Exchange Rate – eine multimediale und multikulturelle Kunstschau

Exchange rate
© EUNIC

Ein pinkfarbener Retro-Fernseher, nicht viel größer als ein Reiskocher, davor eine Gruppe junger Menschen. Englische und thailändische Wortfetzen fliegen durch den dunklen Raum, es wird diskutiert, gelacht, es ist so entspannt wie auf dem Campus einer Uni. Mit dem Unterschied, dass hier 14 Studierende aus Thailand und Europa vor ihren eigenen Kunstwerken stehen und in wenigen Minuten die Ausstellung „Exchange Rate“ eröffnen.

Ein Video läuft auf dem TV, eine junge Thailänderin spricht über die Liebe, sehr überlegt, sehr ernsthaft. „Liebe passiert nicht nur ein einziges Mal“, ist so ein Satz und „Liebe ist eine andere Form von Kunst in unserem Leben.“ Viele nicken, das Thema spricht alle an. Themenwechsel, jetzt geht es um Angst. „Ich glaube nicht, dass uns Angst zu einem besseren Menschen macht, aber Angst macht uns reifer. Und sie macht uns stärker“, sagt der Mann in dem schwarzen Fernseher. Wieder ein Wechsel, diesmal zu einem froschgrünen TV. „Wut ist wie eine Waffe – wenn wir sie im richtigen Moment benutzen“, hört man und der Sprecher erklärt, wie er mit seiner sich verändernden Wut umgeht. Zurück auf dem pinkfarbenen TV geht es weiter mit Gedanken über die Liebe – eine Dauervideoschleife über menschliche Gefühle.
„Emotivity“ heißt die Installation auf den drei Retro-Fernsehern. Sie ist ein Kunstobjekt, das die thailändische Kunststudentin Hana (Patthreeya Ritngam) und die englische Fotografin Melody Peacock in nur zwei Wochen gemeinsam schufen, ohne sich vorher zu kennen. Fernseher © EUNIC

Ein gewagtes Konzept

Sie sind zwei der 14 Studierenden, die hier in Bangkok zusammengebracht wurden, um etwas Neues zu gestalten. Dass junge Menschen, alle Anfang 20, aus unterschiedlichen Kulturen sich hier treffen, ist einer Initiative der „European National Institutes for Culture“ (EUNIC) zu verdanken. Nicht nur die Ausstellung, sondern das ganze Projekt, nennt sich „Exchange Rate“, also Wechselkurs, und das Wort hat mehr als nur die Bedeutung, dass sich Thailänder*innen und Europäer*innen künstlerisch austauschen.

Sieben thailändische Studenten und Studentinnen der Silpakorn University International College in Bangkok, die Digital Communication Design studieren und sieben junge Künstler und Künstlerinnen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Portugal, Großbritannien und Spanien wurden für dieses Projekt ausgewählt. Sie kommen aus unterschiedlichen Bereichen wie Fotografie, Videokunst, Architektur, Grafikdesign und Musik. Knapp zwei Wochen hatten sie Zeit, in selbstgewählten Zweierteams, jeweils eine Person aus Europa und eine aus Thailand, ihre Ideen zu entwickeln und umzusetzen - der Wechselkurs als Format und Thema gleichzeitig. Gruppen ©EUNIC

Exchange Rate in der Praxis

„Wir dachten zu Beginn, dass es mit unseren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen schwierig werden würde, aber das Gegenteil war oft der Fall: Wir merkten, wie ähnlich wir uns in vielen Dingen sind“, erzählt Phoenixe Nievera, eine der Künstlerinnen aus den Philippinen. Zusammen mit Charlotta Öberg, Studentin an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, hatte sie ein Kunstwerk geschaffen, das die beiden „Translations“ nennen: ein von ihnen mit Poesie bestickter Vorhang in Schwedisch (Charlottas Muttersprache), Tagalog (Phoenixes philippinischer Muttersprache) und Englisch (ihrer gemeinsamen Sprache), der gleichzeitig als Leinwand dient. „Wenn man etwas übersetzt, geht immer ein Teil der Bedeutung verloren“, sagt Charlotta, „das war unser Thema.“ Ihren dreisprachigen Gedichten gaben sie mit Videos eine Bildsprache und so sieht man über den Worten Straßenszenen aus Bangkok über die Stoffbahnen flimmern.

Stoffbahnen © EUNIC
Einer der Hauptorganisatoren des Projekts war das Goethe-Institut Thailand, dessen Direktor Johannes Hossfeld bemerkt: „Es ist beeindruckend, wie schnell Studierende aus völlig unterschiedlichen Kunstbereichen hier zusammengefunden haben und das in der Kürze der Zeit. Denn das waren echte kollaborative Prozesse, die da stattfanden und die zu sehr anspruchsvollen Ergebnissen führten.“, sagt er.

Auch die deutsche Architekturstudentin Annika Jähnichen aus Frankfurt war von dem „Exchange Rate“-Thema fasziniert. „Manet, mein Teampartner, sieht sein Leben in Bangkok natürlich aus einer völlig anderen Perspektive als ich. Hier lernte ich, mich auf Ungewohntes einzulassen.“
Wie sehr die Gesellschaft aufeinander angewiesen ist, im Kleinen wie im Großen, wie sehr Menschen sich gleichen trotz aller Unterschiede, darauf bauten die angehende Architektin und der Fotografiestudent ihre Installation auf, die sie „it-all-flows-in-you“ nennen: eine fragile Holzkonstruktion (Annikas Werk, das an die Wolkenkratzer der Stadt erinnern soll) mit Fotos von Passanten, die Manet auf den Straßen Bangkoks fotografierte.

Der spanische Botschafter Felipe de la Morena war begeistert. „Die jungen Leute sind fantastisch“, schwärmt er, „man spürt, wie viel Potential in ihnen steckt. So lange wir eine solche Jugend haben, können wir uns sicher fühlen.“ Und Tim Walz von der deutschen Botschaft ergänzt: „Ich war beeindruckt, wie gut man diesen interkulturellen Austausch hinbekommen hat. Davon haben beide Seiten profitiert.“

Fagott © EUNIC
Den jungen Künstler*innen sah man an, wie glücklich sie über den Erfolg ihrer Ausstellung waren. Für einige war es gleichzeitig ihr letzter Abend, am nächsten Tag ging es zurück nach Hause, an die Universitäten in Manchester in England und Évora in Portugal, Frankfurt in Deutschland und Wien in Österreich, Campobasso in Italien, Barcelona in Spanien und Arles in Frankreich, wo bereits die Semester begonnen hatten. „Wir haben alle voneinander gelernt“, sagt die Italienerin Rosa Evangelista. „Nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch, was unseren Alltag angeht. Beam ist erst 21 und nur zwei Jahre älter als ich, aber sie ist schon eine echte Business Woman. Davon habe ich mir viel abgeschaut.“ Panda, die gemeinsam mit der Portugiesin Rita Silva gearbeitet hatte, war wiederum überrascht, wie anders die Gäste aus Europa Bangkok wahrnehmen. „Alles war für sie neu. Ich glaube, für diese zwei Wochen hat sich unser aller Leben auf den Kopf gestellt.“
 


Was bleiben wird, sind Chat-Gruppen, auf denen sich weiterhin alle austauschen wollen. Wo führt der Weg nach dem Studium hin? Wer wird wen besuchen? Der intensive Austausch als Mischung aus Kulturdialog und Kollaboration hat viele Freundschaften entstehen lassen. Sie haben sich versprochen, sich bald gegenseitig zu besuchen, in Europa oder in Thailand.

Exchange rate ©EUNIC