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19:00 Uhr
Negotiating Cultural Heritage
Filmvorführungen, Paneldiskussion | Heritage in Focus #4
- Sprache Englisch mit Simultanübersetzung
- Preis Eintritt frei
- Teil der Reihe: HERITAGE IN FOCUS
19:00
Vorführungen
Parthenon Rising (II), Bill Balaskas, 2011, 2΄45΄΄
Acropolis, Eva Stefani, 2001, 25΄
Q&A: Eva Stefani
20:00
Impulsvortrag: Sebastian Conrad
Podiumsdiskussion
Rundtisch mit Christos Chrissopoulos, Sebastian Conrad, Golda Ha-Eiros, Ira Kaliampetsos
Moderation: Sophia Handaka
Das Thema Restitution von „Cultural Belongings“ ist seit einigen Jahren in aller Munde – und das weit über professionelle Museumsdebatten hinaus. An der Frage nämlich, wer kulturelles Erbe besitzt, ausstellt oder nutzt entscheiden sich Fragen von kultureller Deutungshoheit, nationaler und kultureller Identitäten – und letztlich auch politischer Macht.
In den letzten Jahren stand in den Debatten oft der „globale Süden“ im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Rückführung der Benin Bronzen aus der Berliner Ethnologischen Sammlung nach Nigeria etwas sorgte für internationale Schlagzeilen – auch, weil sich in ihnen die lange missachteten Gewaltstrukturen des europäischen Kolonialismus verdichteten. Die griechischen Rückgabeforderungen des Parthenon-Frieses („Elgin Marbles“) gegenüber dem British Museum zeigen jedoch, dass entwendete Kulturgüter auch in europäischen Kontexten für Kontroversen sorgen können. Hat dieses seit langem virulente Thema in den letzten Jahren in der gesellschaftlichen und medialen Öffentlichkeit Griechenlands an Gewicht gewonnen, sind die fragwürdigen Erwerbungsgeschichten antiker Kulturgüter in Deutschland lange unbeachtet geblieben.
Wo steht die Debatte um das kulturelle Erbe derzeit? Welches Verhältnis haben Restitutionsforderungen zu Fragen nationaler Identität(en)? Müssen sich Antikenmuseen denselben kritischen Fragen zuwenden, die inzwischen zum Beispiel an ethnologische Sammlungen gestellt werden? Und kann die Debatte um die kolonialen Raubgüter des globalen Südens jene um die Antikengüter befruchten?
In der vierten (und letzten) Ausgabe der Reihe „Heritage in Focus“ steht das kulturelle Erbe im Mittelpunkt. Nach dem immateriellen Erbe, dem städtebaulichen Erbe und dem Naturerbe sollen die handfesten „Objekte“ zum Thema werden. Mit Kunst, Filmen und Debatten wird über den Abend ein vielfältiger Blick aufs Thema geworfen: Der Berliner Historiker Sebastian Conrad zeigt am Beispiel der aus Ägypten stammenden Büste der Nofretete, wie eine entwendete Antike zur globalen Ikone werden und zugleich ikonisch für Raubgutdebatten stehen kann. Griechische, namibische und deutsche Expert:innen diskutieren die Notwendigkeit, aber auch die Grenzen der Rückführung kulturellen Erbes. Zwei Videokunstarbeiten stellen kritische Fragen nach der Symbolik und Übernutzung der Akropolis: Bill Balaskas setzt sich in seiner Videoarbeit “Parthenon Rising (II)“ mit der Touristifizierung des Wahrzeichens auseinander, während Eva Stefani in ihrem Film „Acropolis“ die Bedeutung des griechischen Nationalsymbols für die Schaffung der nationalen Identität und des kollektiven Gedächtnisses untersucht.
Musik und Getränke runden den Abend ab.
Das Werk entfaltet sich wie ein visuelles „Crescendo“, das von Dunkelheit und „Verwirrung“ zu Licht und „Klarheit“ führt. Das Video entstand in der einzigen Nacht des Jahres, in der die Akropolis für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Tausende Einheimische und Tourist:innen erklimmen dann den antiken Hügel, um die Relikte mit ihren Kameras festzuhalten. Ohne künstliche Beleuchtung erscheinen die Monumente, darunter der Parthenon, nur im kurzen Aufleuchten der Kamerablitze. Dieses Schauspiel zeigt den Parthenon in einem ungewohnten Licht – fernab von dem eines vertrauten Symbols.
Gleichzeitig offenbart es viel über die Menschen, die aus aller Welt kommen, um den Tempel zu fotografieren und vielleicht einen Teil seines Mythos einzufangen. Doch kann dieser Mythos in Zeiten permanenter Krise und medialer Inszenierung ein „tiefes“ und „echtes“ Symbol bleiben? Kann der Parthenon mehr sein als eine Oberfläche, die nur darauf wartet, fotografiert und „verkauft“ zu werden? Kann er der Gefahr entgehen, zum architektonischen Pendant eines Hollywoodstars auf dem roten Teppich zu werden? Die widersprüchlichen Bilder des Videos – schön und gewalttätig zugleich – spiegeln vielleicht die inneren Konflikte eines Landes und die Widersprüche eines sozialen und kulturellen Paradigmas wider.
Indem sie Super-8-Found-Footage mit heterogenem Archivmaterial verbindet – historische Aufnahmen von Staatszeremonien und offiziellen Feierlichkeiten an den Hängen des heiligen Felsens, abgenutzte Bilder von Pornofilmen der 1960er Jahre, aber auch Nachrichten-, Medizin- und Feldaufnahmen, Radiomitschnitte, bürgerliche Melodien oder sogar eine Aufnahme der Nationalhymne – zusammen mit einer beichtenden Ich-Erzählung, schafft Stefani eine subversive Collage, die aufzeigt, wie Geschichte, Identität und Begehren miteinander verwoben sind in der Art, wie wir sehen und erinnern. Gleichzeitig verdeutlicht sie, wie sowohl der Tempel als auch der weibliche Körper für politische, wirtschaftliche und propagandistische Zwecke instrumentalisiert wurden. Stefani greift direkt in das Filmmaterial ein – färbt, verbrennt und schneidet es – möglicherweise, um den Verfall des Materials und die fragile Natur des Gedächtnisses sowie die körperlichen Spuren der Zeit zu betonen.
Eine Kooperation zwischen dem Goethe-Institut und dem Humboldt Forum.
Visual Identity: Thinking
Vorführungen
Parthenon Rising (II), Bill Balaskas, 2011, 2΄45΄΄
Acropolis, Eva Stefani, 2001, 25΄
Q&A: Eva Stefani
20:00
Impulsvortrag: Sebastian Conrad
Podiumsdiskussion
Rundtisch mit Christos Chrissopoulos, Sebastian Conrad, Golda Ha-Eiros, Ira Kaliampetsos
Moderation: Sophia Handaka
In den letzten Jahren stand in den Debatten oft der „globale Süden“ im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Rückführung der Benin Bronzen aus der Berliner Ethnologischen Sammlung nach Nigeria etwas sorgte für internationale Schlagzeilen – auch, weil sich in ihnen die lange missachteten Gewaltstrukturen des europäischen Kolonialismus verdichteten. Die griechischen Rückgabeforderungen des Parthenon-Frieses („Elgin Marbles“) gegenüber dem British Museum zeigen jedoch, dass entwendete Kulturgüter auch in europäischen Kontexten für Kontroversen sorgen können. Hat dieses seit langem virulente Thema in den letzten Jahren in der gesellschaftlichen und medialen Öffentlichkeit Griechenlands an Gewicht gewonnen, sind die fragwürdigen Erwerbungsgeschichten antiker Kulturgüter in Deutschland lange unbeachtet geblieben.
Wo steht die Debatte um das kulturelle Erbe derzeit? Welches Verhältnis haben Restitutionsforderungen zu Fragen nationaler Identität(en)? Müssen sich Antikenmuseen denselben kritischen Fragen zuwenden, die inzwischen zum Beispiel an ethnologische Sammlungen gestellt werden? Und kann die Debatte um die kolonialen Raubgüter des globalen Südens jene um die Antikengüter befruchten?
In der vierten (und letzten) Ausgabe der Reihe „Heritage in Focus“ steht das kulturelle Erbe im Mittelpunkt. Nach dem immateriellen Erbe, dem städtebaulichen Erbe und dem Naturerbe sollen die handfesten „Objekte“ zum Thema werden. Mit Kunst, Filmen und Debatten wird über den Abend ein vielfältiger Blick aufs Thema geworfen: Der Berliner Historiker Sebastian Conrad zeigt am Beispiel der aus Ägypten stammenden Büste der Nofretete, wie eine entwendete Antike zur globalen Ikone werden und zugleich ikonisch für Raubgutdebatten stehen kann. Griechische, namibische und deutsche Expert:innen diskutieren die Notwendigkeit, aber auch die Grenzen der Rückführung kulturellen Erbes. Zwei Videokunstarbeiten stellen kritische Fragen nach der Symbolik und Übernutzung der Akropolis: Bill Balaskas setzt sich in seiner Videoarbeit “Parthenon Rising (II)“ mit der Touristifizierung des Wahrzeichens auseinander, während Eva Stefani in ihrem Film „Acropolis“ die Bedeutung des griechischen Nationalsymbols für die Schaffung der nationalen Identität und des kollektiven Gedächtnisses untersucht.
Musik und Getränke runden den Abend ab.
PARTHENON RISING II
Vor zwei Jahrhunderten, am Vorabend der griechischen Revolution, schrieb der englische Dichter Percy Bysshe Shelley: „Wir sind alle Griechen. Unsere Gesetze, unsere Literatur, unsere Religion und unsere Künste haben ihre Wurzel in Griechenland.“ Nach der Schuldenkrise in der Eurozone wandelte sich die Stimmung jedoch. Als europäische Politiker und Medien vorschlugen, Griechenland solle berühmte Inseln oder gar den Parthenon verkaufen, um seine Schulden zu tilgen, zeigte sich, wie die Wirtschaftskrise grundlegende Elemente der westlichen Kultur zumindest nominell in Frage stellte. Diese tiefere kulturelle Krise bildet den Kern von Parthenon Rising.Das Werk entfaltet sich wie ein visuelles „Crescendo“, das von Dunkelheit und „Verwirrung“ zu Licht und „Klarheit“ führt. Das Video entstand in der einzigen Nacht des Jahres, in der die Akropolis für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Tausende Einheimische und Tourist:innen erklimmen dann den antiken Hügel, um die Relikte mit ihren Kameras festzuhalten. Ohne künstliche Beleuchtung erscheinen die Monumente, darunter der Parthenon, nur im kurzen Aufleuchten der Kamerablitze. Dieses Schauspiel zeigt den Parthenon in einem ungewohnten Licht – fernab von dem eines vertrauten Symbols.
Gleichzeitig offenbart es viel über die Menschen, die aus aller Welt kommen, um den Tempel zu fotografieren und vielleicht einen Teil seines Mythos einzufangen. Doch kann dieser Mythos in Zeiten permanenter Krise und medialer Inszenierung ein „tiefes“ und „echtes“ Symbol bleiben? Kann der Parthenon mehr sein als eine Oberfläche, die nur darauf wartet, fotografiert und „verkauft“ zu werden? Kann er der Gefahr entgehen, zum architektonischen Pendant eines Hollywoodstars auf dem roten Teppich zu werden? Die widersprüchlichen Bilder des Videos – schön und gewalttätig zugleich – spiegeln vielleicht die inneren Konflikte eines Landes und die Widersprüche eines sozialen und kulturellen Paradigmas wider.
ACROPOLIS
Eva Stefanis Acropolis ist ein poetischer, nachdenklicher Film, der die Bedeutung des nationalen Symbols Griechenlands – der Akropolis – für die Prägung der nationalen Identität und des kollektiven Gedächtnisses untersucht. Durch eine feministische Perspektive zieht das Werk eine Parallele zwischen dem emblematischsten Denkmal Griechenlands – dem Parthenon (dem „Tempel der Jungfrauen“, wie der antike Name des Monuments lautet) – und dem weiblichen Körper und lädt uns ein, die etablierten Vorstellungen von Griechentum und Weiblichkeit zu überdenken, während es die Ideologien hinter den Nationalsymbolen infrage stellt.Indem sie Super-8-Found-Footage mit heterogenem Archivmaterial verbindet – historische Aufnahmen von Staatszeremonien und offiziellen Feierlichkeiten an den Hängen des heiligen Felsens, abgenutzte Bilder von Pornofilmen der 1960er Jahre, aber auch Nachrichten-, Medizin- und Feldaufnahmen, Radiomitschnitte, bürgerliche Melodien oder sogar eine Aufnahme der Nationalhymne – zusammen mit einer beichtenden Ich-Erzählung, schafft Stefani eine subversive Collage, die aufzeigt, wie Geschichte, Identität und Begehren miteinander verwoben sind in der Art, wie wir sehen und erinnern. Gleichzeitig verdeutlicht sie, wie sowohl der Tempel als auch der weibliche Körper für politische, wirtschaftliche und propagandistische Zwecke instrumentalisiert wurden. Stefani greift direkt in das Filmmaterial ein – färbt, verbrennt und schneidet es – möglicherweise, um den Verfall des Materials und die fragile Natur des Gedächtnisses sowie die körperlichen Spuren der Zeit zu betonen.
BILL BALASKAS
Der Künstler, Theoretiker und Pädagoge Bill Balaskas lebt in London. Nach einem Ökonomiestudium in Griechenland studierte er Kunst in Großbritannien. Mit seinem interdisziplinären Hintergrund beleuchtet er in seinen Arbeiten sozioökonomische und politische Systeme durch die Linse moderner Utopien und Dystopien. Seine Werke wurden international ausgestellt, unter anderem im Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA), im BOZAR in Brüssel, im EMST National Museum of Contemporary Art in Athen, im Centro de Arte Dos de Mayo (CA2M) in Madrid, in Le CENTQUATRE in Paris, auf der Transmediale in Berlin, in der John Hansard Gallery in Southampton, im TENT in Rotterdam, in Les Abattoirs in Toulouse, in der Talbot Rice Gallery in Edinburgh, im ARTIUM in Vitoria-Gasteiz, auf der Whitstable Biennale, in der Almeida Garrett Galeria Municipal do Porto und im British Film Institute in London. Von 2012 bis 2020 gab er den Leonardo Electronic Almanac (MIT Press) heraus, 2020 folgte „Architectures of Education“ bei e-flux Architecture. Seine Aufsätze und Artikel erschienen unter anderem in Journal of Visual Culture, Third Text, OnCurating, Revista Arta, Times Higher Education und Espace Art Actuel. Zu den von ihm herausgegebenen Büchern gehören Fabricating Publics: The Dissemination of Culture in the Post-Truth Era (Open Humanities Press, 2021) und Institution as Praxis: New Curatorial Directions for Collaborative Research (Sternberg Press, 2020). Er ist Direktor für Forschung und Wissensaustausch an der School of Arts der Kingston University, wo er 2022 das Centre for Practice Research in the Arts (CePRA) gründete. Er wird von den Kalfayan Galleries in Athen und Thessaloniki vertreten.EVA STEFANI
Eva Stefani wurde in den USA geboren und lebt in Athen. Sie studierte Politikwissenschaft an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Athen sowie Filmtheorie und Anthropologie an der New York University (NYU). Anschließend absolvierte sie ein Studium der Filmwissenschaften mit Schwerpunkt Dokumentarfilm an der VARAN-Schule in Frankreich und der National Film & TV School in Großbritannien. Ihre 1997 an der Panteion-Universität angeschlossene Doktorarbeit widmete sich der Darstellung Griechenlands im ethnografischen Kino. Stefani realisierte über 30 Filme, die von ethnografisch bis experimentell reichen. Zu ihren bekanntesten Werken zählen „Letters from the Albatross” (1996), „Housemates” (1999), „Acropolis” (2001), „The Box” (2004), „Athinai” (2007) und „What Time Is It?” (2007), „Bathers“ (2008), „Manuscript“ (2017) und „Days and Nights with Dimitra K.“ (2021). Ihre Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Filmfestivals gezeigt und ausgezeichnet; Retrospektiven fanden u.a. bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, dem Festival L’Europe autour de l’Europe (FEAE) sowie an der New York University und der Columbia University statt. Seit 2000 ist sie außerdem in internationalen Ausstellungen für visuelle Kunst vertreten, etwa bei der documenta 14. 2019 vertrat sie Griechenland gemeinsam mit Zafos Xagoraris und Panos Charalambous auf der 58. Biennale in Venedig. Stefani ist Professorin für Filmwissenschaft an der Fakultät für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen. Ihr jüngster Film „Bull’s Heart“ porträtiert das Leben und Werk des berühmten griechischen Regisseurs, Choreografen, bildenden Künstlers und Performers Dimitris Papaioannou.Eine Kooperation zwischen dem Goethe-Institut und dem Humboldt Forum.
Visual Identity: Thinking