Manomama
Ein textiler Gegenentwurf

Mehr Menschlichkeit statt Gewinnmaximierung – Sina Trinkwalder macht vor, wie gerechte Arbeitswelt geht. Ihre Firma Manomama produziert Textilien in Deutschland – nachhaltig und sozial.

Manomama
Manomama | © Manomama
Augsburg, Willy-Brandt-Platz: Hinter einem Einkaufscenter befindet sich ein weiteres Gebäude. Dort steht eine Traube von Frauen mittleren Alters. Sie rauchen, trinken Kaffee, lachen. Hier befindet sich die Textilfirma Manomama. Einmal durch die Tür und schon hört man Nähmaschinen klappern, sieht unzählige Näherinnen an ihren Arbeitsplätzen und bunte Berge von Stoffen. Ein Anblick, den es in Deutschland nur noch selten gibt.

Sina Trinkwalder, 2014
Sina Trinkwalder, 2014 | Foto: Stefan Puchner
In der Nachkriegszeit florierte der deutsche Textilmarkt ein letztes Mal, dann ging es bergab. Die heimische Produktion wurde von billiger, europäischer Konkurrenz abgelöst. Zwischen 1963 und 1973 verringerte sich die Anzahl der hiesigen Textilbetriebe um ein knappes Drittel, die Industrie kriselte. Die Globalisierung lagerte die Produktion in sogenannte Niedriglohnländer aus. Heute ist China der weltweit größte Exporteur für Bekleidungstextilien. Textilien Made in Germany haben Seltenheitswert. Ein Textilunternehmen, das sich in Deutschland ansiedelt, ohne politische Förderung oder gar Subventionierung und mitten in der Wirtschaftskrise, das braucht mehr als Mut – eher so etwas wie ein Wunder.

„Wunder muss man selber machen“

  • Wickelkleid Foto und © Manomama

    Wickelkleid

  • Augschburgdenim Straightfit Foto und © Manomama

    Augschburgdenim Straightfit

  • Langarm-Shirt Foto und © Manomama

    Langarm-Shirt

  • Wasserfallkleid Foto und © Manomama

    Wasserfallkleid

  • Augschburgdenim Straightfit Foto und © Manomama

    Augschburgdenim Straightfit

Sina Trinkwalder ist die Gründerin von Manomama. Ihr 2013 erschienenes Buch heißt Wunder muss man selber machen. Wie ich die Wirtschaft auf den Kopf stelle. Ein Titel, der das Selbstbewusstsein Trinkwalders widerspiegelt.

Er setzt sich aus den Redensarten „Wunder geschehen“ und „Alles muss man selber machen“ zusammen. Sina Trinkwalder weiß: Wer etwas mit Ehrgeiz anpackt, der kann Unmögliches möglich machen. Schon mit 24 Jahren und neben dem Studium gründete sie mit ihrem Mann eine Werbeagentur. Sie verdiente gutes Geld und stellte doch fest: Etwas fehlt. Die Geburt des Sohnes verschaffte ihr Klarheit: „Meine Werte haben sich verändert. Normalerweise gründet man ja ein Unternehmen, wenn man eine tolle Idee für ein Produkt hat. Meine Idee waren die Menschen.“ Maximierung von Menschlichkeit statt Maximierung des Gewinns ist also das Ziel; ein Unternehmen, das jedem Menschen einen Arbeitsplatz bieten kann. Heute sind viele ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ältere, Langzeitarbeitslose oder Alleinerziehende – Menschen, die in der Arbeitswelt keinen Platz mehr fanden. Dass man mit den eigenen Händen auch den eigenen Lohn erwirtschaften kann, schafft Selbstbewusstsein bei denen, die sich schon abgeschrieben hatten.

Die Frage, was produziert werden soll, war in der früheren Textilstadt Augsburg schnell beantwortet: Kleidung. Trinkwalder, die zuvor noch nie mit Textilien gearbeitet hatte, vertiefte sich in die Materie. In knapp drei Monaten suchte sie fast vergessenes Know-how und schuf eine Lieferkette: Knopf- und Reißverschlussmacher, Färber und Weber vor Ort mussten gefunden werden – und alle in der Lage sein, nachhaltig und in regionaler Wertschöpfungskette zu produzieren.

Mehr „to stay“

Produktion Manomama
Produktion Manomama | Foto: Marie-Sophie Platzer
Die Labels „Social Business“ und „ökosozial“ findet Trinkwalder allerdings unsinnig. „Ich wollte einfach nur ein g’scheides Unternehmen gründen“, sagt sie. Eines, das sich nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch den Kunden gegenüber korrekt verhält. Die Kleidung ist erschwinglich, spart aber nicht an Qualität. Alle Bestandteile der Manomama-Mode kommen aus lokalen Produktionsstätten, lediglich die Baumwolle kommt aus der Türkei.

Bald aber soll es die Augschburg-Denim, die klassische blaue Manomama-Jeans, sogar mit einem Anteil an bayerischem Hanf geben. Wichtig ist Trinkwalder auch, dass ihre Mode niemanden diskriminiert: Alle Größen von XS bis XXL kann man bei Manomama kaufen. Das meiste wird über den Onlineshop der Firma verkauft, außerdem über den Direktvertrieb durch die Manomamas, die Mitarbeiterinnen, sowie in einem Reformhaus. Unterwäsche von Manomama gibt es seit Anfang 2014 bei einer Supermarktkette zu kaufen. Die Textilien entwirft Trinkwalder mithilfe eines kleinen Teams für Schnitt und Stoffdesign, vor allem Basics: T-Shirts für Männer und Frauen, Wickelkleider, Röcke. „Weniger to go. Mehr to stay“ – ein Motto, das man auf Manomama-Stoffbeuteln lesen kann und eine Anspielung ist auf die Wegwerfmentalität vieler, die sich in Modeläden „schnell was Neues holen“ wie einen Coffee to go.

Manomama
Manomama | Foto und © Manomama
Manomama denkt um, auf allen Ebenen. Die Frage, was das Logo bedeutet, beantwortet Sina Trinkwalder mit einem Lächeln: „Die Feder ist das Symbol der stillen Revolution. Aber unsere Federn sind gekreuzt, wie Schwerter.“
 
Sina Trinkwalders Buch „Wunder muss man selber machen. Wie ich die Wirtschaft auf den Kopf stelle.“ ist 2013 bei Droemer Knaur erschienen und als Hardcover und E-Book erhältlich.

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