. Das Denkmal des jungen Studenten Wladimir Iljitsch steht heute gegenüber des Uni-Gebäudes – und blickt, vielleicht ein bisschen sehnsüchtig, Richtung Haupteingang. 

Top