Un|controlled Gestures – 4. Edition
Über das Projekt
Die Künstler*innen haben die Möglichkeit, ihre choreografischen Kreationen während zweier Residenzen in Kairo und Dresden/Berlin zu entwickeln. Sie profitieren außerdem von Mentoring und einem Produktionszuschuss.
„Un|Controlled Gestures – 4. Edition“ ist eine Initiative des Goethe-Instituts in Kooperation mit HAU Hebbel am Ufer Berlin und HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste (Dresden), kuratiert von Nedjma Hadj Benchelabi.
Kuratorisches Statement
In einer erschütterten Welt suchen Körper nach neuen Wegen - nach performativen Sprachen aus und innerhalb von arabischen Kulturen, die sich über ihre Ortsbezogenheit hinausbewegen und Grenzen überschreiten. Un|Controlled Gestures – 4. Edition lädt Künstler*innen ein, über gegenwärtige Instabilität nachzudenken und körperliches Wissen in ein neues performatives Vokabular umzuformulieren.
Der Begriff des „Aufrüttelns der Körpersprachen“ deutet auf eine radikale Neugestaltung hin: Ererbte Formen werden in Frage gestellt, Transformationen angestrebt, während die Bewegungen entstehen, die mehrere Ebenen intimer und kollektiver Erfahrungen zum Ausdruck bringen. Der Körper wird als die Quelle der Stärke und des Widerstands erforscht, um beide Ausdrücke in einem performativen Prozess zu verändern.
Diese Ausgabe von Un|Controlled Gestures lädt Künstler*innen ein, sich auf eine zweigeteilte Reise zu begeben: die persönliche und künstlerische Erkundung auf der einen, und der Bereich des kollektiven Experimentierens auf der anderen Seite. Durch das neu eingeführte Format kollaborativer Jam-Sessions werden die Teilnehmenden Konzepte wie Solidarität, Einverständnis und geteilte Räume hinterfragen und neu definieren. Zusammengehörigkeit wird nicht vorausgesetzt, sondern durch den kreativen Raum konstruiert, demontiert und neu zusammengesetzt.
Dieses Projekt dient sowohl als Anstoß als auch als Einladung: Ein Prozess des Lernens der Teilnehmenden voneinander, der gleichzeitig den ebenso wichtigen Akt des Verlernens beinhaltet. Die Vorstellung der Städte Kairo und Berlin und lokaler Kunstszenen wird als fruchtbarer Boden für die Erkundung, Unterbrechung und Neuplanung ihrer Praxis angesehen.
Un|Controlled Gestures – 4. Edition ist ein Aufruf, dem Erbeben beizuwohnen.
Der Gedanke an das Beben taucht von überall her auf [...] Er bewahrt uns vor Systemgedanken und Denksystemen. Er setzt keine Angst oder Unentschlossenheit voraus, er dehnt sich unendlich aus wie ein ungezählter Vogel, dessen Flügel mit dem schwarzen Salz der Erde bestreut sind. Er bringt uns in absoluter Vielfalt wieder zusammen in einem Mahlstrom der Begegnungen. Utopie, die sich nie festlegt und das Morgen eröffnet, wie das Teilen von Sonne und Früchten.“
Édouard Glissant, La Cohée du Lamentin. Poétique V, Gallimard, 2005.
Daten und Orte
Kuratorin
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Nedjma Hadj Benchelabi
Nedjma Hadj Benchelabi, in Algiers geboren und heute von Brüssel aus arbeitend, ist Kuratorin und Dramaturgin. Durch ihre künstlerische und kuratorische Arbeit fördert sie den Austausch zwischen Europa und der SWANA-Region und unterstützt dabei aufstrebende Künstler*innen und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Seit 2014 ist sie stellvertretende Kuratorin des internationalen Festivals für zeitgenössischen Tanz On Marche in Marrakesch, wo sie auch die Tanzbiennale Afrikas (2021) koordinierte. Zwischen 2016 und 2018 arbeitete sie als Kuratorin des Arab Arts Focus mit dem multidisziplinären Festival D-CAF in Kairo zusammen. Seit 2019 ist sie Kuratorin des Mahmoud Darwish Legacy Program, einer multidisziplinären Plattform aus Brüssel und darüber hinaus. Außerdem kuratierte sie Festivals und Programme wie Tashweesh (Kairo und Brüssel, 2017–2018), Un|Controlled Gestures (seit 2019) und Halaqat (2022), unterstützt vom Goethe-Institut. Seit kurzem unterrichtet sie auch im Masterstudiengang Dance & Choreographic Practices, wo sie ihr Fachwissen weitergibt. Durch ihre interdisziplinären Erkundungen versucht Nedjma, künstlerische Sprachen zu entwickeln, die über konventionelle Erzählungen hinausgehen – vielschichtige und poetische Ausdrucksformen, die Fragilität als eine Form der Resilienz begreifen und intime und kollektive Erinnerungen zu neuen Körpersprachen choreografieren.