Das Gehirn
Atmen, sprechen, laufen, lachen, sich entscheiden – alles beginnt im Kopf.
Unser Gehirn bestimmt Wahrnehmungen, Handlungen, Gedanken und Gefühle und sogar unseren Charakter. Genetische Anlagen spielen dabei ebenso eine Rolle wie eigene Erfahrungen und Einflüsse von Umwelt und Mitmenschen. Informationen gelangen über die Sinne wie Sehen, Tasten, Hören oder Schmecken in unser Gehirn. Erst dort entsteht dann ein einzigartiges, individuelles Bild der Welt. Zu jeder Zeit laufen im Gehirn eines Menschen unzählige bewusste und unbewusste Vorgänge ab. Dadurch verändert sich auch das Gehirn selbst.
Entscheidende Fortschritte in der Mikroskopie und anderen bildgebenden Verfahren zeigen immer genauer, wie unser Gehirn funktioniert. Doch weiterhin stellt dieses außerordentlich komplexe Organ Wissenschaftler*innen vor viele Fragen. Erkenntnisse aus der Hirnforschung sind nicht nur in der Medizin wichtig, sie haben auch Auswirkungen auf gesellschaftliche Bereiche wie Bildung, Erziehung und Rechtsprechung.
Wie ist das Gehirn aufgebaut?
Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste Organ, das die Natur geschaffen hat. Seine Leistungsfähigkeit ist größer als die der stärksten Supercomputer. Das Gehirn ist auf verschiedenen Ebenen in Schaltkreisen organisiert: von den Vorgängen an einer einzelnen Synapse bis hin zu Netzwerken zwischen Millionen von Zellen. Das menschliche Gehirn besteht aus verschiedenen Regionen wie Großhirn, Kleinhirn oder Hirnstamm, die unterschiedliche Aufgaben haben. Für viele Fähigkeiten müssen aber verschiedene Hirnregionen zusammenarbeiten. Deshalb sind sowohl benachbarte Nervenzellen als auch Zellen in weit voneinander entfernten Regionen miteinander verbunden.
Cortex
Die Großhirnrinde, auch Cortex genannt, bedeckt fast das ganze Gehirn. Mit ihren Furchen und Windungen gibt sie dem Gehirn das Aussehen einer Walnuss. Die Großhirnrinde steuert Wahrnehmung, Bewusstsein und Verhalten. Sie ermöglicht es uns zu kommunizieren, schwierige Aufgaben zu lösen und Objekte zu erkennen und einzuordnen.
Frontallappen
Frontallappen heißt der gesamte vordere Teil des Cortex. Von hier aus wird die bewusste Bewegung gesteuert, insbesondere Schnelligkeit, Richtung und Kraftentwicklung. Viele Wissenschaftler*innen verorten hier auch die höheren geistigen Funktionen des Menschen und bezeichnen den Frontallappen als „Träger der Kultur“. Der vorderste Bereich des Frontallappens ist für Aufmerksamkeit, Nachdenken, Entscheidung und Planung verantwortlich und gilt als Sitz der Persönlichkeit.
Temporallappen
Die bekannteste Funktion des Temporallappens ist das Hören. Die Hörzentren nehmen fast die gesamte Oberfläche des Temporallappens ein. Sprache und Musik erfordern wohl eine solch hohe „Rechenleistung“. Der Temporallappen wird aber auch für viele andere Dinge benötigt, zum Riechen, Sprechen, Verstehen, bildlichen Erkennen und zur Gedächtnisbildung.
Hippocampus
Der Hippocampus ist ein „eingerolltes“ Stück Cortex und ein zentraler Teil des limbischen Systems. Er ist wichtig für die Speicherung von Wissen und Erfahrungen – wem er fehlt, der kann sich nichts Neues merken. Der Hippocampus ist einer der wenigen Bereiche des Gehirns, in dem zeitlebens neue Nervenzellen entstehen.
Limbisches System
Das limbische System ist eine Gruppe von Hirnbereichen, die für die Entstehung und Verarbeitung von Emotionen und für Gedächtnisprozesse von großer Bedeutung sind. Die wichtigsten sind Hippocampus, Amygdala (Mandelkern), Gyrus cinguli und Gyrus parahippocampalis. Diese Hirnbereiche sind eng miteinander verknüpft. Das limbische System kontrolliert unsere Gefühle und unsere Sexualität und bewertet die Wichtigkeit von Informationen über die Außenwelt.
Hypothalamus
Der Hypothalamus kontrolliert so wichtige Funktionen wie Fortpflanzung, Ernährung, Temperaturregulation und Zeitmessung. Er ist ein übergeordnetes Zentrum des autonomen Nervensystems, das unbewusste Prozesse steuert, etwa die Atmung oder den Herzschlag. Der hintere Teil des Hypothalamus gehört zum limbischen System.
Hirnanhangsdrüse
Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) ist nur so groß wie eine Erbse – aber lebensnotwendig. Als „Königin der Drüsen“ bestimmt sie das Hormonsystem des Körpers. Sie wird vom Hypothalamus gesteuert und gibt Hormone ins Blut ab. Damit regelt sie Körperfunktionen wie Wachstum und Fortpflanzung und den Stoffwechsel.
Kleinhirn
Das Kleinhirn liegt im hinteren Teil des Schädel. Evolutionsgeschichtlich ist es ein sehr alter Teil des Gehirns. Die Verbindungen zwischen den Nervenzellen sind hier deutlich weniger komplex als im Großhirn. Das Kleinhirn koordiniert die Motorik, also die Körperhaltung und das Gehen, aber auch komplexe Bewegungsabläufe wie das Schreiben. Trotz seiner geringen Größe besteht das Kleinhirn aus viermal mehr Zellen als das gesamte restliche Gehirn.
Hirnstamm
Der Hirnstamm ist direkt mit dem Rückenmark verbunden und so etwas wie die „Technikzentrale“ des Gehirns. Nicht größer als ein Daumen, kontrolliert und regelt der Hirnstamm die unbewussten, lebensnotwendigen Prozesse im Körper wie Kreislauf, Atmung oder Schlaf. Entwicklungsgeschichtlich ist er der älteste Teil des Gehirns. Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier sind deshalb hier vergleichsweise gering.
Kommunikation ist alles
Unser Gehirn ist ein komplexes Netzwerk aus rund Milliarden von Nervenzellen, die ständig miteinander kommunizieren. Dauernd werden Verbindungen zwischen den Nervenzellen neu aufgebaut oder getrennt, verstärkt oder abgeschwächt. Dies ist auch die Voraussetzung dafür, dass wir lernen und vergessen können. Die Nervenzellen nehmen über die Dendriten elektrische Reize auf und leiten diese zum Zellkörper. Von dort werden sie über das Axon zu anderen Nervenzellen gesendet. Die Übertragung von einer Zelle zur nächsten geschieht an den Synapsen. Hier wird der elektrische Impuls in einen chemischen Impuls übersetzt. Es gibt Nervenzellen im Gehirn, die Signale von bis zu 10.000 anderen Nervenzellen erhalten und solche, die Signale an Tausende andere weitergeben.
Die Nervenzellen im Gehirn sind in Schichten angeordnet. Diese Schichten und ihre vielen Verbindungen sind die Voraussetzung für das schnelle Verarbeiten von Informationen.
Gedankenautobahnen
Die Zuordnung bestimmter Funktionen zu einzelnen Hirnregionen erklärt nicht die komplexen Leistungen des Gehirns – Handlung, Emotion und Aufmerksamkeit etwa hängen voneinander ab. Auch kognitive Leistungen, wie zum Beispiel Rechnen, werden erst durch die komplizierte Verschaltung von unterschiedlichen Gehirnregionen möglich. Im Gehirn verlaufen große Nervenfaserbündel, die die Zellen der verschiedenen Hirnregionen „überregional“ miteinander verbinden. Mithilfe der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (dMRT) können Wissenschaftler*innen diese Vernetzung der Hirnareale am lebenden menschlichen Gehirn nachvollziehen. Die Technik ist nicht invasiv, ungefährlich und sehr genau. Gemessen wird die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen im Gewebe. Diese können sich entlang der Nervenfaserbündel schneller und leichter bewegen als quer dazu. Die gemessenen Diffusionsgradienten übersetzen die Forscher*innen anschließend in leuchtende Farbmuster.
Die großen Nervenfaserbündel im Gehirn können mit dMRT sichtbar gemacht werden. Die Farben zeigen die Ausrichtung der Fasern an.
Mehr als Service für Neuronen
Neben den Nervenzellen gibt es im Gehirn noch eine weitere Art von Zellen, die Gliazellen. Ohne sie würde in unseren Köpfen gar nichts funktionieren. Gliazellen bilden die Grundstruktur des Gehirns und führen so zu einer schnellen Informationsverarbeitung. Sie versorgen die Nervenzellen mit Nahrung und entsorgen deren Abfallstoffe. Auch die Schicht, die die langen Nervenfasern elektrisch isoliert, wird von Gliazellen gebildet. Sie ist die Voraussetzung für die für Wirbeltiere typische schnelle Nervenleitung. Max-Planck-Wissenschaftler*innen in Göttingen erforschen die Bedeutung der Gliazellen bei neurologischen und psychiatrischen Krankheiten. Die Münchner Neurobiologin Magdalena Götz entdeckt, dass sich bei der Entwicklung des Gehirns auch die Nervenzellen aus Gliazellen entwickeln. Nun untersucht sie, ob aus Gliazellen auch im entwickelten Gehirn neue Nervenzellen entstehen können, zum Beispiel nach einer schweren Gehirnverletzung oder einem Schlaganfall.
Bei einer Verletzung des Gehirns werden bestimmte Gliazellen aktiv: Mikroglia (hier rot) und Astrozyten (grün) stützen, schützen und ernähren die Nervenzellen (blau-türkis), so dass diese sich erholen können.
Der Schaltplan des Gehirns
Die gesamten Nervenverbindungen eines Lebewesens heißen Konnektom. Dieser Begriff soll zum Ausdruck bringen, dass die Nervenzellen stark miteinander vernetzt sind und nur in ihrer Beziehung zueinander verstanden werden können. Das Konnektom des menschlichen Gehirns ist sehr komplex. Wissenschaftler*innen untersuchen die grundlegenden Prinzipien deshalb an einfacher aufgebauten Gehirnen, zum Beispiel bei Mäusen. So können Forscher*innen des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung 2019 die Verbindungen in einem kleinen Stück eines Mäusegehirns so genau sichtbar machen wie noch nie zuvor: ein Schaltplan zwischen rund 7000 Axonen, mit mehr als zweieinhalb Metern neuronaler „Kabel“, verknüpft über gut 400.000 Synapsen. Dazu nutzen sie eine neue Art der Bildverarbeitung, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basiert. Sie können dabei auch erstmals zeigen, dass die Anordnung neuer Synapsen festen Regeln folgt.
Ein kleiner Teil aus der Großhirnrinde einer Maus – rekonstruiert mit KI-basierter Bildverarbeitungssoftware.
Unser Gehirn bestimmt Wahrnehmungen, Handlungen, Gedanken und Gefühle und sogar unseren Charakter. Genetische Anlagen spielen dabei ebenso eine Rolle wie eigene Erfahrungen und Einflüsse von Umwelt und Mitmenschen. Informationen gelangen über die Sinne wie Sehen, Tasten, Hören oder Schmecken in unser Gehirn. Erst dort entsteht dann ein einzigartiges, individuelles Bild der Welt. Zu jeder Zeit laufen im Gehirn eines Menschen unzählige bewusste und unbewusste Vorgänge ab. Dadurch verändert sich auch das Gehirn selbst.
Entscheidende Fortschritte in der Mikroskopie und anderen bildgebenden Verfahren zeigen immer genauer, wie unser Gehirn funktioniert. Doch weiterhin stellt dieses außerordentlich komplexe Organ Wissenschaftler*innen vor viele Fragen. Erkenntnisse aus der Hirnforschung sind nicht nur in der Medizin wichtig, sie haben auch Auswirkungen auf gesellschaftliche Bereiche wie Bildung, Erziehung und Rechtsprechung.
Wie ist das Gehirn aufgebaut?
Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste Organ, das die Natur geschaffen hat. Seine Leistungsfähigkeit ist größer als die der stärksten Supercomputer. Das Gehirn ist auf verschiedenen Ebenen in Schaltkreisen organisiert: von den Vorgängen an einer einzelnen Synapse bis hin zu Netzwerken zwischen Millionen von Zellen. Das menschliche Gehirn besteht aus verschiedenen Regionen wie Großhirn, Kleinhirn oder Hirnstamm, die unterschiedliche Aufgaben haben. Für viele Fähigkeiten müssen aber verschiedene Hirnregionen zusammenarbeiten. Deshalb sind sowohl benachbarte Nervenzellen als auch Zellen in weit voneinander entfernten Regionen miteinander verbunden.
Cortex
Die Großhirnrinde, auch Cortex genannt, bedeckt fast das ganze Gehirn. Mit ihren Furchen und Windungen gibt sie dem Gehirn das Aussehen einer Walnuss. Die Großhirnrinde steuert Wahrnehmung, Bewusstsein und Verhalten. Sie ermöglicht es uns zu kommunizieren, schwierige Aufgaben zu lösen und Objekte zu erkennen und einzuordnen.
Frontallappen
Frontallappen heißt der gesamte vordere Teil des Cortex. Von hier aus wird die bewusste Bewegung gesteuert, insbesondere Schnelligkeit, Richtung und Kraftentwicklung. Viele Wissenschaftler*innen verorten hier auch die höheren geistigen Funktionen des Menschen und bezeichnen den Frontallappen als „Träger der Kultur“. Der vorderste Bereich des Frontallappens ist für Aufmerksamkeit, Nachdenken, Entscheidung und Planung verantwortlich und gilt als Sitz der Persönlichkeit.
Temporallappen
Die bekannteste Funktion des Temporallappens ist das Hören. Die Hörzentren nehmen fast die gesamte Oberfläche des Temporallappens ein. Sprache und Musik erfordern wohl eine solch hohe „Rechenleistung“. Der Temporallappen wird aber auch für viele andere Dinge benötigt, zum Riechen, Sprechen, Verstehen, bildlichen Erkennen und zur Gedächtnisbildung.
Hippocampus
Der Hippocampus ist ein „eingerolltes“ Stück Cortex und ein zentraler Teil des limbischen Systems. Er ist wichtig für die Speicherung von Wissen und Erfahrungen – wem er fehlt, der kann sich nichts Neues merken. Der Hippocampus ist einer der wenigen Bereiche des Gehirns, in dem zeitlebens neue Nervenzellen entstehen.
Limbisches System
Das limbische System ist eine Gruppe von Hirnbereichen, die für die Entstehung und Verarbeitung von Emotionen und für Gedächtnisprozesse von großer Bedeutung sind. Die wichtigsten sind Hippocampus, Amygdala (Mandelkern), Gyrus cinguli und Gyrus parahippocampalis. Diese Hirnbereiche sind eng miteinander verknüpft. Das limbische System kontrolliert unsere Gefühle und unsere Sexualität und bewertet die Wichtigkeit von Informationen über die Außenwelt.
Hypothalamus
Der Hypothalamus kontrolliert so wichtige Funktionen wie Fortpflanzung, Ernährung, Temperaturregulation und Zeitmessung. Er ist ein übergeordnetes Zentrum des autonomen Nervensystems, das unbewusste Prozesse steuert, etwa die Atmung oder den Herzschlag. Der hintere Teil des Hypothalamus gehört zum limbischen System.
Hirnanhangsdrüse
Die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) ist nur so groß wie eine Erbse – aber lebensnotwendig. Als „Königin der Drüsen“ bestimmt sie das Hormonsystem des Körpers. Sie wird vom Hypothalamus gesteuert und gibt Hormone ins Blut ab. Damit regelt sie Körperfunktionen wie Wachstum und Fortpflanzung und den Stoffwechsel.
Kleinhirn
Das Kleinhirn liegt im hinteren Teil des Schädel. Evolutionsgeschichtlich ist es ein sehr alter Teil des Gehirns. Die Verbindungen zwischen den Nervenzellen sind hier deutlich weniger komplex als im Großhirn. Das Kleinhirn koordiniert die Motorik, also die Körperhaltung und das Gehen, aber auch komplexe Bewegungsabläufe wie das Schreiben. Trotz seiner geringen Größe besteht das Kleinhirn aus viermal mehr Zellen als das gesamte restliche Gehirn.
Hirnstamm
Der Hirnstamm ist direkt mit dem Rückenmark verbunden und so etwas wie die „Technikzentrale“ des Gehirns. Nicht größer als ein Daumen, kontrolliert und regelt der Hirnstamm die unbewussten, lebensnotwendigen Prozesse im Körper wie Kreislauf, Atmung oder Schlaf. Entwicklungsgeschichtlich ist er der älteste Teil des Gehirns. Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier sind deshalb hier vergleichsweise gering.
Kommunikation ist alles
Unser Gehirn ist ein komplexes Netzwerk aus rund Milliarden von Nervenzellen, die ständig miteinander kommunizieren. Dauernd werden Verbindungen zwischen den Nervenzellen neu aufgebaut oder getrennt, verstärkt oder abgeschwächt. Dies ist auch die Voraussetzung dafür, dass wir lernen und vergessen können. Die Nervenzellen nehmen über die Dendriten elektrische Reize auf und leiten diese zum Zellkörper. Von dort werden sie über das Axon zu anderen Nervenzellen gesendet. Die Übertragung von einer Zelle zur nächsten geschieht an den Synapsen. Hier wird der elektrische Impuls in einen chemischen Impuls übersetzt. Es gibt Nervenzellen im Gehirn, die Signale von bis zu 10.000 anderen Nervenzellen erhalten und solche, die Signale an Tausende andere weitergeben.
Die Nervenzellen im Gehirn sind in Schichten angeordnet. Diese Schichten und ihre vielen Verbindungen sind die Voraussetzung für das schnelle Verarbeiten von Informationen.
Gedankenautobahnen
Die Zuordnung bestimmter Funktionen zu einzelnen Hirnregionen erklärt nicht die komplexen Leistungen des Gehirns – Handlung, Emotion und Aufmerksamkeit etwa hängen voneinander ab. Auch kognitive Leistungen, wie zum Beispiel Rechnen, werden erst durch die komplizierte Verschaltung von unterschiedlichen Gehirnregionen möglich. Im Gehirn verlaufen große Nervenfaserbündel, die die Zellen der verschiedenen Hirnregionen „überregional“ miteinander verbinden. Mithilfe der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (dMRT) können Wissenschaftler*innen diese Vernetzung der Hirnareale am lebenden menschlichen Gehirn nachvollziehen. Die Technik ist nicht invasiv, ungefährlich und sehr genau. Gemessen wird die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen im Gewebe. Diese können sich entlang der Nervenfaserbündel schneller und leichter bewegen als quer dazu. Die gemessenen Diffusionsgradienten übersetzen die Forscher*innen anschließend in leuchtende Farbmuster.
Die großen Nervenfaserbündel im Gehirn können mit dMRT sichtbar gemacht werden. Die Farben zeigen die Ausrichtung der Fasern an.
Mehr als Service für Neuronen
Neben den Nervenzellen gibt es im Gehirn noch eine weitere Art von Zellen, die Gliazellen. Ohne sie würde in unseren Köpfen gar nichts funktionieren. Gliazellen bilden die Grundstruktur des Gehirns und führen so zu einer schnellen Informationsverarbeitung. Sie versorgen die Nervenzellen mit Nahrung und entsorgen deren Abfallstoffe. Auch die Schicht, die die langen Nervenfasern elektrisch isoliert, wird von Gliazellen gebildet. Sie ist die Voraussetzung für die für Wirbeltiere typische schnelle Nervenleitung. Max-Planck-Wissenschaftler*innen in Göttingen erforschen die Bedeutung der Gliazellen bei neurologischen und psychiatrischen Krankheiten. Die Münchner Neurobiologin Magdalena Götz entdeckt, dass sich bei der Entwicklung des Gehirns auch die Nervenzellen aus Gliazellen entwickeln. Nun untersucht sie, ob aus Gliazellen auch im entwickelten Gehirn neue Nervenzellen entstehen können, zum Beispiel nach einer schweren Gehirnverletzung oder einem Schlaganfall.
Bei einer Verletzung des Gehirns werden bestimmte Gliazellen aktiv: Mikroglia (hier rot) und Astrozyten (grün) stützen, schützen und ernähren die Nervenzellen (blau-türkis), so dass diese sich erholen können.
Der Schaltplan des Gehirns
Die gesamten Nervenverbindungen eines Lebewesens heißen Konnektom. Dieser Begriff soll zum Ausdruck bringen, dass die Nervenzellen stark miteinander vernetzt sind und nur in ihrer Beziehung zueinander verstanden werden können. Das Konnektom des menschlichen Gehirns ist sehr komplex. Wissenschaftler*innen untersuchen die grundlegenden Prinzipien deshalb an einfacher aufgebauten Gehirnen, zum Beispiel bei Mäusen. So können Forscher*innen des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung 2019 die Verbindungen in einem kleinen Stück eines Mäusegehirns so genau sichtbar machen wie noch nie zuvor: ein Schaltplan zwischen rund 7000 Axonen, mit mehr als zweieinhalb Metern neuronaler „Kabel“, verknüpft über gut 400.000 Synapsen. Dazu nutzen sie eine neue Art der Bildverarbeitung, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basiert. Sie können dabei auch erstmals zeigen, dass die Anordnung neuer Synapsen festen Regeln folgt.
Ein kleiner Teil aus der Großhirnrinde einer Maus – rekonstruiert mit KI-basierter Bildverarbeitungssoftware.
Unter Emotionen verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben.
Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Angst, Ekel, aber auch Freude oder Trauer lassen sich nur schwer unterdrücken. Und weil sie so stark sind, können Gefühle das Leben auch sehr belasten – etwa bei Depressionen oder Angsterkrankungen.
Für die Wissenschaft sind Emotionen ein schwieriges Forschungsgebiet. Denn sie sind sehr individuell und oft schwer zu beschreiben. Das am besten erforschte Gefühl ist die Angst. Die individuelle Emotionalität ist ein wichtiger Teil unserer Persönlichkeit. Erfahrungen in unserem Leben und Ereignisse, die mit starken Gefühlen verbunden sind, bleiben besonders tief im Gedächtnis: An die erste Liebe erinnern wir uns ein ganzes Leben lang.
Die große Liebe – alles nur Chemie?
In der aufregenden Zeit des Verliebtseins überschwemmt der Botenstoff Dopamin das Gehirn. Er wird vom Hypothalamus ausgeschüttet, der wichtigsten Hormonquelle des Gehirns. Dopamin wirkt vor allem im limbischen System und spielt auch bei Belohnung und Euphorie eine große Rolle. Sind wir verliebt, produziert der Körper weniger Stresshormone, Wunden heilen schneller und Schmerzen werden nicht so intensiv wahrgenommen. Doch irgendwann sinkt der Dopaminspiegel wieder und aus dem Verliebtsein kann Liebe werden. Jetzt spielt Oxytocin eine größere Rolle. Es wird im Hypothalamus produziert und in der Hirnanhangsdrüse gespeichert. Das Hormon beruhigt, reduziert Ängste und Aggressionen und fördert das Gefühl von Nähe und Vertrauen. Berührungen sind Reize, die für eine Produktion von Oxytocin und Dopamin sorgen können – auch wenn die erste Zeit des Verliebtseins schon lange vorbei ist.
Wegrennen oder nicht?
Emotionen bewirken bestimmte Verhaltensmuster. Angst zum Beispiel bereitet den Körper darauf vor, zu fliehen oder zu kämpfen: Herzfrequenz und Blutdruck steigen, die Muskeln werden mit Energie versorgt, die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die Bedrohung. Das kann sehr sinnvoll sein oder auch völlig nutzlos – je nach Situation. Die eigenen Gefühle, Erfahrungen und das Verhalten der anderen müssen miteinander verrechnet werden, um angemessen reagieren zu können. Dabei spielt die Inselrinde, ein Teil der Großhirnrinde, eine bedeutende Rolle. Was genau dort passiert, untersuchen Nadine Gogolla und ihre Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Neurobiologie. Wie oft in der Hirnforschung arbeiten die Wissenschaftler*innen auch hier mit Mäusen als Modell. Dabei entdecken sie, dass Mäuse genauso wie Menschen Gesichtsausdrücke haben, aus denen Emotionen wie Freude, Ekel und Angst zuverlässig herausgelesen werden können. Mithilfe einer neu entwickelten computergestützten Gesichtsausdrucksanalyse können die Forscher*innen nun die Intensität und Art einer Emotion messen und mit der Aktivität der Nervenzellen in einer bestimmten Gehirnregion vergleichen.
Gefühle in Gesellschaft
Was ein Mensch fühlt – und wie er oder sie das einer anderen Person gegenüber zeigt bzw. zeigen darf – ist nicht nur Ausdruck eines inneren Zustands, sondern wird auch erlernt und durch die Gesellschaft mitbestimmt. Haben also Gefühle eine Geschichte? Schreiben Gefühle gar Geschichte? Diesen Fragen gehen Ute Frevert und ihr Team am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nach. Denn auch politisch und gesellschaftlich haben Gefühle wie Angst, Wut oder Hoffnung einen großen Einfluss. So untersuchen die Forscher*innen zum Beispiel die Bedeutung von Scham, Schande und öffentlicher Demütigung in verschiedenen Kulturen und Zeiten. Diese Gefühle spielen auch heute noch eine große Rolle: Im Internet entstehen fast jeden Tag neue Shaming-Plattformen. Cyber-Mobbing betrifft besonders Kinder und Jugendliche. Und für das Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften sind Erkenntnisse über die unterschiedlichen Auswirkungen von Emotionen von großer Bedeutung.
Soundcheck – Musik oder Krach?
Wenn es um Musik geht, sind die Geschmäcker bekanntlich verschieden. Aber jeder Mensch kann sofort sagen, ob er oder sie ein Musikstück mag oder nicht. Die Forscher*innen am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt wollen herausfinden, wovon es abhängt, ob jemand Musik als schön oder schrecklich empfindet. Dazu nutzen sie das ArtLab, einen multifunktionalen Veranstaltungsraum, der Konzertsaal und Labor in einem ist. Klänge, Mimik, Gestik sowie verschiedene physiologische Daten der Künstler*innen und der bis zu 46 Zuhörer*innen können dort erfasst und ausgewertet werden.
Die Sänger*innen eines Vokalensembles proben im Frankfurter ArtLab. Dabei werden unter anderem EEG, EKG und Atemfrequenz der Künstler*innen erfasst:
Leipziger Max-Planck-Wissenschaftler*innen wollen dagegen wissen, was einen erfolgreichen Popsong ausmacht. Ob ein Musikstück ein Hit wird, hängt nicht so sehr von Text oder Melodie ab, sondern von den Akkordfolgen. Besonders beliebte Songs zeichnen sich durch eine Mischung von vorhersehbaren und überraschenden Akkordfolgen aus. Denn nur dann wird das Genusssystem im Gehirn aktiviert. Das erklärt auch, warum wir uns durch das Hören der "richtigen" Musik oft gleich besser fühlen.
Liebe, Angst, Wut, Traurigkeit und Freude - was passiert im Kopf?
Liebe
Ist man verliebt, wird im Gehirn das Belohnungssystem aktiviert. Es werden zahlreiche Hormone wie Dopamin, Vasopressin und Oxytocin produziert. Entscheidend für die Entstehung dieser positiven Gefühle ist das limbische System. Es besteht aus Neuronen, die den Botenstoff Dopamin verwenden. Die Zellkörper dieser Neuronen liegen im Hirnstamm, ziehen in die Amygdala und den Hippocampus und enden im unteren Vorderhirn im Nucleus accumbens – dem Belohnungssystem.
Angst
Die Amygdala (Mandelkern) entscheidet in wenigen Millisekunden, ob wir Angst haben. Das Herz schlägt schneller, die Muskeln bekommen mehr Energie – wir sind bereit für Kampf oder Flucht. Die Amygdala liegt im Temporallappen und ist mit dem Hirnstamm verbunden. Sie beeinflusst so die autonomen Funktionen des Körpers wie Atmung und Kreislauf. Ein besonders dickes Nervenbündel führt zum Hypothalamus, der die Adrenalinproduktion auslöst. Die Amygdala erhält Informationen aus allen sensorischen Regionen der Großhirnrinde. Der Frontallappen vergleicht die sensorischen Signale mit bereits gemachten Erfahrungen und kann die Aktivität der Amygdala hemmen.
Wut
Werden wir beleidigt, wird die Information über Augen und Ohren zunächst an das Zwischenhirn geschickt, das sie an die Amygdala und an den Frontallappen der Großhirnrinde weitergibt. Doch entscheidet die „emotionale“ Amygdala, dass es sich um eine Kränkung handelt, dann hat die „rationale“ Großhirnrinde keine Chance: Die Amygdala ist schneller. Sie aktiviert den Hypothalamus, Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet, der Puls steigt rasant an. Das limbische System sorgt dafür, dass die Wut auch sichtbar wird: Stimme, Mimik und Gestik drücken das aus.
Traurigkeit
Wenn wir verlassen werden oder ein geliebter Mensch stirbt, empfinden wir große Traurigkeit. Im Gehirn kommt es zu einer Stressreaktion. Das Alarmsystem Amygdala wird aktiviert und das Stresshormon Cortisol freigesetzt. Die Trauer jedoch ist ein bewusstes Gefühl. Sie hilft uns den Stress zu verarbeiten und mit den Erfahrungen des Verlustes zu leben. In der Trauer werden Bereiche im Gehirn aktiviert, die im Frontallappen liegen. Sie wirken auf die Amygdala ein, so dass es wieder zur Entspannung kommen kann.
Freude
Zufriedenheit, Freude und Glück hängen eng zusammen. Zufriedenheit ist ein Zustand innerer Ausgeglichenheit, der teils genetisch und teils durch die Umwelt beeinflusst wird. Er entsteht zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr und bleibt zeitlebens weitgehend gleich. Biochemisch sind insbesondere drei Hirnbotenstoffe beteiligt: Serotonin, Dopamin und Oxytocin. Das kurze Hochgefühl des Glücks entsteht durch einen „Cocktail“ aus gehirneigenen Opioiden, wie zum Beispiel Endorphine. Entscheidend für die Qualität des Glücks ist der Ursprung der Freude. Materielle Dinge wie ein neues Kleidungsstück aktivieren vor allem das Belohnungssystem. Dieses Glücksgefühl ist nur von kurzer Dauer. Soziale Belohnungen, etwa Anerkennung und Freundschaft wirken dagegen länger.
Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Angst, Ekel, aber auch Freude oder Trauer lassen sich nur schwer unterdrücken. Und weil sie so stark sind, können Gefühle das Leben auch sehr belasten – etwa bei Depressionen oder Angsterkrankungen.
Für die Wissenschaft sind Emotionen ein schwieriges Forschungsgebiet. Denn sie sind sehr individuell und oft schwer zu beschreiben. Das am besten erforschte Gefühl ist die Angst. Die individuelle Emotionalität ist ein wichtiger Teil unserer Persönlichkeit. Erfahrungen in unserem Leben und Ereignisse, die mit starken Gefühlen verbunden sind, bleiben besonders tief im Gedächtnis: An die erste Liebe erinnern wir uns ein ganzes Leben lang.
Die große Liebe – alles nur Chemie?
In der aufregenden Zeit des Verliebtseins überschwemmt der Botenstoff Dopamin das Gehirn. Er wird vom Hypothalamus ausgeschüttet, der wichtigsten Hormonquelle des Gehirns. Dopamin wirkt vor allem im limbischen System und spielt auch bei Belohnung und Euphorie eine große Rolle. Sind wir verliebt, produziert der Körper weniger Stresshormone, Wunden heilen schneller und Schmerzen werden nicht so intensiv wahrgenommen. Doch irgendwann sinkt der Dopaminspiegel wieder und aus dem Verliebtsein kann Liebe werden. Jetzt spielt Oxytocin eine größere Rolle. Es wird im Hypothalamus produziert und in der Hirnanhangsdrüse gespeichert. Das Hormon beruhigt, reduziert Ängste und Aggressionen und fördert das Gefühl von Nähe und Vertrauen. Berührungen sind Reize, die für eine Produktion von Oxytocin und Dopamin sorgen können – auch wenn die erste Zeit des Verliebtseins schon lange vorbei ist.
Wegrennen oder nicht?
Emotionen bewirken bestimmte Verhaltensmuster. Angst zum Beispiel bereitet den Körper darauf vor, zu fliehen oder zu kämpfen: Herzfrequenz und Blutdruck steigen, die Muskeln werden mit Energie versorgt, die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die Bedrohung. Das kann sehr sinnvoll sein oder auch völlig nutzlos – je nach Situation. Die eigenen Gefühle, Erfahrungen und das Verhalten der anderen müssen miteinander verrechnet werden, um angemessen reagieren zu können. Dabei spielt die Inselrinde, ein Teil der Großhirnrinde, eine bedeutende Rolle. Was genau dort passiert, untersuchen Nadine Gogolla und ihre Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Neurobiologie. Wie oft in der Hirnforschung arbeiten die Wissenschaftler*innen auch hier mit Mäusen als Modell. Dabei entdecken sie, dass Mäuse genauso wie Menschen Gesichtsausdrücke haben, aus denen Emotionen wie Freude, Ekel und Angst zuverlässig herausgelesen werden können. Mithilfe einer neu entwickelten computergestützten Gesichtsausdrucksanalyse können die Forscher*innen nun die Intensität und Art einer Emotion messen und mit der Aktivität der Nervenzellen in einer bestimmten Gehirnregion vergleichen.
Gefühle in Gesellschaft
Was ein Mensch fühlt – und wie er oder sie das einer anderen Person gegenüber zeigt bzw. zeigen darf – ist nicht nur Ausdruck eines inneren Zustands, sondern wird auch erlernt und durch die Gesellschaft mitbestimmt. Haben also Gefühle eine Geschichte? Schreiben Gefühle gar Geschichte? Diesen Fragen gehen Ute Frevert und ihr Team am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nach. Denn auch politisch und gesellschaftlich haben Gefühle wie Angst, Wut oder Hoffnung einen großen Einfluss. So untersuchen die Forscher*innen zum Beispiel die Bedeutung von Scham, Schande und öffentlicher Demütigung in verschiedenen Kulturen und Zeiten. Diese Gefühle spielen auch heute noch eine große Rolle: Im Internet entstehen fast jeden Tag neue Shaming-Plattformen. Cyber-Mobbing betrifft besonders Kinder und Jugendliche. Und für das Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften sind Erkenntnisse über die unterschiedlichen Auswirkungen von Emotionen von großer Bedeutung.
Soundcheck – Musik oder Krach?
Wenn es um Musik geht, sind die Geschmäcker bekanntlich verschieden. Aber jeder Mensch kann sofort sagen, ob er oder sie ein Musikstück mag oder nicht. Die Forscher*innen am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt wollen herausfinden, wovon es abhängt, ob jemand Musik als schön oder schrecklich empfindet. Dazu nutzen sie das ArtLab, einen multifunktionalen Veranstaltungsraum, der Konzertsaal und Labor in einem ist. Klänge, Mimik, Gestik sowie verschiedene physiologische Daten der Künstler*innen und der bis zu 46 Zuhörer*innen können dort erfasst und ausgewertet werden.
Die Sänger*innen eines Vokalensembles proben im Frankfurter ArtLab. Dabei werden unter anderem EEG, EKG und Atemfrequenz der Künstler*innen erfasst:
Leipziger Max-Planck-Wissenschaftler*innen wollen dagegen wissen, was einen erfolgreichen Popsong ausmacht. Ob ein Musikstück ein Hit wird, hängt nicht so sehr von Text oder Melodie ab, sondern von den Akkordfolgen. Besonders beliebte Songs zeichnen sich durch eine Mischung von vorhersehbaren und überraschenden Akkordfolgen aus. Denn nur dann wird das Genusssystem im Gehirn aktiviert. Das erklärt auch, warum wir uns durch das Hören der "richtigen" Musik oft gleich besser fühlen.
Liebe, Angst, Wut, Traurigkeit und Freude - was passiert im Kopf?
Liebe
Ist man verliebt, wird im Gehirn das Belohnungssystem aktiviert. Es werden zahlreiche Hormone wie Dopamin, Vasopressin und Oxytocin produziert. Entscheidend für die Entstehung dieser positiven Gefühle ist das limbische System. Es besteht aus Neuronen, die den Botenstoff Dopamin verwenden. Die Zellkörper dieser Neuronen liegen im Hirnstamm, ziehen in die Amygdala und den Hippocampus und enden im unteren Vorderhirn im Nucleus accumbens – dem Belohnungssystem.
Angst
Die Amygdala (Mandelkern) entscheidet in wenigen Millisekunden, ob wir Angst haben. Das Herz schlägt schneller, die Muskeln bekommen mehr Energie – wir sind bereit für Kampf oder Flucht. Die Amygdala liegt im Temporallappen und ist mit dem Hirnstamm verbunden. Sie beeinflusst so die autonomen Funktionen des Körpers wie Atmung und Kreislauf. Ein besonders dickes Nervenbündel führt zum Hypothalamus, der die Adrenalinproduktion auslöst. Die Amygdala erhält Informationen aus allen sensorischen Regionen der Großhirnrinde. Der Frontallappen vergleicht die sensorischen Signale mit bereits gemachten Erfahrungen und kann die Aktivität der Amygdala hemmen.
Wut
Werden wir beleidigt, wird die Information über Augen und Ohren zunächst an das Zwischenhirn geschickt, das sie an die Amygdala und an den Frontallappen der Großhirnrinde weitergibt. Doch entscheidet die „emotionale“ Amygdala, dass es sich um eine Kränkung handelt, dann hat die „rationale“ Großhirnrinde keine Chance: Die Amygdala ist schneller. Sie aktiviert den Hypothalamus, Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet, der Puls steigt rasant an. Das limbische System sorgt dafür, dass die Wut auch sichtbar wird: Stimme, Mimik und Gestik drücken das aus.
Traurigkeit
Wenn wir verlassen werden oder ein geliebter Mensch stirbt, empfinden wir große Traurigkeit. Im Gehirn kommt es zu einer Stressreaktion. Das Alarmsystem Amygdala wird aktiviert und das Stresshormon Cortisol freigesetzt. Die Trauer jedoch ist ein bewusstes Gefühl. Sie hilft uns den Stress zu verarbeiten und mit den Erfahrungen des Verlustes zu leben. In der Trauer werden Bereiche im Gehirn aktiviert, die im Frontallappen liegen. Sie wirken auf die Amygdala ein, so dass es wieder zur Entspannung kommen kann.
Freude
Zufriedenheit, Freude und Glück hängen eng zusammen. Zufriedenheit ist ein Zustand innerer Ausgeglichenheit, der teils genetisch und teils durch die Umwelt beeinflusst wird. Er entsteht zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr und bleibt zeitlebens weitgehend gleich. Biochemisch sind insbesondere drei Hirnbotenstoffe beteiligt: Serotonin, Dopamin und Oxytocin. Das kurze Hochgefühl des Glücks entsteht durch einen „Cocktail“ aus gehirneigenen Opioiden, wie zum Beispiel Endorphine. Entscheidend für die Qualität des Glücks ist der Ursprung der Freude. Materielle Dinge wie ein neues Kleidungsstück aktivieren vor allem das Belohnungssystem. Dieses Glücksgefühl ist nur von kurzer Dauer. Soziale Belohnungen, etwa Anerkennung und Freundschaft wirken dagegen länger.
Schlaf ist für die Funktionsfähigkeit des Gehirns und das Überleben des gesamten Organismus notwendig. Das Schlafen hat viele Funktionen: Im Körper finden Wachstums- und Regenerationsprozesse, Entgiftung und Wundheilung statt – der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren. Auch Teile des Gehirns sind jetzt hochaktiv. Sie verarbeiten alles, was das Gehirn am Tag aufgenommen hat. Wichtige Informationen werden vom Kurzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis verschoben.
Jedes Lebewesen hat innerhalb von 24 Stunden einen wiederkehrenden Schlaf-Wach-Zyklus. Der Zeitablauf und die Kontrolle hängen von der biologischen „inneren Uhr" ab. Schlaf besteht aus zwei deutlich zu unterscheidenden Zuständen: dem REM-Schlaf (REM = „rapid eye movement“) und dem Non-REM-Schlaf. Wissenschaftler*innen nehmen an, dass die optimale Schlafdauer von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist – bei Erwachsenen liegt sie bei durchschnittlich sieben bis acht Stunden. Das Schlafbedürfnis eines erwachsenen Menschen ändert sich während des gesamten Lebens nicht.
Schlafphasen
Während eines gesunden Schlafes wechseln sich meist vier bis fünf Schlafzyklen ab. Der REM-Schlaf ist durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet und oft traumreich. Er ist ein Zustand unterhalb des Wachzustands, aber deutlich über dem Tiefschlaf. Blutdruck und Puls sind relativ hoch, die Skelettmuskulatur ist jedoch völlig entspannt. Der Non-REM-Schlaf unterteilt sich in mehrere Stadien, die sich in Bezug auf den Ausschlag und die Geschwindigkeit der Gehirnwellen unterscheiden. Das Stadium N 3 des Non-REM-Schlafes wird „Tiefschlaf“ genannt. Vor allem in dieser Phase werden Wachstumshormone aus der Hirnanhangsdrüse, der sogenannten Hypophyse, ausschüttet.
Schlummern zwischen Himmel und Erde
Alle Lebewesen müssen schlafen. Allerdings ist das Schlafbedürfnis sehr unterschiedlich: Manche Tiere schlafen 20 Stunden am Tag, anderen reichen zwei Stunden. Wie aber ist das mit Vögeln, die fast ihr ganzes Leben in der Luft verbringen? Oder Zugvögeln, die Tausende von Kilometern ohne Zwischenlandung zurücklegen? Auch sie schlafen – und zwar im Flug, wie Max-Planck-Wissenschaftler*innen bei Fregattvögeln nachweisen. Dazu tragen die Vögel kleine Messgeräte, die die Hirnaktivität aufnehmen. Allerdings schlafen die Tiere in der Luft nur etwas mehr als 40 Minuten pro Tag und meist nur einige Sekunden am Stück. Normalerweise schläft dabei nur eine Gehirnhälfte, die andere ist wach. Manchmal schlafen bei den fliegenden Fregattvögeln aber auch beide Hirnhälften gleichzeitig. Die Forscher*innen messen sogar kurze REM-Phasen. REM-Schlaf gibt es nur bei Säugetieren und Vögeln. Während bei Säugetieren dabei die Muskeln komplett zur Ruhe kommen, können Vögel auch dann noch segeln.
Die Uhr, die den Tag regiert
In vielen Ländern der Erde gibt es Sommer- und Winterzeit – zweimal im Jahr werden die Uhren um eine Stunde verstellt. Vielen Menschen fällt die Umstellung schwer. Das liegt an der „inneren Uhr“, die in (fast) jeder Zelle unseres Körpers aktiv ist und durch ein Netzwerk von Genen und Proteinen gesteuert wird. Sie sorgt dafür, dass wichtige physiologische Prozesse im Körper wie Schlaf und Wachsein, Blutdruck und Körpertemperatur einerseits stabil dem Tagesablauf folgen, andererseits aber auch an neue Umweltbedingungen angepasst werden. Der wichtigste Impuls ist dabei das Tageslicht. Spezielle Lichtsinneszellen im Auge senden Informationen direkt an den Hypothalamus. Aber auch die von der Hirnanhangsdrüse und den Nebennieren produzierten Hormone wie Cortisol und Adrenalin spielen eine wichtige Rolle. Die „innere Uhr“ ist ein komplexes System, in dem viele Aspekte noch erforscht werden, zum Beispiel am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.
Lernen im Schlaf
Unser Gehirn muss viele Reize verarbeiten. Es sorgt für Ordnung, indem es neue Informationen im Langzeitgedächtnis speichert, ähnliche Erfahrungen zusammenfasst und in Form von Gruppen verallgemeinert. Dafür ist eines entscheidend: genug Schlaf. Bereits das Gehirn von sechs bis acht Monate alten Babys ordnet im Schlaf Wörtern eine Bedeutung zu. Das belegen Studien am Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften: Forscher*innen zeigen Babys Dinge, die sie noch nicht kennen. Wenn sich diese Dinge nur leicht in Form oder Farbe unterscheiden, wie zum Beispiel eine grüne und eine rote Tasse, werden sie einer Gruppe zusammengefasst – und in diesem Fall beide „Tasse“ genannt. In der Lernphase können Babys die neuen Dinge noch nicht einer Gruppe zuordnen und mit dem richtigen Namen verbinden. Das ändert sich nach dem Schlafen. Nun kann das Gehirn die verschiedenen Tassen dem allgemeinen Namen „Tasse“ zuordnen. Die Babys haben also während des Schlafes neues Wissen verallgemeinert. Das gilt auch für Erwachsene. Für das Sichern von Sachwissen sind vor allem die Tiefschlafphasen wichtig, für die Verarbeitung von Handlungsabläufen und Emotionen die Traumschlafphasen.
Jedes Lebewesen hat innerhalb von 24 Stunden einen wiederkehrenden Schlaf-Wach-Zyklus. Der Zeitablauf und die Kontrolle hängen von der biologischen „inneren Uhr" ab. Schlaf besteht aus zwei deutlich zu unterscheidenden Zuständen: dem REM-Schlaf (REM = „rapid eye movement“) und dem Non-REM-Schlaf. Wissenschaftler*innen nehmen an, dass die optimale Schlafdauer von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist – bei Erwachsenen liegt sie bei durchschnittlich sieben bis acht Stunden. Das Schlafbedürfnis eines erwachsenen Menschen ändert sich während des gesamten Lebens nicht.
Schlafphasen
Während eines gesunden Schlafes wechseln sich meist vier bis fünf Schlafzyklen ab. Der REM-Schlaf ist durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet und oft traumreich. Er ist ein Zustand unterhalb des Wachzustands, aber deutlich über dem Tiefschlaf. Blutdruck und Puls sind relativ hoch, die Skelettmuskulatur ist jedoch völlig entspannt. Der Non-REM-Schlaf unterteilt sich in mehrere Stadien, die sich in Bezug auf den Ausschlag und die Geschwindigkeit der Gehirnwellen unterscheiden. Das Stadium N 3 des Non-REM-Schlafes wird „Tiefschlaf“ genannt. Vor allem in dieser Phase werden Wachstumshormone aus der Hirnanhangsdrüse, der sogenannten Hypophyse, ausschüttet.
Schlummern zwischen Himmel und Erde
Alle Lebewesen müssen schlafen. Allerdings ist das Schlafbedürfnis sehr unterschiedlich: Manche Tiere schlafen 20 Stunden am Tag, anderen reichen zwei Stunden. Wie aber ist das mit Vögeln, die fast ihr ganzes Leben in der Luft verbringen? Oder Zugvögeln, die Tausende von Kilometern ohne Zwischenlandung zurücklegen? Auch sie schlafen – und zwar im Flug, wie Max-Planck-Wissenschaftler*innen bei Fregattvögeln nachweisen. Dazu tragen die Vögel kleine Messgeräte, die die Hirnaktivität aufnehmen. Allerdings schlafen die Tiere in der Luft nur etwas mehr als 40 Minuten pro Tag und meist nur einige Sekunden am Stück. Normalerweise schläft dabei nur eine Gehirnhälfte, die andere ist wach. Manchmal schlafen bei den fliegenden Fregattvögeln aber auch beide Hirnhälften gleichzeitig. Die Forscher*innen messen sogar kurze REM-Phasen. REM-Schlaf gibt es nur bei Säugetieren und Vögeln. Während bei Säugetieren dabei die Muskeln komplett zur Ruhe kommen, können Vögel auch dann noch segeln.
Die Uhr, die den Tag regiert
In vielen Ländern der Erde gibt es Sommer- und Winterzeit – zweimal im Jahr werden die Uhren um eine Stunde verstellt. Vielen Menschen fällt die Umstellung schwer. Das liegt an der „inneren Uhr“, die in (fast) jeder Zelle unseres Körpers aktiv ist und durch ein Netzwerk von Genen und Proteinen gesteuert wird. Sie sorgt dafür, dass wichtige physiologische Prozesse im Körper wie Schlaf und Wachsein, Blutdruck und Körpertemperatur einerseits stabil dem Tagesablauf folgen, andererseits aber auch an neue Umweltbedingungen angepasst werden. Der wichtigste Impuls ist dabei das Tageslicht. Spezielle Lichtsinneszellen im Auge senden Informationen direkt an den Hypothalamus. Aber auch die von der Hirnanhangsdrüse und den Nebennieren produzierten Hormone wie Cortisol und Adrenalin spielen eine wichtige Rolle. Die „innere Uhr“ ist ein komplexes System, in dem viele Aspekte noch erforscht werden, zum Beispiel am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.
Lernen im Schlaf
Unser Gehirn muss viele Reize verarbeiten. Es sorgt für Ordnung, indem es neue Informationen im Langzeitgedächtnis speichert, ähnliche Erfahrungen zusammenfasst und in Form von Gruppen verallgemeinert. Dafür ist eines entscheidend: genug Schlaf. Bereits das Gehirn von sechs bis acht Monate alten Babys ordnet im Schlaf Wörtern eine Bedeutung zu. Das belegen Studien am Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften: Forscher*innen zeigen Babys Dinge, die sie noch nicht kennen. Wenn sich diese Dinge nur leicht in Form oder Farbe unterscheiden, wie zum Beispiel eine grüne und eine rote Tasse, werden sie einer Gruppe zusammengefasst – und in diesem Fall beide „Tasse“ genannt. In der Lernphase können Babys die neuen Dinge noch nicht einer Gruppe zuordnen und mit dem richtigen Namen verbinden. Das ändert sich nach dem Schlafen. Nun kann das Gehirn die verschiedenen Tassen dem allgemeinen Namen „Tasse“ zuordnen. Die Babys haben also während des Schlafes neues Wissen verallgemeinert. Das gilt auch für Erwachsene. Für das Sichern von Sachwissen sind vor allem die Tiefschlafphasen wichtig, für die Verarbeitung von Handlungsabläufen und Emotionen die Traumschlafphasen.
Eine der wichtigsten Eigenschaften des Gehirns ist seine Lernfähigkeit. Bei einem neugeborenen Kind gibt es die meisten Gehirnzellen und viele Verbindungen bereits. Doch nur wenn sie auch benutzt werden, werden sie ausgebaut und gefestigt.
Die detaillierte Struktur des Gehirns entsteht somit erst beim Lernen. Beim Menschen dauert diese Entwicklung bis zur Pubertät. Doch auch das Gehirn von Erwachsenen wird ständig umgebaut – wenn auch in geringerem Maße. So kann der Mensch lebenslang lernen.
Lernen bedeutet, dass sich die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn verändern. Das passiert an den Synapsen – also dort, wo sich zwei Nervenzellen treffen. Denn die Synapsen übertragen nicht nur die Nervenimpulse von Zelle zu Zelle, sie sind auch der Informationsspeicher des Gehirns. Je wichtiger die Verbindung zwischen zwei Nervenzellen ist, desto mehr Synapsen entstehen. Wenig genutzte Verbindungen werden dagegen abgebaut. Außerdem können die Synapsen die elektrischen Signale mit unterschiedlicher Intensität von einer Zelle zur nächsten leiten, sie also verstärken oder abschwächen. Diese „synaptische Plastizität“ ist die Ursache dafür, dass das Gehirn anpassungs- und lernfähig ist. Immer wenn das Gehirn etwas speichert, wird die Signalübertragung verstärkt. Wird die Übertragung abgeschwächt oder gar unterbrochen, vergisst das Gehirn das Gelernte.
Das Gedächtnis hinterlässt Spuren
Neurowissenschaftler*innen schauen mithilfe neuer Mikroskopie-Techniken immer genauer auf die Strukturen, die dem Lernen anatomisch zugrunde liegen. So beobachten Tobias Bonhoeffer und seine Mitarbeiter*innen vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie im Gehirn von Mäusen, wie neue Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen entstehen: Die Dendriten einer einzigen Nervenzelle tragen Zehntausende winzige Verdickungen, sogenannte dendritische Dornen, auf denen die meisten Synapsen liegen. Diese Dornen verändern sich ständig. So können Verbindungen zwischen Nervenzellen sehr schnell auf- und abgebaut werden. Wenn Gedankenwege nicht genutzt werden, werden die Dornen reduziert – wir vergessen das Erlernte. Doch immer bleiben dabei einige Synapsen übrig, sie gehen sozusagen auf „Stand-by“. Wenn wir uns später wieder mit demselben Lerninhalt beschäftigen, werden diese Synapsen als Anfang für neue Verbindungen genutzt. Deshalb lernt man zum Beispiel eine Fremdsprache beim zweiten Mal viel leichter.
Chaos im Kopf
Das Gehirn von Jugendlichen ist eine große Baustelle. Nicht mehr benötigte Synapsen verschwinden und immer mehr Axone werden von Myelinscheiden umgeben. Die Übertragung von Informationen wird dadurch immer schneller und besser. Am Ende dieses Prozesses steht ein deutlich leistungsfähigeres Gehirn mit gut funktionierenden neuronalen Netzwerken. Während der Veränderungen wird es oft „chaotisch“, weil nicht alle Gehirnregionen gleich schnell reifen. Das limbische System entwickelt sich jetzt schnell – das Belohnungssystem und emotionale Prozesse gewinnen an Bedeutung. Im Frontallappen, wo Handlungen geplant und verschiedene Möglichkeiten verglichen werden, ist die Entwicklung deutlich langsamer. Das erklärt, warum Jugendliche oft unerwartet und risikofreudig handeln.
Die detaillierte Struktur des Gehirns entsteht somit erst beim Lernen. Beim Menschen dauert diese Entwicklung bis zur Pubertät. Doch auch das Gehirn von Erwachsenen wird ständig umgebaut – wenn auch in geringerem Maße. So kann der Mensch lebenslang lernen.
Lernen bedeutet, dass sich die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn verändern. Das passiert an den Synapsen – also dort, wo sich zwei Nervenzellen treffen. Denn die Synapsen übertragen nicht nur die Nervenimpulse von Zelle zu Zelle, sie sind auch der Informationsspeicher des Gehirns. Je wichtiger die Verbindung zwischen zwei Nervenzellen ist, desto mehr Synapsen entstehen. Wenig genutzte Verbindungen werden dagegen abgebaut. Außerdem können die Synapsen die elektrischen Signale mit unterschiedlicher Intensität von einer Zelle zur nächsten leiten, sie also verstärken oder abschwächen. Diese „synaptische Plastizität“ ist die Ursache dafür, dass das Gehirn anpassungs- und lernfähig ist. Immer wenn das Gehirn etwas speichert, wird die Signalübertragung verstärkt. Wird die Übertragung abgeschwächt oder gar unterbrochen, vergisst das Gehirn das Gelernte.
Das Gedächtnis hinterlässt Spuren
Neurowissenschaftler*innen schauen mithilfe neuer Mikroskopie-Techniken immer genauer auf die Strukturen, die dem Lernen anatomisch zugrunde liegen. So beobachten Tobias Bonhoeffer und seine Mitarbeiter*innen vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie im Gehirn von Mäusen, wie neue Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen entstehen: Die Dendriten einer einzigen Nervenzelle tragen Zehntausende winzige Verdickungen, sogenannte dendritische Dornen, auf denen die meisten Synapsen liegen. Diese Dornen verändern sich ständig. So können Verbindungen zwischen Nervenzellen sehr schnell auf- und abgebaut werden. Wenn Gedankenwege nicht genutzt werden, werden die Dornen reduziert – wir vergessen das Erlernte. Doch immer bleiben dabei einige Synapsen übrig, sie gehen sozusagen auf „Stand-by“. Wenn wir uns später wieder mit demselben Lerninhalt beschäftigen, werden diese Synapsen als Anfang für neue Verbindungen genutzt. Deshalb lernt man zum Beispiel eine Fremdsprache beim zweiten Mal viel leichter.
Chaos im Kopf
Das Gehirn von Jugendlichen ist eine große Baustelle. Nicht mehr benötigte Synapsen verschwinden und immer mehr Axone werden von Myelinscheiden umgeben. Die Übertragung von Informationen wird dadurch immer schneller und besser. Am Ende dieses Prozesses steht ein deutlich leistungsfähigeres Gehirn mit gut funktionierenden neuronalen Netzwerken. Während der Veränderungen wird es oft „chaotisch“, weil nicht alle Gehirnregionen gleich schnell reifen. Das limbische System entwickelt sich jetzt schnell – das Belohnungssystem und emotionale Prozesse gewinnen an Bedeutung. Im Frontallappen, wo Handlungen geplant und verschiedene Möglichkeiten verglichen werden, ist die Entwicklung deutlich langsamer. Das erklärt, warum Jugendliche oft unerwartet und risikofreudig handeln.
Sprachen lernt man besonders gut im Alter von ungefähr einem Jahr bis zur Pubertät. Danach nimmt die Fähigkeit zum Sprachenlernen langsam ab. Aber auch Erwachsene können eine neue Sprache noch sehr gut lernen, wenn sie es wollen – das haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt.
Für die Verarbeitung von Sprache müssen mehrere Hirnregionen eng zusammenarbeiten. Einige sind für den Satzbau bzw. die Grammatik wichtig, andere für die Bedeutung der Wörter. Dies lässt sich bei Kleinkindern gut beobachten: Die Nervenfaserbündel, die die verschiedenen Gehirnbereiche wie Datenautobahnen miteinander verbinden, werden erst allmählich ausgebaut. Deshalb können Kinder schwierige Sätze erst nach und nach verstehen oder selber produzieren. Das Lerntempo ist dabei unterschiedlich: Während manche Kinder bereits mit acht Monaten die ersten Wörter sprechen, beginnen andere erst mit mehr als zwei Jahren zu reden.
Sprache macht den Menschen
Für Angela Friederici, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, ist die Sprache das, was den Menschen ausmacht. Manche Tiere wie Menschenaffen oder auch Hunde können zwar die Bedeutung einzelner Wörter erlernen, aber Sprachteile logisch und nach festen Regeln verbinden – das kann nur der Mensch. Friederici und ihre Mitarbeiter*innen untersuchen vor allem die Reifung des Gehirns, die bei der Sprachentwicklung eine entscheidende Rolle spielt. Denn die einzelnen, für die Sprache zuständigen Bereiche im Gehirn entwickeln sich unterschiedlich schnell. Bis etwa zum dritten Lebensjahr ist die sogenannte Wernicke-Region (Sprachverständnis) im Temporallappen das Zentrum unserer Sprache. Erst dann kommt nach und nach die zweite zentrale Sprachregion dazu: das Broca-Areal (Sprachproduktion) im Stirnbereich des Großhirns. Nun können sinnvolle, zunehmend kompliziertere Sätze gebaut werden. Doch bis die Verbindungsbahnen zwischen beiden Bereichen voll entwickelt sind, braucht es viele Jahre. Erst am Ende der Pubertät können wir komplizierte Formulierungen genauso schnell verarbeiten wie einfache.
Harmonie in Sprache und Musik
Musik und Sprache haben viel gemeinsam. Für die Neuropsychologin Daniela Sammler vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik zeigt sich das zum Beispiel, wenn eine Mutter ihrem Baby ein Lied vorsingt oder mit ihm in einer bestimmten Art spricht. Das Kind versteht die Gefühle, die in dieser Melodie vermittelt werden. Wie in der Sprache gibt es auch in der Musik in jeder Kultur eine festgelegte Reihenfolge von Tönen und Harmonien – also eine „Grammatik“. Wenn Musiker*innen diese Regeln verletzen, werden ähnliche Hirnbereiche aktiviert wie bei einem grammatikalischen Fehler in einem Satz.
Mit Sprache und Musik haben Menschen zwei Kommunikationsarten entwickelt, die kein anderes Lebewesen hat. Daniela Sammler ist überzeugt, dass der Grund dafür die Informationsverarbeitung im Gehirn ist. Ihre Forschungsgruppe untersucht deshalb die Bedeutung der Sprachmelodie in unserer Kommunikation und auch, wie wir die Melodien in der Musik wahrnehmen.
Ein Pianist spielt auf einem speziell für diesen Zweck entwickelten Klavier, während er im MRT liegt. Die Wissenschaftlerin kann sein Spiel und seine Hirnaktivität beobachten.
Sprache steckt in den Genen
Manche Menschen können sich sprachlich gut ausdrücken und lernen leicht Fremdsprachen. Für andere ist das viel schwerer. Es hängt auch von der Umgebung ab, aber die Voraussetzung für Sprache und Sprechen steckt in unserem Erbgut. Eine wichtige Rolle spielt das bereits 1998 von Simon Fisher entdeckte und oft als „Sprachgen“ bezeichnete Gen FOXP2. Es kann aber nicht die einzige Voraussetzung für Sprache sein, denn FOXP2 kommt auch bei Affen, Nagetieren, Vögeln und sogar Fischen vor. Heute weiß man, dass es sich bei FOXP2 um einen sogenannten Transkriptionsfaktor handelt. Er regelt die Aktivität von bis zu 1000 weiteren Genen in einem neurobiologischen Netzwerk. Ein einzelnes „Sprachgen“ gibt es also nicht – Sprache ist sehr komplex, auch auf genetischer Ebene. Die Forscher*innen in Fishers Abteilung am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik wollen deshalb die genetischen und neurobiologischen Netzwerke entschlüsseln, die Sprache und das Sprechen möglich machen.
Für die Verarbeitung von Sprache müssen mehrere Hirnregionen eng zusammenarbeiten. Einige sind für den Satzbau bzw. die Grammatik wichtig, andere für die Bedeutung der Wörter. Dies lässt sich bei Kleinkindern gut beobachten: Die Nervenfaserbündel, die die verschiedenen Gehirnbereiche wie Datenautobahnen miteinander verbinden, werden erst allmählich ausgebaut. Deshalb können Kinder schwierige Sätze erst nach und nach verstehen oder selber produzieren. Das Lerntempo ist dabei unterschiedlich: Während manche Kinder bereits mit acht Monaten die ersten Wörter sprechen, beginnen andere erst mit mehr als zwei Jahren zu reden.
Sprache macht den Menschen
Für Angela Friederici, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, ist die Sprache das, was den Menschen ausmacht. Manche Tiere wie Menschenaffen oder auch Hunde können zwar die Bedeutung einzelner Wörter erlernen, aber Sprachteile logisch und nach festen Regeln verbinden – das kann nur der Mensch. Friederici und ihre Mitarbeiter*innen untersuchen vor allem die Reifung des Gehirns, die bei der Sprachentwicklung eine entscheidende Rolle spielt. Denn die einzelnen, für die Sprache zuständigen Bereiche im Gehirn entwickeln sich unterschiedlich schnell. Bis etwa zum dritten Lebensjahr ist die sogenannte Wernicke-Region (Sprachverständnis) im Temporallappen das Zentrum unserer Sprache. Erst dann kommt nach und nach die zweite zentrale Sprachregion dazu: das Broca-Areal (Sprachproduktion) im Stirnbereich des Großhirns. Nun können sinnvolle, zunehmend kompliziertere Sätze gebaut werden. Doch bis die Verbindungsbahnen zwischen beiden Bereichen voll entwickelt sind, braucht es viele Jahre. Erst am Ende der Pubertät können wir komplizierte Formulierungen genauso schnell verarbeiten wie einfache.
Harmonie in Sprache und Musik
Musik und Sprache haben viel gemeinsam. Für die Neuropsychologin Daniela Sammler vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik zeigt sich das zum Beispiel, wenn eine Mutter ihrem Baby ein Lied vorsingt oder mit ihm in einer bestimmten Art spricht. Das Kind versteht die Gefühle, die in dieser Melodie vermittelt werden. Wie in der Sprache gibt es auch in der Musik in jeder Kultur eine festgelegte Reihenfolge von Tönen und Harmonien – also eine „Grammatik“. Wenn Musiker*innen diese Regeln verletzen, werden ähnliche Hirnbereiche aktiviert wie bei einem grammatikalischen Fehler in einem Satz.
Mit Sprache und Musik haben Menschen zwei Kommunikationsarten entwickelt, die kein anderes Lebewesen hat. Daniela Sammler ist überzeugt, dass der Grund dafür die Informationsverarbeitung im Gehirn ist. Ihre Forschungsgruppe untersucht deshalb die Bedeutung der Sprachmelodie in unserer Kommunikation und auch, wie wir die Melodien in der Musik wahrnehmen.
Ein Pianist spielt auf einem speziell für diesen Zweck entwickelten Klavier, während er im MRT liegt. Die Wissenschaftlerin kann sein Spiel und seine Hirnaktivität beobachten.
Sprache steckt in den Genen
Manche Menschen können sich sprachlich gut ausdrücken und lernen leicht Fremdsprachen. Für andere ist das viel schwerer. Es hängt auch von der Umgebung ab, aber die Voraussetzung für Sprache und Sprechen steckt in unserem Erbgut. Eine wichtige Rolle spielt das bereits 1998 von Simon Fisher entdeckte und oft als „Sprachgen“ bezeichnete Gen FOXP2. Es kann aber nicht die einzige Voraussetzung für Sprache sein, denn FOXP2 kommt auch bei Affen, Nagetieren, Vögeln und sogar Fischen vor. Heute weiß man, dass es sich bei FOXP2 um einen sogenannten Transkriptionsfaktor handelt. Er regelt die Aktivität von bis zu 1000 weiteren Genen in einem neurobiologischen Netzwerk. Ein einzelnes „Sprachgen“ gibt es also nicht – Sprache ist sehr komplex, auch auf genetischer Ebene. Die Forscher*innen in Fishers Abteilung am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik wollen deshalb die genetischen und neurobiologischen Netzwerke entschlüsseln, die Sprache und das Sprechen möglich machen.
Das Gehirn braucht Anregung
Die Welt, die wir wahrnehmen, ist keine objektive Abbildung der Außenwelt. Sie ist vielmehr ein Bild, das im Gehirn durch den dauernden Austausch mit der Umwelt entsteht. Das Gehirn macht ständig Annahmen über die Umwelt und vergleicht sie mit den Eindrücken, die über die Sinnesorgane im Großhirn ankommen. Jeder Mensch lebt also ein wenig in seiner eigenen, einzigartigen Welt.
Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Charité – Universitätsmedizin Berlin erforschen, wie sich ein Leben unter extremen Bedingungen auf das Gehirn auswirkt: Sie untersuchen Polarforscher*innen, die sich monatelang in der Antarktis aufhalten und dort extreme Umweltbedingungen und soziale Isolation erleben. Erste Ergebnisse der Berliner zeigen, dass unter diesen Lebensumständen ein Teilbereich des Hippocampus kleiner wird. Das hat Auswirkungen auf das räumliche Denken, die Aufmerksamkeitsleistung und die Gedächtnisbildung.
Ob ich im Wald spazieren gehe oder in der Stadt oder ob ich gar lange Zeit in einer extremen Umgebung lebe wie zum Beispiel in der Antarktis – die Umwelt, in der der Mensch lebt, verändert das Gehirn. Wie, das erzählt hier die Umweltpsychologin Simone Kühn vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.
Die Welt, die wir wahrnehmen, ist keine objektive Abbildung der Außenwelt. Sie ist vielmehr ein Bild, das im Gehirn durch den dauernden Austausch mit der Umwelt entsteht. Das Gehirn macht ständig Annahmen über die Umwelt und vergleicht sie mit den Eindrücken, die über die Sinnesorgane im Großhirn ankommen. Jeder Mensch lebt also ein wenig in seiner eigenen, einzigartigen Welt.
Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Charité – Universitätsmedizin Berlin erforschen, wie sich ein Leben unter extremen Bedingungen auf das Gehirn auswirkt: Sie untersuchen Polarforscher*innen, die sich monatelang in der Antarktis aufhalten und dort extreme Umweltbedingungen und soziale Isolation erleben. Erste Ergebnisse der Berliner zeigen, dass unter diesen Lebensumständen ein Teilbereich des Hippocampus kleiner wird. Das hat Auswirkungen auf das räumliche Denken, die Aufmerksamkeitsleistung und die Gedächtnisbildung.
Ob ich im Wald spazieren gehe oder in der Stadt oder ob ich gar lange Zeit in einer extremen Umgebung lebe wie zum Beispiel in der Antarktis – die Umwelt, in der der Mensch lebt, verändert das Gehirn. Wie, das erzählt hier die Umweltpsychologin Simone Kühn vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.