Buchmesse
Taipei International Book Exhibition „Ein Karneval der Literatur“

  • Taipei International Book Exhibition ©

  • Taipei International Book Exhibition ©

Im Februar lockte die Taipei International Book Exhibition (TIBE) mehr als eine halbe Million Besucher in ihre Hallen. Hier berichten vier Messeteilnehmer von ihren Erfahrungen.
 
Aufgezeichnet von Maximilian Kalkhof

Andreas Rötzer, Verleger, Matthes & Seitz Berlin
Ich bin zum dritten Mal auf der Buchmesse in Taipeh. Wir sind ein unabhängiger Verlag und bauen unser Auslandsgeschäft seit etwa fünf Jahren auf. Taiwan ist für uns ein wichtiger Markt, und die Messe eine Art Drehscheibe. Insgesamt verkaufen wir in Taiwan vor allem Philosophie- und Naturtitel, kaum Fiktion. Zuletzt haben wir etwa die Rechte für die „Müdigkeitsgesellschaft“ von Byung-Chul Han verkauft, außerdem die Rechte für einige Bücher aus der Reihe „Naturkunden“. „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969“ von Frank Witzel ist eines der wenigen belletristischen Bücher, die wir verkaufen konnten. Dass das Buch den Deutschen Buchpreis gewonnen hat, war natürlich hilfreich. Für mich ist die Messe eine gute Gelegenheit, vor Ort zu sein und mit Kollegen ins Gespräch zu kommen. Unsere Branche lebt nach wie vor von direkten Kontakten. Die Menschen hier empfinde ich als gebildet und verlässlich. Mein Eindruck ist, dass man hier Handschlaggeschäfte abschließen kann: Man hält sich an Absprachen. Neben den geschäftlichen Gründen bin ich aber auch aus Interesse für die chinesische Kultur hier. Die Welt hat sich ja gedreht und Asien spielt eine immer wichtigere Rolle. Das haben wir in Europa noch nicht so richtig begriffen. Im vergangenen Jahr hat die Messe hier beispielsweise fast doppelt so viele Besucher angelockt wie die Frankfurter Buchmesse.
 
Friederike Barakat, Leiterin der Abteilung Auslandslizenzen, Carl Hanser Verlag, München
Ich bin zum ersten Mal hier und die Messe hat mich ausgesprochen positiv überrascht. Was den Verkauf von Lizenzen angeht, ist China für Hanser wichtigerer als Taiwan. Aber Taiwan hat Potenzial, besonders, was Sach- und Kinderbücher angeht. Jüngst haben wir etwa das Jugendbuch "Wer war Adolf H.?", eine Hitler-Biografie von Thomas Sandkühler, verkauft. Ich persönlich empfinde die Kommunikation mit meinen taiwanischen Kollegen als angenehm, es geht freundlich und offen zu, auch unangenehme Dinge lassen sich besprechen. In China kann es passieren, dass Ansprechpartner abtauchen und nicht mehr zu sprechen sind, wenn es schwierig wird. Deswegen haben wir fürs Chinageschäft einen in Deutschland lebenden chinesischen Agenten. Für Taiwan ist das nicht nötig. Außerdem ist die Messe in Taipeh für mich eine Gelegenheit, mit Kollegen aus Ozeanien zusammenzukommen. Heute morgen etwa habe ich tolle Kollegen aus Neuseeland getroffen.
 
Tang Wei, Direktorin, Taipei International Book Exhibition
Ich war dieses Jahr zum ersten Mal als Direktorin für die Buchmesse verantwortlich und bin sehr zufrieden mit dem, was wir auf die Beine gestellt haben. Ich freue mich auch sehr darüber, dass wir aus allen Richtungen positives Feedback bekommen haben. Ich finde, die Messe hier in Taipeh nähert sich ein bisschen der Leipziger Buchmesse an: Sie ist eine Publikumsmesse, bei der die Besucher sechs Tage lang die Gelegenheit haben, Autoren und Verleger zu treffen, Veranstaltungen zu besuchen, aber auch Bücher zu kaufen. Kurz: Sie ist ein Karneval der Literatur. Unter den Buchmessen in Ostasien gibt es einen regen Austausch. Mit China ist der Kontakt wegen der politischen Situation etwas schwieriger. Offiziell nimmt beispielsweise kein chinesischer Verlag an der TIBE teil. Aber natürlich kommen trotzdem Verleger und Autoren aus China zur TIBE angereist. Es gibt sogar einen eigenen Stand mit Büchern in Kurzzeichen, also den Schriftzeichen, die in China verwendet werden. Mein Eindruck ist, dass wir Taiwaner eine große Offenheit gegenüber fremden Kulturen und Sprachen haben, es gibt eine Sehnsucht nach dem Fremden. Vielleicht liegt das daran, dass wir auf einer Insel leben. Im Vergleich zu China hat Taiwan einen moderneren Literaturgeschmack, würde ich sagen. In China werden nach wie vor viele deutsche Klassiker übersetzt, die Taiwaner hingegen lesen junge deutsche Autoren wie Juli Zeh, Charlotte Roche und Florian Illies.
 
Lin Yu-li, Journalist und Autor des Buchs „Die Macht in der Mitte Europas – Wie sich Deutschland neu erfindet“
Mein Eindruck ist, dass es dieses Jahr noch mehr Veranstaltungen als früher gab, bei denen Autoren einen Vortrag gehalten und anschließend mit dem Publikum diskutiert haben. Es rührt mich zu sehen, wie viele Leser zur Messe kommen und wie intensiv der Austausch mit den Autoren ist. Eine Besonderheit der TIBE ist, dass sie für das breite Publikum bestimmt ist. Man kann bis 22 Uhr in den Hallen verweilen, viele Leser kaufen hier auch große Mengen Bücher, was natürlich mit den Rabatten zu tun hat, die man hier bekommt. Erwähnenswert finde ich außerdem, dass viele Verlage aus Hongkong und auch Verleger aus China vertreten sind, so dass man schnell einen Überblick über Bücher aus der gesamten chinesischsprachigen Welt gewinnen kann. Mein Buch ist einen Tag vor der Eröffnung der Messe erschienen. Für mich war die TIBE deswegen eine Gelegenheit, das Buch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ich habe viel Zeit an dem Stand meines Verlags verbracht. Zu meiner Überraschung ist mein Buch auf so viel Resonanz gestoßen, dass schon nach wenigen Tagen alle Exemplare ausverkauft waren, die wir am Verlagsstand hatten. Insofern war die TIBE für mich ein Erfolg. 

Top