Urban String
Im Rollfeld der Kammermusik – Urban String South East Asian DJ Conference

Urban Sting South East Asian DJ Conference
Urban Sting South East Asian DJ Conference | © Goethe-Institut Bangkok/ Luise Keiderling

Die seit 2011 bestehende Kammermusik-Versuchsreihe »Urban String« beim Hamburger Ensemble Resonanz bindet jedes Mal einen DJ ein: Keine Service-DJs für Lounge-Musik oder trunkene Betriebsfeiern, sondern Musikarchäologen, die das Programm des Ensembles vor dem eigenen musikalischen Hintergrund interpretieren. Und ihm einen Rahmen geben.

Wechselnde DJs ergeben schier endlose Assoziationsketten – die Hamburger Szene bietet hierfür fruchtbaren Boden. Denn in fast jeder Bar St. Paulis stehen zwei Plattenspieler und ein Mischpult. Hier wachsen die späteren Club DJs auf und experimentieren ergebnisoffen bis zu später Stunde – allabendlich in direkter Kommunikation mit dem Publikum. Diese Qualitäten kommen bei Urban-String-Abenden besonders zum Zuge, denn die DJs legen nicht ihr »Club Set« auf, sie müssen niemanden zum tanzen animieren, außer den Synapsen der Zuhörerschaft.

In Hamburg werden sie meist aus dem Umfeld des Golden Pudel Clubs generiert: Die Klangpoetin Nikae, der House-Music-Andersdenker RVDS und der international hochgradig beschäftigte Maschinentanz-Experte Phuong Dan sind regelmäßige Gäste. Aber auch der veterane Bassforscher wie Marcus Maack — aka der Vinylizer — und Swing DJ Swingin’ Swanee tragen zum hybriden Spektrum der Abende bei. Einer der auch schon öfter dabei war ist Sebastian Reier, alias Booty Carrell. Er ist Vorhut des Ensembles bei dessen Südostasientour, taucht in die Musikszene und -geschichte verschiedener Kulturen ein und berichtet hier von seinen Bekanntschaften:


Nun schickt das Goethe Institut Urban String auf Tournee durch Südostasien. Nach Kuala Lumpur, Bangkok, Manila, Jakarta, Hanoi und Singapur – mit einem weitreichenden Programm: Eine elegische Streichersinfonie von Felix Mendelssohn trifft auf das verzerrte Cello Solo Industry des Bang-On-A-Can Mitbegründers Michael Gordon. Der proto-experimentelle Frühbarock des Heinrich Ignaz Franziskus Biber trifft auf physische Grenzerfahrungen im noch wenig gespielten Stück Scanner von Alexander Schubert.

Und überall wird das Ensemble einem lokalen DJ, einer Persönlichkeit der lokalen Szene gegenüberstehen. Ich hatte die Gelegenheit, alle im Rahmen einer vom Goethe Institut Bangkok veranstalteten Urban String South East Asian DJ Conference im Studio Lam Bangkok kennenzulernen. Über zwei Tage haben wir intensiv über das Konzept von Urban String gesprochen, uns ausgetauscht, Ideen entwickelt und einander unsere eigenen Arbeitsweisen gezeigt. Darf ich vorstellen?
 

DJ Maft Sai (Bangkok)

DJ Maft Sai (links) DJ Maft Sai (links) | © Goethe-Institut Bangkok/Luise Keiderling Als Maft Sai vor ein paar Jahren anfing, die Musik der ländlichen Regionen im Isan im Nordosten Thailands zu erforschen, wurde er in Bangkok belächelt: Das sei Taxifahrermusik. Er hörte jedoch etwas anderes: magische  Folkore, die für ihn klang wie akustischer Techno mit einzigartigen Gesangsstilen und Anklängen an den äthiopischen Jazz! Jahre später muss man sagen: Er hat alle überzeugt. Sein Schallplattenladen Zudrangma im Herzen Bangkoks ist von Weltruf, seine Compilations kann man überall kaufen, seine Paradise Bangkok International Molam Band umrundet den Globus und Maft Sai ist inzwischen zu einem Impresario des Thai Underground geworden. Seine DJ Sets entführen auf musikalische Reisen und verknüpfen, wo sonst niemand Verknüpfungen sieht. Selbstverständlich reiht er thailändischen Molam an jamaikanischen Dubreggae, sudanesischen Folk an deutschen Krautrock oder türkischen Anadolu-Rock. Da erscheint die Verbindung mit europäischer Klassik mehr als sinnfällig!
 


Fatim (Malaysia)

Fatim Fatim | © Goethe-Institut Bangkok/Luise Keiderling Syarifahfati Matulzaharah hat einen solch klangvollen Namen, er würde einer internationalen Karriere im Google-Zeitalter im Wege stehen. Daher nennt sie sich kurz – Fatim. Mit 26 Jahren ist die zweitjüngste Teilnehmerin der Konferenz.Hinter ihrer Zurückhaltung und Freundlichkeit verbirgt sich ein monströser Bassmusik-DJ. Ihre Sets zielen gleichwohl auf Beine, Gehirn, die Magengegend. Ihre Musik baut Brücken von der Vergangenheit in eine ferne Zukunft. Fatim ist Teil des weiblichen DJ Kollektivs Attagirl, das zwischen Kuala Lumpur und Singapur agiert. Und sie ist Verfechterin des hintergründigen Humors.


NK’ (Vietnam)

NK' NK' | © Goethe-Institut Bangkok/Luise Keiderling Mit 18 Jahren mit Abstand der jüngste Teilnehmer der Konferenz und aufsteigender Stern der lokalen Szene Hanois – und wer weiß, wo ihn sein durchaus poppiger Future-Bass-Sound hinführt. Großes Potenzial steckt in diesem einzigartigen Charakter. Der gemeinsame Auftritt mit dem Ensemble Resonanz wird seine erste musikalische Grenzerfahrung mit vollkommen offenem Ergebnis.
 



Dea (Indonesien)

Dea Dea | © Goethe-Institut Bangkok/Luise Keiderling Mit 33 Jahren ist Dea bereits eine Legende unter Disco-Obskurantisten weltweit. Der britische Plattenpapst Giles Peterson beschrieb sein Set als »das beste, was er in zehn Jahren gesehen hat«. Aber Dea spielt wie jemand, der niemandem etwas zu beweisen hat. Darüber hinaus arbeitet er als Sounddesigner und Produzent, in seiner derzeitigen Heimat Bali ist er zudem als künstlerischer Direktor für eine Veranstaltungsagentur beschäftigt. Sein Hintergrund als im Konservatorium ausgebildeter klassischer Musiker motiviert ihn am gemeinsamen Abend in Jakarta sicher zu Großtaten.
Dea "SHINE A LIGHT ON" MIX


Safuan Johari of NADA (Singapur)

Safuan Joharl of NADA Safuan Joharl of NADA | © Goethe-Institut Bangkok/Luise Keiderling Das Performance-Duo NADA wird in Singapur auf das Ensemble Resonanz treffen. Zur Konferenz konnte mit Safuan Johari nur die für Musikproduktion verantwortliche Hälfte des Duos teilnehmen: Safuan Johari verschaffte uns einen Eindruck von einer gemeinsamen Arbeit, die den Musikbetrieb parodistisch auf die Schippe nimmt, aber auch von einer Musik, die Vergangenes in eine fiktive Gegenwart transportiert. Der Sound der 1960er-Jahre-Popmusik Malaysias bildet die Grundlage zu NADAs aberwitzigen Exkursen.
INTERVIEW mit NADA
 
  

 

Similar Objects (Philippinen)

Similar Objects Similar Objects | © Goethe-Institut Bangkok/Luise Keiderling Als Jorge Juan Wieneke alias Similar Objects seine Arbeit vorstellt, wird schnell klar: Dieser Mensch ist von Ideen geleitet und er kann diese erstaunlich gut in Musik transportieren. Heraus kommt eine Vielzahl zeitgenössischer elektronischer Spielarten: Trap, Ambient, HipHop Beats – Medienkunst. Und jedes Projekt ist ein abgeschlossener Kosmos, eine Phase, eine Gefühlswelt. In der Tat klingen seine Maschinen menschlich und so wundert es nicht, dass er das Eis zum Publikum bricht, zum Beispiel bei der öffentlichen gemeinsamen DJ-Session im Studio Lam, mit der wir die Konferenz zum Abschluss gebracht haben.