Zivilgesellschaftliche Bildung
Was uns das Abstimmen über eine Pause über Demokratie lehrt

Das zweite Trainingsmodul fand im Jahr 2017 in Jordanien statt.
Goethe-Institut Kairo / Roger Anis

Schon seit ihrer Kindheit hat sich Dhekra Elhidri Wissen über zivilgesellschaftliche Bildung angeeignet, aber nie hatte sie die Gelegenheit gehabt, die erlernten Techniken in ihrem Heimatland Tunesien umzusetzen. Dank eines intensiven Trainings, welches vom 20. bis 26. Oktober am Toten Meer in Jordanien stattfand, konnte die Verfechterin zivilgesellschaftlicher Bildung neue Kenntnisse in diesem Themengebiet erwerben – so unter anderem auch, wie man Konflikte unter Mitgliedern einer Gemeinschaft auf demokratische Weise lösen kann.

Was die tunesische Teilnehmerin besonders beeindruckte, ist, dass sie Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Bildung nun endlich in ihrer Gesellschaft umsetzen kann, statt nur an Vorträgen darüber teilzunehmen. „Ich habe neue Aspekte entdeckt, die ich noch nicht kannte. In Tunesien lernen wir zivilgesellschaftliche Bildung in der Schule. Ich wollte aber sehen, wie man sie praktisch anwenden kann, und zivilgesellschaftliche Bildung nicht nur theoretisch verstehen“, sagt sie.  

Dhekra Elhidri, von der NGO „Development and Perspective Kasserine“ (übersetzt etwa: Entwicklung und Perspektive Kasserine), war eine der 16 Teilnehmenden aus Tunesien, Ägypten, Marokko und Jordanien. Das 7-tägige Training befasste sich mit einer Reihe von Themen, wie zum Beispiel Verschiedenheit von Identitäten und Diskriminierung, Toleranz und Konfliktlösung, aber auch mit Strategien zur Qualitätsverbesserung von Nichtregierungsorganisationen, wie Florian Wenzel, einer der beiden deutschen Trainer berichtet.

„Wir haben schon Trainings über Toleranz, Demokratie, Vielfalt und auch über die Strukturen von NGOs gehalten. Das Besondere an diesem Training ist, dass sich die Teilnehmenden auf demokratische Weise miteinander auseinandersetzen und dadurch die Themen des Trainings besser verstehen können“, erklärt Florian Wenzel. Das beinhaltet unter anderem, dass über die beste Zeit für eine entspannte und erfüllende Pause abgestimmt wird. „Wir arbeiten viel mit dem Verhalten der Teilnehmenden. Wir benutzen es als Mittel der Konfliktlösung, so dass sie Demokratie verinnerlichen und dann auch vermitteln können“, fährt der Trainer fort, der das Projekt schon von Anfang an verfolgt.

 Während des Workshops setzen sich die Teilnehmenden damit auseinander, wie man die Rechte jedes Einzelnen mit der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft vereinbaren kann, indem sie ihre Bedürfnisse und Verantwortlichkeiten als Teilnehmende des Trainings in Frage stellen. Das Projekt besteht dieses Jahr aus drei Modulen, und zwar: Verschiedenheit von Identitäten und Diskriminierung, Toleranz und Konfliktlösung, sowie Strategien zur Qualitätsverbesserung von NGOs. Das erste Modul fand im Sommer in Tunesien statt, das zweite war das Jordanien und das dritte wird im Dezember in Marokko stattfinden.

Ein Modell für die Gesellschaft

Florian Wenzel erklärte, dass die Aktivitäten in den Workshops und Gruppen immer mit dem wahren Leben in Verbindung gebracht werden. „Das Problem des Zuspätkommens oder aber das Verantwortlichsein für die Gruppe nehmen wir als Beispiele, um zu zeigen, wie ernst wir ein demokratisches Miteinander nehmen. Denn sonst geht es nur um einzelne Personen. Die Gruppe repräsentiert sozusagen die Gesellschaft“, fügt er hinzu. 

Als die Vielfalt der Teilnehmenden angesprochen wurde, bemerkte er, dass dies das erste Mal war, dass Trainerinnen und Trainer aus vier verschiedenen Ländern bei diesem Training mitwirkten. „In einigen Punkten gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern. So erlebt zum Beispiel jeder Teilnehmende die Möglichkeit, mit Autoritäten zu kooperieren auf unterschiedliche Weise. Mit ihren Standpunkten darüber, was und was nicht möglich ist, bereichern sie einander”, berichtet er. 

Während des Workshops werden die Teilnehmenden, welche selbst auch Trainerinnen und Trainer sind, zu aktiven Gruppenmitgliedern, die fortwährend ihre Rollen und Lehrmittel in Frage stellen und an die Bedürfnisse der Gruppe anpassen. Dazu gehört auch, dass man offen über kulturelle und persönliche Konflikte spricht, die unter den Teilnehmenden auftreten können, denn sie repräsentieren verschiedene Länder und haben dazu ihre eigenen persönlichen Meinungen, Hintergründe und Identitäten, die sich nicht nur auf Nationalität und Religion beziehen, sondern auch auf Alter, Geschlecht und ihren sozioökonomischen Status.

Giulia Reichmann, Koordinatorin des Projekts am Goethe-Institut Kairo, berichtet, dass das Training vor drei Jahren in Ägypten ins Leben gerufen wurde. „Nachdem es in Ägypten erfolgreich war, überlegten wir uns, einen Schritt weiterzugehen und es dieses Jahr in die Region zu bringen. Außerdem wollten wir einen Austausch zwischen den Ländern schaffen“, fügt sie hinzu. Dhekra Elhidri spricht in ganz ähnlichen Tönen wie Giulia Reichmann über das Training und fügt noch hinzu, dass ihr genau dieser Austausch unter den Teilnehmenden dazu verholfen hat, von allen anderen lernen zu können. 

Toleranz nicht nur lernen, sondern leben

Mohsan Kamal ist freiberuflicher Trainer und der Kulturmittler des Projektes, der während des Kurses die Teilnehmenden und die deutschen Trainerinnen und Trainer betreut. Er berichtet, dass die Trainerinnen und Trainer die Teilnehmenden im Training dazu brachten, Toleranz nicht nur zu erlernen, sondern auch zu leben. „Das gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Meinung zu einem bestimmten Thema frei zu äußern, egal welche Perspektive sie dabei einnehmen. Zugleich erleichtert es den Teilnehmenden auch, Kritik am eigenen Standpunkt anzunehmen“, betont er. 

Ghada Mohammad, Mitglied der Egyptian Association for Educational Resources (übersetzt etwa: Ägyptischer Verband für Bildungsressourcen), lobt diesen Ansatz, der die Teilnehmenden Toleranz im Workshop leben statt lernen lässt. „In Ägypten hat zivilgesellschaftliche Bildung schon länger, besonders in Schulen, stattgefunden. Allerdings haben die Menschen angefangen, umzudenken und sich eine praktische Anleitung zu wünschen, um sie richtig umzusetzen – und genau das passiert in diesem Kurs“, fügt sie hinzu.

Unterdessen betont Mohsan Kamal die Bedeutung der Kursinhalte, die unter anderem Toleranz und Konfliktlösung umfassen, zusätzlich zu der Art, wie diese vermittelt werden. „Diese Themen sind für die Teilnehmenden sehr wichtig, denn die Region wird immer noch von Instabilität infolge des Arabischen Frühlings und des Wachstums extremistischer Gruppen geplagt.“ 

Fortlaufende Entwicklung zivilgesellschaftlicher Bildung

Ghada Mohammad betont, dass zivilgesellschaftliche Bildung sich über die Jahre stetig weiterentwickelt und dass immer neue Instrumente entstehen. „Wir lernen hier neue Methoden und wenden sie auf unsere gesamte Gesellschaft an, nicht nur eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe. Es ist eben für alle – das ist, was wir gelernt haben. Wir teilen in dem Programm unsere Erfahrungen mit Konflikten und wie man diese lösen kann“, fügt sie hinzu.  

Gleichzeitig hat der Erfolg des Workshops die Organisierenden dazu veranlasst, ein Netzwerk für Trainerinnen und Trainer zivilgesellschaftlicher Bildung ins Leben zu rufen, damit diese ihre Erfahrung auf dem Gebiet teilen und sie für nachfolgende Generationen verfügbar machen können, so Giulia Reichmann. Diese Tatsache begeistert die Tunesierin Dhekra Elhidri, die lobend würdigt, dass Trainerinnen und Trainer dadurch weiterhin die Ansätze zivilgesellschaftlicher Bildung untereinander teilen. 

Das ist jedoch noch nicht die Endstation auf der Reise der Teilnehmenden durch die Welt der zivilgesellschaftlichen Bildung, denn die Gruppenmitglieder werden im kommenden Dezember in Marokko ein weiteres Mal zusammenkommen, um das dritte und für dieses Jahr letzte Modul des Trainingsprogramms zu absolvieren und ein Zertifikat vom Goethe-Institut und dem Centrum für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München zu erhalten.

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