Dagmar Leupold
Autorennen

Ich bin gern in St. Petersburg unterwegs. Ohne Angst, auch in der Metro, in deren Gängen, Bahnsteigen und Zügen es überdies von Sicherheitspersonal wimmelt. Alle haben mich vor Taschendieben gewarnt, insbesondere am Heumarkt, in dessen Umgebung so viele der Romane Dostojevskijs spielen. Vermutlich wurde die Warnung zurecht ausgesprochen, aber dennoch ist das eher ein globales Phänomen, das in Ballungszentren mit großer Dichte an Touristen auftritt – egal, ob Rom, Paris, Berlin oder eben St. Petersburg. Eine gewisse Vorsicht ist also längst internalisiert. Was mich aber hier, an der Neva, in Angst und Schrecken versetzt sind die Autofahrer. Für sie sind die Prospekte, die mehrspurigen, geraden Achsen, die sternförmig auf die Admiralität zuführen, ganz offensichtlich dazu da, mit 120 oder mehr Sachen durch die Stadt zu rasen, gern auch als verabredetes oder spontanes Wettrennen. Die tiefgelegten, getunten Autos, schwarze Scheiben, bei Fahrer und Beifahrer halb heruntergekurbelt, damit die gerade mit dem Leben davon gekommenen Fußgänger auch etwas von der Musik haben, legen an der Ampel, die sie kurzfristig zum Stillstand zwang, mit einem unglaublichen Aufheulen des Motors und quietschenden, ja qualmenden Reifen los. Das sind Tadschiken, höre ich und denke bei mir, dass die ganz schön häufig blond sind – sofern man bei fast geschorenem Schädel überhaupt noch von Haarfarbe sprechen kann.

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