Kreativwirtschaft
Marktplatz mit Gemeinschaftssinn

Die Co-Working Spaces im Agora in Berlin fördern Gemeinschaft
Die Co-Working Spaces im Agora in Berlin fördern Gemeinschaft | Foto: © Franz Brueck

Gemeinschaften stärken, Klimawandel thematisieren oder Genossenschaften unterstützen: In der Berliner Kreativwirtschaft gibt es zahlreiche Projekte, die gesellschaftliche Mehrwerte schaffen.
 

Von Hendrik Bensch

Wenn Dario an seinem Arbeitsplatz im Co-Working Space um sich schaut, sitzen dort nicht einfach andere Selbständige. Dario nennt die anderen Co-Worker dort seine „Berlin family“, seine Berliner Familie. Hier in den Agora Co-Working-Spaces in Berlin-Neukölln hat er mit dieser Familie zusammen das Treppenhaus gestrichen. Im Sommer haben sie gemeinsam vor dem Bürogebäude mit der gelben Backsteinfront Äpfel gepflückt. Sogar Weihnachten hat der italienische Web-Entwickler mit Kollegen bei Agora verbracht.
 
Darios Erlebnisse spiegeln die Idee des Künstlerkollektivs Agora wider: Der Gemeinschaftsgedanke spielt eine zentrale Rolle. „Wir wollen der Prototyp für eine interdisziplinäre Gemeinschaft sein“, sagt Caique Tizzi, einer der beiden Gründer von Agora. Er ist Vorsitzender des Vereins Agora Collective. „Zentrale Säulen für das Thema Gemeinschaft sind für uns: Arbeit, Essen, Lernen und Kunst“, sagt Tizzi. Und so hat Agora Collective beispielsweise Projekte wie Everything Under the Sun entwickelt. In mehreren Veranstaltungen setzte sich Agora dabei künstlerisch mit unterschiedlichen Aspekten des Klimawandels in nördlichen Ländern auseinander.
 
Beim „Agora Collective Residency Programme“ haben Künstler mithilfe einer Förderung über mehrere Monate in den Räumen von Agora gearbeitet. Dabei ist beispielsweise ein Kurzfilm entstanden, bei dem die Frage im Mittelpunkt stand, was Menschen bereit sind für eine bessere Gesellschaft aufzugeben. In ihrem neuesten Projekt „I am hungry“ bietet Agora eine Plattform, auf der Künstler mit neuen Formen der künstlerischen Zusammenarbeit experimentieren. Amateurschauspieler nehmen dabei beispielsweise das Publikum bei einer Performance mit auf eine Reise in ihr kindliches Ich. Dieses Experiment hinterfragt das Verständnis der menschlichen Natur.

Unterschiedliche Menschen, ungewöhnliche Projekte

Agora heißt nicht umsonst Marktplatz. Denn hier kommen Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund zusammen: Designer, Programmierer, Theaterproduzenten, Videospiele-Entwickler, Künstler und viele mehr. Und mitunter haben sie sehr ungewöhnliche Projekte. Gerade arbeitet ein Projektteam daran, Medizingeräte für Syrien zu sammeln. „Wir wollen ein Ort sein, an dem Lösungen für bedeutende Fragen entwickelt werden“, sagt Tizzi. Einmal im Monat stellt ein Agora-Mitglied beim Community Dinner eines seiner Projekte vor und sucht mitunter nach Mitstreitern.

Finanziert wird das zum einen durch Gebühren für die Co-Working Spaces, die künstlerischen Projekte erhalten Fördergelder. So gelingt es den Machern aus der Kreativwirtschaft, ihre eigenen Ideen umzusetzen und gleichzeitig Mehrwerte zu schaffen, die weit über das Ökonomische hinausgehen. Agora ist damit eines von vielen Projekten mit ähnlicher Zielsetzung allein in Berlin. Dazu gehören zum Beispiel auch das Plattenlabel Bar 25, das Künstlerkollektiv KUNSTrePUBLIK, die Denkerei, die sich selbst „Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen“ nennt, oder der Veranstaltungsort und Kreativtreff Impact Hub Berlin. Bei all diesen Projekten spielt das Thema Austausch eine zentrale Rolle.

Digital geprägte Teilhabe

Um Teilhabe und Austausch geht es auch bei Supermarkt, einer Plattform für digitale Kultur, kollaborative Ökonomie und neue Arbeitsformen. Die Mitglieder des Supermarkt-Teams verdienen ihr Geld unter anderem damit, dass sie Events moderieren, technisch begleiten und Digitalstrategien entwickeln. Außerdem beraten sie Organisationen und Unternehmen beispielsweise dabei, wie sie Produkte und Dienstleistungen nachhaltiger entwickeln können. Und es geht dabei auch darum, wie sie ihre Arbeitsorganisation ändern können – zum Beispiel, indem sie Mitarbeiter stärker an den Gewinnen des Unternehmens teilhaben lassen.
 
Supermarkt organisiert außerdem selbst Veranstaltungen. Im Fokus stehen dabei inzwischen sogenannte Platform Cooperative. Das sind plattformbasierte Genossenschaften, die für einen neuen, digital geprägten Kooperativismus stehen und eine Gegenbewegung zu Plattformen wie dem Übernachtungsportal Airbnb darstellen. Durch das Genossenschaftsmodell sollen nicht nur einige wenige, sondern möglichst viele an den Gewinnen teilhaben. „Wir wollen einen Raum schaffen, in dem neue Diskussionen und neue Netzwerke entstehen“, sagt Ela Kagel, Mitgründerin von Supermarkt.
 

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