Un|controlled Gestures – 4. Edition

Un|controlled Gestures Goethe-Institut Kairo

Über das Projekt

Das Regionalprojekt „Un|Controlled Gestures – 4. Edition“ zielt darauf ab, choreografische Werke innerhalb zeitgenössischer Tanzpraktiken zu unterstützen, die sich auf Konzepte der Körperpolitik und -poetik sowie auf intime und kollektive Erinnerungen konzentrieren, die über das Bekannte und Geschriebene hinausgehen. Für die 4. Ausgabe wurden sieben Choreograf*innen aus Ägypten, Jordanien, dem Libanon, Syrien und Tunesien ausgewählt.

Die Künstler*innen haben die Möglichkeit, ihre choreografischen Kreationen während zweier Residenzen in Kairo und Dresden/Berlin zu entwickeln. Sie profitieren außerdem von Mentoring und einem Produktionszuschuss.

„Un|Controlled Gestures – 4. Edition“ ist eine Initiative des Goethe-Instituts in Kooperation mit HAU Hebbel am Ufer Berlin und HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste (Dresden), kuratiert von Nedjma Hadj Benchelabi. 
 

Kuratorisches Statement

von Nedjma Hadj Benchelabi
In einer erschütterten Welt suchen Körper nach neuen Wegen - nach performativen Sprachen aus und innerhalb von arabischen Kulturen, die sich über ihre Ortsbezogenheit hinausbewegen und Grenzen überschreiten. Un|Controlled Gestures – 4. Edition lädt Künstler*innen ein, über gegenwärtige Instabilität nachzudenken und körperliches Wissen in ein neues performatives Vokabular umzuformulieren.

Der Begriff des „Aufrüttelns der Körpersprachen“ deutet auf eine radikale Neugestaltung hin: Ererbte Formen werden in Frage gestellt, Transformationen angestrebt, während die Bewegungen entstehen, die mehrere Ebenen intimer und kollektiver Erfahrungen zum Ausdruck bringen. Der Körper wird als die Quelle der Stärke und des Widerstands erforscht, um beide Ausdrücke in einem performativen Prozess zu verändern.

Diese Ausgabe von Un|Controlled Gestures lädt Künstler*innen ein, sich auf eine zweigeteilte Reise zu begeben: die persönliche und künstlerische Erkundung auf der einen, und der Bereich des kollektiven Experimentierens auf der anderen Seite. Durch das neu eingeführte Format kollaborativer Jam-Sessions werden die Teilnehmenden Konzepte wie Solidarität, Einverständnis und geteilte Räume hinterfragen und neu definieren. Zusammengehörigkeit wird nicht vorausgesetzt, sondern durch den kreativen Raum konstruiert, demontiert und neu zusammengesetzt.

Dieses Projekt dient sowohl als Anstoß als auch als Einladung: Ein Prozess des Lernens der Teilnehmenden voneinander, der gleichzeitig den ebenso wichtigen Akt des Verlernens beinhaltet. Die Vorstellung der Städte Kairo und Berlin und lokaler Kunstszenen wird als fruchtbarer Boden für die Erkundung, Unterbrechung und Neuplanung ihrer Praxis angesehen.

Un|Controlled Gestures – 4. Edition ist ein Aufruf, dem Erbeben beizuwohnen.
Der Gedanke an das Beben taucht von überall her auf [...] Er bewahrt uns vor Systemgedanken und Denksystemen. Er setzt keine Angst oder Unentschlossenheit voraus, er dehnt sich unendlich aus wie ein ungezählter Vogel, dessen Flügel mit dem schwarzen Salz der Erde bestreut sind. Er bringt uns in absoluter Vielfalt wieder zusammen in einem Mahlstrom der Begegnungen. Utopie, die sich nie festlegt und das Morgen eröffnet, wie das Teilen von Sonne und Früchten.“ ​​​​​
Eigene Übersetzung: Édouard Glissant, La Cohée du Lamentin. Poétique V, Gallimard, 2005.
“La pensée du tremblement surgit de partout […] Elle nous préserve des pensées de système et des systèmes de pensée. Elle ne suppose pas la peur ou l’irrésolu, elle s’étend infiniment comme un oiseau innumérable, les ailes semées du sel noir de la terre. Elle nous réassemble dans l’absolue diversité, en un tourbillon de rencontres. Utopie qui jamais ne se fixe et qui ouvre demain, comme un soleil et un fruit partagés.” 

Édouard Glissant, La Cohée du Lamentin. Poétique V, Gallimard, 2005.

Daten und Orte

Künstler*innen

  • Ahmed Ben Abid

    Ahmed Ben Abid ist ein tunesischer multidisziplinärer Künstler, der an der Schnittstelle von Tanz, Sound und sozialem Aktivismus arbeitet. Seine Arbeit beschäftigt sich mit Migration, Identität und kollektivem Gedächtnis. Sein Debüt „Unwell“ (2023) inszeniert zwei Figuren, die mit Isolation und gesellschaftlicher Korruption zu kämpfen haben. Sein neues Projekt „Unknown Sea“ untersucht Migration, Resilienz und das Ringen der Jugend mit Desillusionierung und Veränderung in Tunesien nach der Revolution. Ahmed wirkt an internationalen Projekten mit und ist Mitglied von Theatre Building, einem internationalen Performance-Kollektiv.

    Ahmed Ben Abid Ahmed Ben Abid Ahmed Ben Abid

  • Christophe Al Haber

    Christophe Al Haber ist ein multidisziplinärer Künstler, der in den Bereichen Fotografie, zeitgenössischer Tanz und Performance tätig ist. Ausgebildet in Physical Theatre, sind seine Arbeiten in der Bewegungspraxis verwurzelt und von persönlichen Erfahrungen geprägt. Durch die Medien von Körper, Bild und Raum erforscht Christophe Themen wie Identität, Verbindung und Veränderung. Seine Praxis ist eine kontinuierliche Suche nach Bedeutung, wobei er Bewegung als Mittel nutzt, um sich mit der Welt um ihn herum auseinanderzusetzen.

      Christophe Al Haber Christophe Al Haber

  • Dana Amer

    Dana Amer wuchs in einer syrisch-ukrainischen Familie auf und trainierte ab ihrem sechsten Lebensjahr rhythmische Sportgymnastik. Später trat sie der syrischen Nationalmannschaft in dieser Disziplin bei. Mit elf Jahren begann sie mit Ballett, was ihre Liebe zum Tanz weckte. Nach ihrem Rücktritt von der Gymnastik entwickelte Dana eine enge Beziehung zum zeitgenössischen Tanz, als ihre Familie nach Beirut im Libanon zog, und trat mit führenden Kompanien wie dem Beirut Contemporary Ballet und der Sima Dance Company auf. In den Jahren 2023 und 2024 absolvierte Dana ein einjähriges Intensivprogramm in Madrid. Heute entwickelt sie ihren choreografischen Stil und ihr einzigartiges Bewegungsvokabular weiter.

      Dana Amer Dana Amer

  • Emran Almareen

    Emran Almareen, auch bekannt als Bboy Mowgli, ist ein beduinisch-jordanischer Tänzer aus Petra, dessen Praxis sowohl im Breakdance als auch im zeitgenössischen Tanz verortet ist. Seit seinem 12. Lebensjahr tritt er im Nahen Osten und in Europa auf und vertrat Jordanien bei Festivals wie On Marche (Marokko) und Alma Alter Ego (Bulgarien). Emran ist weitgehend Autodidakt und hat sich durch Workshops in zeitgenössischem Tanz, Hip-Hop, Kontaktimprovisation, Folk und Modern Dance weitergebildet – eine Ausbildung, die ihm weiterhin große Anerkennung in der lokalen und internationalen Tanzszene einbringt.

      Emran Alamareen Emran Alamareen

  • Hadir Nached

    Hadir Nached ist eine multidisziplinäre Künstlerin, die in den Bereichen Bildende Kunst, Skulptur, Tanz und Performance tätig ist und derzeit ihre Leidenschaft für zeitgenössischen und sozial engagierten Zirkus entdeckt. In ihrer Arbeit untersucht sie die Beziehung zwischen Körper und Öffentlichkeit. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit sozialen Themen und entfalten sich in öffentlichen und ortsspezifischen Räumen. Sie hat in kollektiven Performances bei Festivals wie CDN, Theater is a Must, BIPOD, Nassim El Raqs und D-CAF mitgewirkt und war Teil des Abschlussstücks „Falling” des Silsilah Dance Program. Zu ihren Soloauftritten zählen „A Disturbing Wait” und „EX-OTIC”.

     هدير ناشد  هدير ناشد 

  • Moayed El Ghazouani

    Moayed El Ghazouani ist ein tunesischer Performer und Physical-Theatre-Künstler, dessen Arbeit Tanz, Theater und Sound in multidisziplinärer ästhetischer Form verbindet. Seine Praxis geht über diese Kategorien hinaus und ist von dem Wunsch getrieben, die Wahrheit zu sagen. Ausgebildet in Theater und Tanz, hat Moayed an verschiedenen Performance-Projekten in Tunesien, Dänemark und Italien mitgewirkt und ist gleichzeitig Fragen im Bereich der Kulturwissenschaften nachgegangen. Seine Arbeit beschäftigt sich mit Themen wie Transformation, Überleben und der Politik von Sichtbarkeiten. Sein jüngstes Stück „Rouheb“ wurde 2023 im Rahmen des Creative Seasons-Programms des Tunesischen Nationaltheaters mit dem Preis für Beste Szenografie ausgezeichnet.

     Moayed El Ghazouani Moayed El Ghazouani

Momen Nabil

Momen Nabil ist ägyptischer Architekt, ehemaliger Turner, zeitgenössischer Tänzer, Mitbegründer von non-studio und Master-Absolvent in ephemerer Architektur und temporärem Raumdesign an der Elisava in Barcelona im Jahr 2021. Er ist außerdem Absolvent der Cairo Contemporary Dance School. Seine Erfahrung als Creative Director wächst stetig weiter – eine Praxis, in der Momen danach strebt, neue Wege zu finden, Architektur und Performance für visuelles Storytelling zu nutzen.

  Momen Nabil Momen Nabil

Kuratorin

Mentor*innen

  • Ali Chahrour

    Geboren in Beirut, erfindet der Choreograph und Tänzer Ali Chahrour eine Bewegung, befreit von westlichen Kodifizierungen und Modellen. Sie fungiert als Reflektion seiner Kultur, als politischer, sozialer und religiöser Kontext, in dem Ali Chahrour sich weiterentwickelt. In seiner Trilogie „Der Tod“ beschwört er Begräbniszeremonien, Tradition und harsche Modernität vermischend. „The Love Behind My Eyes“, welches auf dem Zürcher Theater Spektakel 2022 den ZKB Schirmherrschaftspreis
    gewann, ist Teil von Chahrours zweiter Trilogie, dem Thema „Liebe“ gewidmet. Zurzeit bereitet er die Arbeit an einer neuen Trilogie zum Thema „Angst“ vor.

    Ali Chahrour Ali Chahrour Ali Chahrour

  • Annegret Schalke

    Annegret Schalke lebt und arbeitet als Tänzerin/Choreografin und Lichtdesignerin in Berlin. Sie hat einen Master-Abschluss in Mathematik und absolvierte ihr Studium in Tanz, Kontext, Choreografie am HZT Berlin. In ihren Lichtdesign-Arbeiten interessiert sie sich für installative Ansätze, für kühne Erscheinungsformen von Licht als Mittel der Choreografie, aber auch für die Mechanismen der subtilen Lenkung der Aufmerksamkeit. Außerdem interessiert sie sich für Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Licht, Sound und Bildmaterial.
     

    Ein Bild von Annegret Schalke © Privat © Privat

  • Youssra El Hawary

    Youssra El Hawary ist Komponistin, Singer-Songwriterin, Akkordeonistin und Sounddesignerin. Sie leitet seit 2011 ihre eigene Band und hat mit einer Vielzahl von Künstler*innen aus verschiedenen Genres und Disziplinen zusammengearbeitet. Seit 2020 hat Youssra das Sounddesign für Filme, Performances und Kunstinstallationen beigesteuert. Ihre neueste EP, Taraddud, markiert ihr Debüt als Produzentin, auf der sie Feldaufnahmen aus Kairo mit eigenen Kompositionen und Texten verbindet. Im Laufe der Jahre hat Youssra zahlreiche Workshops zu Songwriting, Sounddesign und Improvisation geleitet und die Radiosendung Music Talk auf NogoumFM (2014–2015) moderiert.
     

    Ein Porträt Bild von Youssra El Hawary © Privat © Privat

Kooperationspartner

  • HAU Hebbel am Ufer

    Das HAU Hebbel am Ufer steht mit seinen vier Bühnen HAU1, HAU2 und HAU3 sowie ab 2020 der digitalen Bühne HAU4 für aktuelle künstlerische Positionen an der Schnittstelle von Theater, Tanz und Performance. Darüber hinaus sind auch Musik, Bildende Kunst und diskursive Formate wesentliche Bestandteile des Programms, das die lebendige Kunstszene der Heimatstadt Berlin mit starken internationalen Stimmen verbindet.

  • HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste

    HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste wurde 1911 als Festspielhaus und Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus erbaut. Heute agiert HELLERAU als interdisziplinäres und internationales Zentrum für Tanz, Performance, Musik, Theater und Medienkunst. HELLERAU bietet Räume für Produktionen, Festivals, Residenzen, Konzerte, Ausstellungen und Diskurs, kooperiert mit verschiedenen regionalen Kulturpartner*innen und ist international vernetzt.

     HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste

Kontakt

Fragen bitte per Mail an: meret.arnold@goethe.de