Chili-Kultur in Südostasien und Deutschland

Chili Kultur in Südostasien und Deutschland
© Goethe-Institut

Im Rahmen des Projekts „Goethe is(s)t scharf” machte das Goethe-Institut Jakarta gemeinsame Sache mit den Goethe-Instituten in Bandung, Bangkok und Yangon, um einen Online-Talk zum Thema „Chili-Kultur in Südostasien und Deutschland“ zu veranstalten.

Eine internationale Runde aus Expert*innen aus Indonesien, Myanmar und Deutschland, darunter William Wongso, Petty Elliot, Vincent Rumahloine, Alexander Hicks und Daw Phyu Phyu Tin, tauschten im Rahmen des Online-Talks Wissenswertes über kulinarische Kulturen und Chili aus. Moderiert wurde der Talk souverän von Ade Putri Paramadita.

Chilis sind mehr als nur ein Würzmittel. In Südostasien sind sie Teil des kulturellen Gefüges, Merkmal der Küche der gesamten Region, und gleichzeitig Objekt und Ursache großer Unterschiede zwischen einzelnen geografischen Gebieten innerhalb der Region. Im Fall von Indonesien hat die Chilischote sogar eine wichtige Wirtschaftskraft: steigende Chilipreise können die Inflation anheizen und die Preise von Lebensmitteln, Getränken und Tabak nach oben treiben. Aufgrund der umfassenden und tiefgreifenden Bedeutung von Chili für die Region ging es in der regen Diskussionsrunde weniger darum, wie scharf diese oder jene Chilischote ist, sondern eher um die Auseinandersetzung damit, wie uns scharf essende Kulturen auf unterschiedlichste Arten beeinflussen.

Sambal: Schärfe und Erinnerungen

Sambal, eine indonesische Chilipaste, ist tief in Indonesiens kulinarischer Tradition verankert und ist, wie William Wongso erklärte, das erste, was Indonesier*innen einfällt, wenn sie ans Essen denken. Tatsächlich hängen Indonesier*innen dermaßen an Sambal, dass sie ein Glas ihrer Lieblingsmischung sogar mit auf Nah- und Fernreisen nehmen. Die würzige Paste ist ein so wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens geworden, dass man das eine nicht wirklich vom anderen trennen kann.

Vincent Rumahloine zufolge verkörpert und reflektiert Sambal die Verbindungen, die zwischen den Erinnerungen jeder und jedes einzelnen und den kollektiven Erinnerungen aller Sambal-Essenden an ihre Gemeinschaft und ihre Region bestehen. Daher ist Sambal ein Medium, um Menschen mit den Orten, an denen sie gerade sind und den Orten, aus denen sie kommen zu verbinden. So erklärt sich wohl auch die indonesische Redensart „Eine gute Ehefrau macht gutes Sambal“.
Chilimenüs © Goethe-Institut / Wittamon Niwattichai Petty Elliot erläuterte die Rolle der Chilischote in Kulturen, die keine Chili-Tradition haben und warnte, dass man die Chilimenge stark anpassen muss, wenn man für Menschen kocht, die daran nicht gewöhnt sind. Wenn man also Essen für Menschen aus westlichen Kulturen zubereitet, muss man die Schärfe des Essens reduzieren, um diese daran zu gewöhnen. In Myanmar wird ungefähr gleich scharf gegessen wie in Indonesien. Chili wird frisch, gemahlen oder als Paste konsumiert und als Würzbeilage, Konservierungsmittel oder Zutat verwendet. Je nach Gericht greift man zu frischen oder getrockneten Chilischoten. Daw Phyu Phyu Tin ergänzte, dass ein Chiligericht Menschen das Gefühl gibt, zuhause zu sein. Bei der Bevölkerung Indonesiens und Myanmars ruft Chili Gefühle, Erinnerungen und Vorstellungen von der Rolle der Frau, des eigenen Zuhauses, der Gesellschaft und der Nation hervor.

Chili: Die Welt durch Gewürze und Gemeinsamkeiten entdecken

Er war nicht einmal ein Jahr alt, als Alexander Hicks, deutscher Chili-Experte und -kenner, seine erste Begegnung mit Chili hatte. Seine Eltern ließen ihn mexikanische Salsa probieren. Europäer kennen Pfefferoni und Paprika als Pizzabelag und aus der griechischen Küche, aber eigentlich stammt der Paprika aus Südamerika, von wo aus er sich zuerst in Europa und dann in Südostasien verbreitete. Heutzutage kann man diese historischen Routen nachzeichnen, und dabei die Welt auf neue Art entdecken und Blicke in die Küchen von Menschen völlig unterschiedlicher ethnischer Abstammungen werfen. In die Welt des Chilis einzutauchen, löst bei manchen vielleicht Heimweh oder Nostalgie aus, aber es hilft anderen möglichweise dabei, Neues zu lernen–vielleicht sogar, wie man Chili in der Küche einsetzt. Wobei man für sich selbst herausfinden muss, wieviel Schärfe man verträgt.

Alexanders Interesse am Chili erstreckt sich auch auf den Anbau, und er hat eine Samenbank mit Hunderten Chilisorten aus aller Welt angelegt. Daraus hat sich ein Netzwerk und eine Gemeinschaft von Chili-Liebhaber*innen entwickelt, in der die Mitglieder ihre Chili-Geschichten und ihr Fachwissen austauschen. Das reicht vom Alltäglichen bis hin zum Esoterischen, und manchmal kommt man bei den Debatten genauso ins Schwitzen wie beim Verzehr von Chili selbst!

Vincent Rumahloine gab uns außerdem Einblicke in seine Forschung zur Wirkung von Musik auf das Wachstum von Chilischoten. Aufbauend auf Ideen aus der modernen Wissenschaft und Technologie, aber auch aus überlieferten ökologischen Konzepten, dass alle Pflanzen und Tiere einen bestimmten Platz und einen eigenen inneren Geist haben, hat Vincent Experimente durchgeführt, um den Einfluss von Musik auf das Wachstum von Chilipflanzen zu untersuchen. Projekte solcher Art zeigen einen weiteren Weg auf, wie Menschen bzw. Communities Wissensnetzwerke in Indonesien und anderswo aufbauen. Chilipflanze © Goethe-Institut

Was tun gegen die Schärfe?

Die Diskussionsteilnehmer*innen verrieten ihre Geheimtipps, die sie anwenden, wenn etwas zu scharf ist. Es scheint so, als hätten unterschiedliche Nationalitäten verschiedene Strategien, mit (zu) scharfem Essen umzugehen. In Indonesien wird empfohlen, warmes (nicht kaltes!) Wasser, Kokosmilch oder Milch zu trinken oder einen Löffel Zucker oder Joghurt zu essen. In Myanmar rät man zu schwarzem Tee oder etwas Jaggery, während das deutsche Heilmittel einfach mehr Bier ist.

Chili und Essen: Lebensweisen

Die Bedeutung der verschiedenen Rollen, die die Chilischote spielt, spiegelt sich in den unterschiedlichen Kulturen und Lebensweisen Indonesiens, Myanmars und Deutschlands wider. Die wachsende Wertschätzung von Chili, die wir bereits angesprochen haben, trägt auch dazu bei, Netzwerke und Communities aufzubauen, und Projekte zu unterstützen, die Verbindungen zu anderen Bereichen und Kontexten herstellen. Abgesehen davon sind Chilis und scharfes Essen jedoch immer noch dazu da, verspeist zu werden und eröffnen neue kulinarische Erlebnisse, die Gefühle, Erinnerungen und Querverbindungen zu anderen Aspekten des Lebens hervorrufen. Die besondere Gabe der Chilischote ist, dass sie uns Erinnerungen schenkt, die, wenngleich für alle verschieden, für alle doch gleich feurig sind.

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