Filmvorführung Timm Thaler oder das verkaufte Lachen

Baron Lefuet kauft Timms Lachen © Constantin Film Verleih GmbH_Gordon Muehle

Mi, 20.03.2019

19:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Regie: Andreas Dresen, Farbe, 102 Min., 2015/2016

Timm Thaler ist ein Junge, der eigentlich nichts zu lachen hat. Seine Mutter ist tot, bald kommt auch noch sein Vater ums Leben. Dennoch lacht er gern und oft und steckt damit seine Umwelt an. Das ruft den dämonischen Baron Lefuet auf den Plan: Timm soll ihm sein Lachen verkaufen und als Gegenleistung nie mehr eine Wette verlieren. Der arme Junge wird unermesslich reich – und verarmt zugleich, weil er sich dem bösen Wettpartner ausliefern muss. Einzige Rettung: mit einer verlorenen Wette müsste Lefuet (ein Anagramm für „Teufel”) Timm das Lachen zurückgeben. Andreas Dresen hat den gleichnamigen Bestseller von James Krüss aus dem Jahr 1962, dessen erste Adaption (1979) als TV-Serie ein Hit war, mit viel Fantasie und Aufwand inszeniert. Am Ende bleibt die Einsicht: Nichts ist so viel wert, als dass man dafür seine Seele verkaufen dürfte.


Timm Thaler hat nicht viele Gründe, um zu lachen. Der Junge hat früh seine Mutter verloren, er lebt in ärmlichen Verhältnissen, dann kommt auch noch sein Vater bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Was dem Jungen vorerst noch bleibt, ist sein hinreißendes und ansteckendes Lachen. Auch dies wird er verlieren, nicht durch die schmerzhaften Erfahrungen mit seiner bösen Stiefmutter Lydia und ihrem Sohn Erwin, sondern durch einen geheimnisvollen, finsteren Fremden, der sich Baron Lefuet nennt und ihm sein Lachen abkauft. Der Preis: Timm, der mit seinem Vater regelmäßig zu Pferderennen gegangen war und meist zusehen musste, wie dieser beim Wetten verlor, würde künftig nie wieder eine Wette verlieren. Sollte dies doch geschehen, so müsste ihm Lefuet das Lachen zurückgeben.
 
Der Deal funktioniert. Timm gewinnt Pferdewetten nach Belieben, lachen kann er darüber nicht mehr, zumal er zunächst von dem Gaunerpärchen Behemoth und Belial (die Namen verweisen auf diabolische mythische Vorfahren!) mehrfach um seinen Gewinn gebracht wird. Aber es gelingt ihm, sogar einen mächtigen Grabstein für seinen toten Vater zu gewinnen. Lefuet aber lacht, lacht bis an den Rand des Wahnsinns; in seiner bizarren Machtzentrale fordert er seine Mitarbeiter dazu auf, nur noch lustige Produkte herzustellen. Auch Behemoth und Belial arbeiten für ihn und müssen, in Mäuse verwandelt, Timm observieren. Nur Ida, die Bäckerstochter und kleine Freundin des Jungen, scheint zu spüren, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Dieser will bald sein Lachen zurückhaben und sucht Lefuet; der hat inzwischen Ida um ihre schönen Augen betrogen. Als Timm einen Job als Liftboy im „Grand Hotel“ annimmt, lernt er den Barkeeper Kreschimir kennen und findet in ihm einen mutigen Freund. Kreschimir entdeckt, dass Lefuet nichts anderes bedeutet als ein Anagramm für „Teufel“. Mit einer listigen Wette treibt Timm den Bösen so in die Enge, dass sich bald die Nachricht verbreitet, der Baron habe Selbstmord begangen und Timm würde mit dem Erbe der reichste Junge der Welt sein. Doch das Böse lässt sich nicht ausrotten: Als Vormund Timms tritt der angebliche Zwillingsbruder Lefuets auf, gegen den der Junge doch noch eine listige Wette gewinnt.
 
TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN basiert auf dem gleichnamigen, 1962 erschienenen Kinderbuch von James Krüss, das bald nach seiner Veröffentlichung ein Bestseller wurde und 1979 als TV-Serie Erfolge feierte. Das Grundmotiv – die an den Teufel verkaufte Seele – hat in der deutschen Literatur eine lange Tradition, von Goethes „Faust“ über Adelbert von Chamissos „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ (in der die Titelfigur ihren Schatten verkauft) bis hin zu Thomas Manns „Doktor Faustus“. Auch im deutschen Stummfilm taucht das Motiv häufig auf, wie in den verschiedenen Versionen von DER STUDENT VON PRAG (hier ist das Objekt teuflischer Begierde das Spiegelbild des armen Studenten).
 
Regisseur Andreas Dresen ist mit seiner neuen, von der Vorlage mitunter deutlich abweichenden Version ein ebenso kindgerechtes Werk gelungen wie einst James Krüss. Dresen erzählt die Geschichte vor dem Hintergrund einer deutschen Stadt in den zwanziger Jahren, aber durchbricht diese Ebene, wenn er in einer eingefügten Animations-Sequenz von einem armen Bauern in Nigeria erzählt, der von Lefuet und Konsorten um sein Land und sein Wasser betrogen wird. Der Turbokapitalismus ist das Werk des Teufels, lautet die Botschaft. „Weil der Teufel durch Zeit und Raum reisen kann, geht auch der Film ab einem bestimmten Zeitpunkt ins Märchenhafte und greift moderne Elemente auf.“ (Dresen) Gleichzeitig „schmuggelt“ der Regisseur Bilder in seinen Film, die eher als Insiderjokes für Erwachsene funktionieren, die Tonart der Inszenierung aber niemals stören. Lefuet hält eine Rede und gleicht in seinem Outfit dem Apple-Gründer Steve Jobs, bei einer großen Party des Barons im Grand Hotel scheinen sich Gaddafi oder eine russische Oligarchin inmitten einer zweifelhaften Macht- und Geldprominenz wohlzufühlen. Andreas Dresen: „Es ist eine Auseinandersetzung mit der wichtigen Frage: Was bin ich bereit, für meine Sehnsüchte nach Wohlstand zu opfern? Welchen Preis zahlen wir in einer Welt, die nur noch auf Profit und Reichtum aus ist? Der Film behandelt ein ernstes Thema, auch wenn es in einem unterhaltsamen und leichten Gewand daherkommt.“ Letzter Satz des Erzählers: „Wenn der Mensch lacht, hat der Teufel seine Macht verloren!“
 
 
Biografie
 
Andreas Dresen wurde 1963 in Gera geboren und arbeitete nach dem Abitur als Tontechniker am Schweriner Theater und absolvierte ein Volontariat im DEFA Studio für Spielfilme. Er studierte von 1986 bis 1991 Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg. Seit 1992 arbeitet er als freier Autor und Regisseur. Sein Spielfilmdebüt STILLES LAND (1992) brachte ihm bereits den Hessischen Filmpreis und den Deutschen Kritikerpreis ein. Mit seinem Episodenfilm NACHTGESTALTEN erlebte Dresen auf der Berlinale 1999 seinen Durchbruch. Zwei Jahre später wurde HALBE TREPPE zu einem großen Erfolg, für den er unter anderem den Silbernen Bären bei den Berliner Filmfestspielen und den Deutschen Filmpreis in Silber erhielt. Seinen bisher größten Publikumserfolg hatte Dresen 2006 mit SOMMER VORM BALKON. Dresen dreht auch Dokumentarfilme, wie HERR WICHMANN VON DER CDU und arbeitet immer wieder am Theater, unter anderem in Leipzig und in Berlin. Beim Filmfestival Cannes 2011 stellte Dresen in der Sektion Un Certain Regard sein Drama HALT AUF FREIER STRECKE vor, in dem er beobachtet, wie sich die Diagnose eines inoperablen Gehirntumors auf einen Mann und seine Familie auswirkt. 2016/17 drehte Dresen den ersten Kinder- und Jugendfilm seiner Karriere: TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN (2017). Beim Deutschen Filmpreis wurde Dresens Adaption in der Kategorie „Bester Kinderfilm“ nominiert. Dresen ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, der Europäischen Filmakademie und Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie. Er lebt in Potsdam.
 
Filmografie (Auswahl)
 
1991/92 STILLES LAND
1993      KUCKUCKSKINDER
1998/99 NACHTGESTALTEN
2000      DIE POLIZISTIN
2001/02 HALBE TREPPE
2002/03 HERR WICHMANN VON DER CDU
2004/05 WILLENBROCK
2004/05 SOMMER VORM BALKON
2007-09 WHISKY MIT WODKA
2007/08 WOLKE 9
2010/11 HALT AUF FREIER STRECKE
2013-15 ALS WIR TRÄUMTEN
2015-17 TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN
2017/18 GUNDERMANN
 
Hans Günther Pflaum, 07.12.2017

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