Interview mit Katja Spitzer
Ein rotes Buch über das Zeichnen auf Papier

Una linea è una linea | Vignetten
Una linea è una linea | Vignetten © Katja Spitzer | © Raum Italic Verlag

Vor einem Jahr erschien in Deutschland im Reclam-Verlag das Buch „Kreatives Gestalten. 77 Ideen rund um Zeichnen, Malen und Collage“. Raum Italic wählt für die italienische Ausgabe ein rotes Buchcover und einen Titel, der sofort ans Zeichnen denken lässt: „Eine Linie ist eine Linie“. Während die italienische Ausgabe noch mitten im Entwurf steckt, habe ich bereits einige der 77 Übungen ausprobiert. Katja Spitzer gibt mir Papier und Bleistift und fordert mich zum Zeichnen auf, ohne Anspruch auf Perfektion, denn ein handgezeichnetes Portrait muss nicht aussehen wie eine Fotografie. Es zählt vor allem eins: Viel Spaß!

Von Giulia Mirandola

Giulias Hände
Giulias Hände | © Goethe-Institut Italien | Foto: Katja Spitzer
Wie kam es zu der Idee, ein Buch zum Zeichnen zu machen?

Seit 2014 unterrichte ich an der AID Berlin und gebe außerdem Workshops für Kinder. Für meine Workshops habe ich nach einer Sammlung mit vielen unterschiedlichen Übungen gesucht, am liebsten eine reine Textsammlung. Eine Mischung aus längeren und kürzeren Übungen, die sich gut verändern lassen. Weil ich so ein Buch nicht gefunden habe, habe ich selbst angefangen, Übungen zu sammeln. Irgendwann hatte ich eine lose Zettelsammlung von über 100 Übungen zusammen und das Projekt dem Reclamverlag angeboten.
 
Warum die Entscheidung, ein Buch ohne Illustrationen zu machen?

Weil ich sowohl Schüleri*nnen, Student*innen als auch interessierte Kreative gleichermaßen ansprechen wollte. Also Menschen fast aller Altersstufen und Fähigkeiten. Wären in dem Buch Zeichnungen drin, hätten sich einige angesprochen gefühlt, andere über- oder unterfordert. Die Leser*innen sollten nicht im Vorhinein mit einem Bild konfrontiert werden, sondern völlig frei an die einzelnen Übungen herangehen. Außerdem sind Zeichnungen und Stil Geschmackssache. Was die einen anspricht, schließt die anderen aus. 
Beispiel zur Übung „Alle Tassen im Schrank!“ | Zeichnung von Giulia Mirandola
Beispiel zur Übung „Alle Tassen im Schrank!“ | Zeichnung von Giulia Mirandola | © Goethe-Institut Italien | Foto: Katja Spitzer
Was sind Ihrer Meinung nach die interessantesten Aspekte der Geste des Zeichnens mit der Hand? 

Zum einem liebe ich gute Stifte und Papier. Ich habe eigentlich immer mein Federmäppchen mit meinen Lieblingsstiften und ein Skizzenbuch dabei. Zum anderen liebe ich die Dinge, die versehentlich passieren, wenn man ohne Plan rumkritzelt. Ein zu kleiner Kopf lässt sich auf dem Tablet schnell korrigieren. Auf dem Papier muss man mit den vermeintlichen Fehlern umgehen und hat eine Zeichnung mit besonderem Charme.
 
Was sind Ihrer Erfahrung nach die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Zeichnen mit der Hand und dem digitalen Zeichnen?

Eine spontane Idee oder die ersten Skizzen für ein Projekt zeichne ich immer noch am liebsten mit Hand und Bleistift. Das ist das direkteste Medium. Beim digitalen Zeichnen kann ich Entwürfe schneller verändern, zum Beispiel, wenn mir eine Farbe nicht gefällt oder eine Nase länger werden soll. Außerdem spare ich mir das Einscannen. Gerade wenn man für Kund*innen arbeitet, die viele Änderungswünsche haben, ist das digitale Zeichnen wirtschaftlicher.

Die deutsche und die italienische Ausgabe haben eine andere Form, der Inhalt ist jedoch derselbe. Können Sie uns mehr über die Unterschiede zwischen den beiden Editionen erzählen?
Bekritzelte Cover der deutschen Reclam-Ausgabe | © Kritzeleien: Katja Spitzer | © Reclam
Bekritzelte Cover der deutschen Reclam-Ausgabe | © Kritzeleien: Katja Spitzer | © Reclam | © Goethe-Institut Italien | Foto: Katja Spitzer
Una linea è una linea | Buchcover
Una linea è una linea | Buchcover: © Katja Spitzer | © Raum Italic Verlag, September 2021
Die deutsche Ausgabe beim Reclam-Verlag ist Teil einer Reihe, die eine klare Gestaltungsvorgabe für das Cover (Türkis) und das Layout hat. Auf Nachfrage von Leser*innen habe ich das Cover der Reclamausgabe individuell bekritzelt und auf Instagram geteilt. Diese Idee mochten Barbara Ghizzi und Marco Ghideli von Raum Italic. Sie luden mich ein, ein Kritzeldesign für das italienische Cover zu gestalten. Die tolle rote Pantonefarbe war die Idee des Verlags und gefällt mir sehr. Die Farbe begegnet uns im Innenteil erneut, als Schmuckfarbe für Auszeichnungen, als Doppelseiten am Kapitelanfang. Ebenso tauchen kleine Vignetten auf. Auch das Layout und die Schrift der italienischen Ausgabe ist anders als die deutsche Ausgabe. Und eines hätte ich fast vergessen: auf der italienischen Ausgabe steht mein Name auf dem Buchcover, juchhu!
 
Ein Buch wie dieses wird sicherlich zu einer langen Saison von Zeichenworkshops führen. Haben Sie bereits solche Workshops durchgeführt? Können Sie uns sagen, für wen diese Workshops gedacht sind und wie sie ablaufen?
 
Katja Spitzer
Katja Spitzer | Foto: © privat
Ich mache seit ca. 10 Jahren Zeichenworkshops. Prinzipiell können Menschen aller Altersgruppen und Fähigkeiten teilnehmen. Allerdings sollte diese Gruppe einigermaßen homogen sein, damit sich niemand unter- oder überfordert fühlt. Gerne starte ich mit einer kleinen Aufwärmübung, für das gegenseitige Kennenlernen. Dafür eignen sich zum Beispiel die Übungen aus Teil 1 des Buches: „Aufwärmübungen und Kreativspiele“.

In Rumänien und Sri Lanka habe ich mit Kindern gearbeitet, die erst sehr schüchtern waren, aber als wir mit dem Zeichnen losgelegt haben, mutig wurden. Ich stelle mich gern auf die Bedürfnisse der Teilnehmer*nnen und die verschiedenen Orte ein und entwickle individuelle Konzepte. Gerade habe ich eine Onlinelesung (mit Workshopteil) vorbereitet, der vom Bödeckerkreis Mecklenburg gefördert wurde. Das Projekt heißt „Lesen in Echtzeit“ und ist eine Mischung aus Lesung mit Animationen, ein paar Quizzes und Mitmachteil. 
 
Welche der 77 Übungen sollten wir jetzt machen?
 
Vielleicht passend zur Lage der Welt die Übung 48) Protestplakat: „Zeichne ein Plakat, das eine Ungerechtigkeit anprangert, die dich wirklich nervt.“

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