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Klima und Umwelt
Die deutsche Umweltbewegung im Wandel

Eine Demonstration von Fridays for Future in München. Man sieht viele junge Menschen, Flaggen und Demoschilder.
Foto (Detail) © picture alliance / SZ Photo | Catherina Hess

Klima- und Umweltschutz geht seit der Corona-Pandemie inmitten vieler anderer Krisen unter. Das war schon immer so, sagen Expert*innen. Aber es gibt eine neue Gefahr von rechts.

Von Deborah Hohmann

Es gibt sie, diese kurzen Zeitfenster, in denen Umwelt- und Klimaschutz Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen sonst nicht zuteilwird. 2019 öffnete sich ein solches Fenster: Fridays for Future organisierte den bis dahin größten globalen Klimastreik, bei dem allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gingen. Doch kurze Zeit später nahm das Interesse an Umwelt- und Klimaschutz wieder ab. Im Wahlkampf der diesjährigen Bundestagswahl war das Thema so gut wie nicht präsent und die Grünen rutschten um 3 Prozentpunkte ab. Was ist passiert, und wie steht es aktuell um das ökologische Interesse und Engagement der Deutschen?

Die deutsche Umweltbewegung im Überblick

Die Umweltbewegung in Deutschland war schon immer abhängig von dem, was in der Welt gerade passiert. Die Ölkrise in den 1970er Jahren und die daraus entstandenen Pläne für neue Atomkraftwerke brachten beispielsweise viele Menschen dazu, gegen Atomkraft zu protestieren. Das wiederum verschaffte der gesamten Umweltbewegung Aufwind. Seit den 1990ern haben größere Umweltorganisationen mehr Ressourcen und Strukturen aufgebaut, mehr Mitglieder und Förder*innen gewonnen und dadurch auch mehr Budget und Personal erhalten.
Schwarz-weiß Bild: Menschen in Traktoren, zu Fuß und auf Fahrrädern protestieren mit Schildern auf denen steht "Atomkraft, nein danke"

Bauern und große Teile der Bevölkerung im Wendland demonstrieren gegen Kernkraft und das Vorhaben, in Gorleben ein atomares Endlager zu errichten. | Foto (Detail) © picture alliance / Klaus Rose | Klaus Rose

Der größte deutsche Umweltverband ist heute der NABU, mit 960.000 Mitgliedern hat er mehr Mitglieder als die beiden größten Parteien CDU und SPD zusammen (jeweils knapp 400.000). Insgesamt gibt es in Deutschland rund 33.000 Vereine, die sich hauptsächlich dem Umwelt- und Naturschutz widmen.

So vielfältig und komplex die Umweltbewegung auch ist – es gibt zwei Dinge, die die unterschiedlichen Akteur*innen einen: Erstens erkennen sie den Menschen als Teil (und nicht als Feind) der Ökosysteme an. Und zweitens kämpfen sie ohne Gewalt für ihre Ziele. Das ist nicht überall so. Laut Daten des World Value Survey sind 85 Prozent der Mitglieder der deutschen Umweltbewegung der Meinung, dass politische Gewalt niemals gerechtfertigt ist. In den USA sehen das zum Beispiel nur 42 Prozent so.

Wer engagiert sich in der deutschen Umweltbewegung?

Der World Value Survey gibt auch darauf eine Antwort: In Deutschland sind etwa zehn Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Umweltorganisation. Damit liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern im unteren Mittelfeld. Am besten abgeschnitten hat Kenia. Dort engagieren sich fast 40 Prozent der Menschen. Aber auch andere Länder des Globalen Südens zeichnen sich durch ein hohes ökologisches Engagement aus.

In den vergangenen Jahren sind viele neue Gesichter in der deutschen Umweltbewegung dazugekommen. Eins der bekanntesten ist das der Aktivistin Luisa Neubauer, die zu den Hauptorganisator*innen von Fridays for Future gehört. Sie und ihre Mitstreiter*innen haben es geschafft, viele Menschen von mehr Klimaschutz zu überzeugen. 2020 war das Umweltbewusstsein in Deutschland so hoch wie nie: Laut einer Studie des Umweltbundesamts hielten 65 Prozent der Befragten Umwelt- und Klimaschutz für sehr wichtig.

Das Umweltbewusstsein heute

Das Umweltbewusstsein flachte nach dem Beginn der Corona-Pandemie ab und ist heute wieder etwa auf dem Niveau von 2016: Nur noch 54 Prozent der Befragten haben in der neuesten Studie des Umweltbundesamts Umwelt- und Klimaschutz als sehr wichtig beurteilt und Fridays for Future hat mit stark nachlassendem Engagement zu kämpfen. Laut Expert*innen lag das rückläufige Umweltbewusstsein nicht allein an der Pandemie, sondern auch an den vielen weiteren Krisen, die die vergangenen Jahre geprägt haben und es teils noch immer tun: der Ukraine-Krieg, geopolitische Spannungen sowie stark gestiegene Energiepreise und Lebenshaltungskosten. All das überlagere den gesellschaftlichen Stellenwert von Umwelt- und Klimaschutz, heißt es in der Studie des Umweltbundesamts. Zudem könnten die gesellschaftlich umstrittenen Aktionen der Protestgruppe Letzte Generation und die Debatte um das sogenannte „Heizungsgesetz“ die sinkenden Zahlen mitverursacht haben.
Zwei Menschen sitzen in der Mitte einer befahrenen Straße, Sie haben orange Westen an  und orange Schilder.

Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ blockieren den Berufsverkehr am Potsdamer Platz in Berlin. | Foto (Detail) © picture alliance / SZ Photo | Christian Mang

Mitten in dieser Gemengelage versuchen seit einigen Jahren auch ultrakonservative bis rechtsextreme Gruppen, Umweltschutz als eigenes Thema zu besetzen. Während sich ultrakonservative Gruppen wie der bayerische Verein für Artenschutz, Landschaftsschutz & Biodiversität (VLAB) vor allem gegen Windkraftanlagen einsetzen, nutzt die rechtsextreme AfD das Thema Umweltschutz, um Stimmung gegen Menschen zu machen. Unter dem Deckmantel der „ökologischen Tragfähigkeit“ behauptet die AfD, ein Lebensraum könne nur eine bestimmte Anzahl an Lebewesen beheimaten - und instrumentalisiert den Umweltschutz auf diese Weise mit einer menschenfeindlichen Migrationspolitik.

Und wie geht es weiter?

Damit steht fest: Die deutsche Umweltbewegung ist im Wandel. Dieses Phänomen ist allerdings nicht neu. Immer wieder haben Krisen und äußere Faktoren die Umweltbewegung beeinflusst. Laut der Studie des Umweltbundesamtes ergeben sich durch diese Entwicklungen für die Politik konkrete Aufträge. Sie müsse unterschiedliche Lebensrealitäten und soziale Aspekte stärker berücksichtigen und klarmachen, dass ambitionierter Klima- und Umweltschutz das Leben für alle Menschen verbessert.  Zudem sollten Umweltorganisationen laut einer Studie vom UfU an ihrer Kommunikation arbeiten und zum Beispiel mehr Faktenchecks erstellen, Social Media professioneller bespielen. Und Ehrenamtliche für rechtsextreme Strömungen sensibilisieren.

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