Das Grüne Band
Vom Todesstreifen zur Lebensader
Im Schatten der einstigen Grenze zwischen BRD und DDR konnte sich über Jahrzehnte Natur frei entfalten. Hier bildet heute das „Grüne Band“ eine Kette von Schutzgebieten. Das Projekt hat unschätzbaren biologischen Wert – und Strahlkraft für ganz Europa.
Von Caroline Ring
Es begann Mitte der 1970-er Jahre. Deutschland war ein geteiltes Land, die Grenze zwischen BRD und DDR streng bewacht. Auf 1.400 Kilometern zwischen Dreiländereck und Ostsee bildete sie einen schmalen Korridor, manchmal 200 Meter, manchmal nur 50 Meter breit. „Todesstreifen“ wurde das Gebiet auch genannt: Mit Mauern, Zäunen, Gräben, Türmen und 50.000 bewaffneten Soldaten versuchte man seitens der DDR, Bürger*innen an der Flucht aus dem eigenen Land zu hindern. Mehr als 900 Menschen starben bei solchen Versuchen.
Grenzmauer, Durchlasstor und Beobachtungsturm in der Landschaft am Brocken, aufgenommen im Januar 1990. | Bild: picture alliance / ZB | Eberhard Klöppel
Das „Grüne Band“: Wie alles begann
Einer der Beobachter war Kai Frobel. In der Umgebung vom oberfränkischen Coburg aus erspähte er mit dem Fernglas Braunkehlchen, Raubwürger, Ziegenmelker und Heidelerche. Er erkannte Arnika und Knabenkraut und hörte das ferne Quaken von Laubfröschen und Kreuzkröten. Frobel erkannte: Dieses Gebiet mit der tragischen Geschichte entwickelte sich zu einem Refugium für die Natur.Bereits zu dieser Zeit tauschten sich Naturforschende auf beiden Seiten der Grenze per Post miteinander aus. Als die Mauer schließlich fiel und freies Reisen möglich war, beraumte Frobel mit seinem Kollegen Hubert Weiger kurzerhand ein Treffen an. Gemeinsam begrüßten sie rund 400 Teilnehmende aus DDR und BRD: Menschen, denen der Schutz wertvoller Natur am Herzen lag, die jedoch noch bis vor kurzem durch eine nahezu unüberwindbare Grenze getrennt waren. Am Ende des Treffens hielten sie in einer Resolution fest, den einstigen Grenzstreifen als „ökologisches Rückgrat Mitteleuropas“ zu sichern. Und sie fanden einen Namen für das Vorhaben: Grünes Band.
Hubert Weiger und Kai Frobel an einem Grenzpfahl am Grünen Band. | Foto (Detail) © BUND e.V.
Ein langer Weg zum Erfolg
Heute liest sich die Geschichte des Grünen Bandes wie ein Erfolgsprojekt mit Ansage. Wo sonst gibt es noch Flächen in Deutschland, die von Menschen lange Zeit unberührt waren und anschließend dem Naturschutz überstellt wurden? Zwei Drittel des einstigen Grenzstreifens stehen heute unter Schutz. 87 Prozent des Grünen Bandes gelten als naturnah. Insgesamt umfasst es 177 Quadratkilometer über neun Bundesländer hinweg und enthält 146 verschiedene Biotoptypen. 5.000 Arten von Tieren und Pflanzen kommen hier vor. 1.200 von ihnen sind gefährdet, für sie ist das Gebiet besonders wichtig.
Ist auf naturnahe Auen als Lebensraum angewiesen: Der seltene und streng geschützte Schwarzstorch. | Photo (Detail) © Dieter Damschen
Das Grüne Band aus der Vogelperspektive | Foto (Detail) © Klaus Leidorf